VwGH 89/04/0276

VwGH89/04/027619.6.1990

N gegen Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. November 1989, Zl. 551.282/196-VIII/1/89, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Partei: A-GesmbH in X).

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
ZustG §16 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
ZustG §16 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines in Beschwerde gezogenen Spruchteiles B) 3. b) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem in Angelegenheit eines gewerberechtlichen Betriebsanlagenverfahrens im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. November 1989 wurde im Spruchteil B) 3. b) ausgesprochen, daß die gegen den zweitinstanzlichen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. August 1988 erhobene Berufung der Beschwerdeführerin "gemäß § 13 Abs. 3 AVG nicht beachtet" werde.

Zur Begründung wurde in diesem Zusammenhang ausgeführt (Seite 430 des angefochtenen Bescheides), daß u.a. die Beschwerdeführerin ihre Berufung ohne Unterschrift eingebracht habe. Gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 sei die Genannte unter Einräumung einer vierzehntägigen Frist aufgefordert worden, ihre Unterschrift auf dem Berufungsschriftsatz im Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten nachzubringen, anderenfalls dieses Anbringen nicht mehr berücksichtigt werde. Da die Beschwerdeführerin innerhalb dieser Frist der Aufforderung zur Verbesserung des Formgebrechens nicht nachgekommen sei, sei ihre Berufung nicht mehr zu berücksichtigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Bezug habenden Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - gleichwie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich dadurch, daß

"1. die 'Zustellung' des Mängelbehebungsauftrages vom 19.07.1989 an den ersichtlich minderjährigen, am 03.08.1977 geborenen Sohn der BF als 'Ersatzempfänger' erfolgte, in ihrem Recht auf gesetzmäßige Anwendung des § 16 ZustG;

2. sie nicht rechtswirksam zur Behebung des Formgebrechens der fehlenden Unterschrift der von der BF eingebrachten Berufungsschrift aufgefordert wurde, in ihrem Recht gemäß § 13 Abs. 3 AVG;

3. die Berufung der BF zurückgewiesen wurde, ohne daß der BF der Sachverhalt, aufgrund dessen die Zurückweisung erfolgte, vorgehalten wurde, in ihrem Recht auf Parteiengehör gemäß § 45 AVG;

4. die Berufung der BF nicht meritorisch behandelt, sondern zurückgewiesen wurde, in ihrem Recht auf Sachentscheidung gemäß § 66 AVG"

verletzt.

Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, am 16. Dezember 1987 habe die mitbeteiligte Partei in Ansehung ihrer Betriebsanlage im Standort Wien 9. den Antrag eingebracht, die Wiedererrichtung der durch den Brand zerstörten Gebäude- und Anlagenteile sowie die Neuerrichtung von Zubauten zu genehmigen. In diesem Verfahren habe sie mündlich bzw. schriftlich Einwendungen gegen die Genehmigung der Betriebsanlage erhoben. Mit Bescheid vom 20. Mai 1988 habe das Magistratische Bezirksamt für den 9. Bezirk die beantragten Änderungen der Betriebsanlage unter Vorschreibung diverser Auflagen genehmigt. Gegen diesen Bescheid habe sie fristgerecht berufen. Der Landeshauptmann von Wien als Berufungsbehörde habe jedoch den erstinstanzlichen Bescheid im wesentlichen bestätigt und ihre Berufung abgewiesen. Auch gegen diesen Bescheid habe sie fristgerecht Berufung erhoben. Diese Berufung habe die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid zur Gänze als unzulässig zurückgewiesen. Dies mit der Begründung, daß sie ihre Berufungsschrift nicht unterfertigt und einem Auftrag zur Behebung dieses Mangels nicht Folge geleistet habe. Tatsächlich sei der Mängelbehebungsauftrag vom 19. Juli 1989 ihr niemals zugestellt, sondern vielmehr am 20. Juli 1989 ihrem am 3. August 1977 geborenen Sohn als "Ersatzempfänger" ausgefolgt worden, der das Schriftstück jedoch nicht weitergeleitet habe. Sie habe aus dem angefochtenen Bescheid entnommen, daß sie übersehen habe, ihre Berufungsschrift zu unterfertigen, und daß sie in der Folge vergeblich zur Behebung dieses Formgebrechens aufgefordert worden wäre. Sie habe daraufhin am 14. Dezember 1989 durch ihren ausgewiesenen Vertreter Einsicht in den Behördenakt genommen und feststellen müssen, daß an sie eine mit 19. Juli 1989 datierte Verständigung gerichtet worden sei, mit der sie u.a. eingeladen worden sei, binnen vierzehn Tagen ab Zustellung der Verständigung ihre Unterschrift auf ihrem Berufungsschriftsatz nachträglich anzubringen. Diese Verständigung sei am 19. Juli 1989 abgefertigt und laut dem im Behördenakt erliegenden Rückschein vom 20. Juli 1989 von ihrem Sohn, übernommen worden, der den Rückschein eigenhändig unterfertigt habe. Gemäß § 16 Abs. 2 Zustellgesetz könne Ersatzempfänger (nur) eine erwachsene Person sein. Ihr Sohn sei jedoch zum Zeitpunkt der Übernahme des Schriftstückes erst 11 Jahre alt gewesen. Er sei daher objektiv nicht als Ersatzempfänger in Frage gekommen. Die Zustellung des Schriftstückes an ihn sei daher ohne Zweifel rechtswidrig gewesen und daher unwirksam erfolgt. Schon das äußere Bild der Unterschrift ihres Sohnes auf dem Rückschein hätte bei der belangten Behörde erhebliche Zweifel daran erwecken müssen, ob der Empfänger tatsächlich erwachsen sei, wie es § 16 Abs. 2 Zustellgesetz vorschreibe. Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren darüber durchzuführen, ob die Voraussetzungen für eine Ersatzzustellung vorgelegen seien oder nicht. Sie hätte ihr vor der bescheidmäßigen Zurückweisung der Berufung vorhalten müssen, daß nach der Aktenlage die ihr aufgetragene Mängelbehebung nicht erfolgt sei, zumal es nicht der Lebenserfahrung entspreche, daß eine Partei gegen einen Bescheid Berufung erhebe, es aber trotz ausdrücklicher Aufforderung durch die Behörde unterlasse, diese mit ihrer Unterschrift zu versehen. Ein derartiger Vorhalt sei erwiesenermaßen nicht erfolgt, womit der angefochtene Bescheid auch aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet sei. Schließlich habe sie das subjektive Recht darauf, rechtswirksam aufgefordert zu werden, das von der Behörde festgestellte Formgebrechen zu beheben und die Unterschrift auf der Berufungsschrift nachzuholen. Eine rechtswirksame Aufforderung zur Mängelbehebung sei aber an sie nie ergangen. In diesem Zusammenhang werde der Vollständigkeit halber darauf verwiesen, daß eine Heilung des nichtigen Zustellvorganges gemäß § 7 Zustellgesetz nicht erfolgt sei, weil ihr das in Frage stehende Schriftstück von ihrem Sohn nicht ausgefolgt worden sei. Ihr Sohn habe das Schriftstück offenbar verlegt oder weggeworfen. Derartiges erscheine bei einem elfjährigen Kind, das die Bedeutung seines Handelns zumindest in bezug auf die Übernahme behördlicher Schriftstücke, deren Inhalt ihm nicht oder kaum verständlich sein dürfte, schwerlich erkennen könne, nicht ungewöhnlich. Eben deshalb gestatte § 16 Zustellgesetz die Ersatzzustellung nur an erwachsene Personen. Durch die Zurückweisung einer verfahrensrechtlich zulässigen Berufung sei sie somit auch in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt.

