VwGH 89/02/0141

VwGH89/02/014124.1.1990

N gegen 1.) Vorarlberger Landesregierung vom 3. Juli 1989, Zl. Ib-182-18/89, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (hg. Zl. 89/02/0141), und 2.) Landeshauptmann von Vorarlberg vom 3. Juli 1989, Zl. Ib-292-5/89, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 (hg. Zl. 89/02/0142)

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
KFG 1967 §102 Abs4;
StVO 1960 §16 Abs1 lita;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §18 Abs4;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
KFG 1967 §102 Abs4;
StVO 1960 §16 Abs1 lita;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Die Beschwerde wird im übrigen als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.540,-- und der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den in einer gemeinsamen Ausfertigung ergangenen angefochtenen Bescheiden wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960, einer Übertretung nach § 22 Abs. 2 StVO 1960 und einer Übertretung nach § 102 Abs. 4 KFG 1967 für schuldig erkannt. Über ihn wurden drei Geldstrafen (Ersatzarreststrafen) verhängt.

In der seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörden und teilweise auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Die belangte Vorarlberger Landesregierung hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der gegen ihren Bescheid erhobenen Beschwerde beantragt. Der Landeshauptmann von Vorarlberg hat mitgeteilt, daß auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet wird.

Der Gerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer macht hinsichtlich beider angefochtenen Bescheide Unzuständigkeit der belangten Behörden geltend. Weder im Spruch noch in der Begründung "des angefochtenen Bescheides" noch in der Fertigungsklausel komme klar zum Ausdruck, über welchen Teil der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz die Vorarlberger Landesregierung und über welchen Teil derselben der Landeshauptmann von Vorarlberg entschieden habe. Er zitiert in diesem Zusammenhang das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Mai 1989, Zlen. 88/03/0241, 0242. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof einen von einer Landesregierung und von einem Landeshauptmann "gemeinsam erlassenen Bescheid" nach § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufgehoben, weil beide Behörden "über die Berufung als Ganzes abgesprochen" haben. Zum Unterschied dazu läßt aber die vorliegende Bescheidausfertigung erkennen, welche Behörde welchen Abspruch getätigt hat. Im Kopf der Ausfertigung heißt es nämlich, daß über die Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis "hinsichtlich der Spruchpunkte 1., 2. und 3. wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung (StVO 1960) und wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes (KFG 1967) .... seitens der Vorarlberger Landesregierung bzw. seitens des Landeshauptmannes von Vorarlberg als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung folgender Spruch" ergehe: "Der Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 hinsichtlich der Spruchpunkte 1., 2. und 3. keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt." (Es folgt noch eine für den Ausgang des vorliegenden Beschwerdeverfahrens unerhebliche "Berichtigung" der Tatzeit einer der Übertretungen). Die Fertigungsklausel der Bescheidausfertigung lautet sowohl "Für die Vorarlberger Landesregierung:" als auch "Für den Landeshauptmann:". Sie wurde von einem Bediensteten des Amtes der Vorarlberger Landesregierung "Im Auftrag:" gezeichnet.

Damit kann bei objektiver Betrachtung angenommen werden, daß der Abspruch der in der Begründung angeführten "Spruchpunkte" 1. und 2. betreffend die Übertretungen nach der StVO 1960 die Landesregierung und hinsichtlich des "Spruchpunktes" 3. betreffend die Übertretung des KFG 1967 der Landeshauptmann entschieden hat, und nicht etwa ein gemeinsamer Abspruch beider Behörden über die Berufung "als Ganzes" vorliegt. Nur dann, wenn sich einer gemeinsamen Ausfertigung nicht entnehmen läßt, welche