Dem gesamten Beschwerdevorbringen ist zu entnehmen, daß sich die Beschwerdeführerin im Umfang des vorbezeichneten Spruchteiles des angefochtenen Bescheides in dem auf Grund der von ihr in Anspruch genommenen Parteistellung in den in Rede stehenden gewerblichen Betriebsanlagenverfahren bestehenden Recht auf meritorische Entscheidung über ihre Berufung verletzt erachtet, wobei sie als Beschwerdegründe die Nichteinhaltung der der Behörde entsprechend der Bestimmung des § 13 Abs. 3 AVG 1950 obliegenden Vorgangsweise durch eine nicht im Sinne des § 16 Abs. 2 Zustellgesetz erfolgte rechtswirksame Aufforderung zur Behebung von Formgebrechen in Ansehung der fehlenden Unterschrift auf dem von ihr eingebrachten Berufungsschriftsatz als Beschwerdegründe geltend macht.

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 berechtigen Formgebrechen schriftlicher Anbringen wie auch das Fehlen einer Unterschrift an sich die Behörde noch nicht zur Zurückweisung; sie hat deren Behebung von Amts wegen zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen oder die schriftliche Bestätigung telegraphischer, fernschriftlicher, mündlicher oder telefonischer Anbringen mit der Wirkung auftragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden Frist nicht mehr berücksichtigt wird. Wird das Formgebrechen rechtzeitig behoben, so gilt das Ansuchen als ursprünglich richtig eingebracht.

Gemäß § 16 Abs. 2 Zustellgesetz kann Ersatzempfänger jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 16 Abs. 2 Zustellgesetz bereits in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 1988, Zl. 88/17/0232, unter Hinweis auf die dort angeführte Rechtsprechung dargetan hat, setzt Erwachsensein im Sinne dieser Norm nicht die Großjährigkeit, aber Mündigkeit voraus.

Gemäß § 7 Zustellgesetz gilt, wenn bei der Zustellung Mängel unterlaufen, sie als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist.

Ausgehend von dieser Rechtslage kommt daher dem dargestellten Beschwerdevorbringen über die mangelnde rechtswirksame Zustellung einer Mängelbehebungsaufforderung nach § 13 Abs. 3 AVG 1950 durch die belangte Behörde Relevanz im Sinne einer zu überprüfenden Parteienbehauptung zu.

Die Rechtsmittelbehörde hat das Risiko einer Bescheidaufhebung dann zu tragen, wenn sie von der Feststellung der Versäumung einer Frist ausgeht, diese Feststellung der Partei aber vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat (vgl. hiezu sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 16. Juli 1985, Zl. 85/07/0123, u.a.).

Sofern aber die belangte Behörde in der von ihr erstatteten Gegenschrift, abgesehen von der dem vorliegenden Erkenntnis im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zugrunde gelegten Annahme der Rechtsverletzungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin weiters Umstände ins Treffen führt, die ihrer Annahme nach einer Parteistellung der Beschwerdeführerin im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren überhaupt ausschlössen, genügt es darauf hinzuweisen, daß Gegenstand des mit der vorliegenden Beschwerde bekämpften Teilabspruches des angefochtenen Bescheides ausschließlich die "Nichtbeachtung" des von der Beschwerdeführerin eingebrachten Berufungsschriftsatzes wegen Nichteinhaltung der Frist zur Beseitigung eines Formgebrechens (fehlende Unterschrift) gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 ist, nicht aber darüber hinausgehend auch die Frage der rechtswirksamen Erlangung der Parteistellung im gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren. Wenn schließlich die belangte Behörde in der Gegenschrift weiters Sachverhaltsumstände geltend macht, die ihrer Annahme nach für die Rechtswirksamkeit der Zustellung der an die Beschwerdeführerin gerichteten Aufforderung nach § 13 Abs. 3 AVG 1950 sprächen, so ist ohne Eingehen auf deren Inhalt allein schon darauf hinzuweisen, daß eine in dieser Hinsicht fehlende Bescheidbegründung durch ein Vorbringen in der Gegenschrift nicht ersetzt werden könnte.

Ausgehend von diesen Erwägungen belastete aber die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid in seinem hier in Beschwerde gezogenen Abspruchsteil mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dieser war daher in dem im Spruch bezeichneten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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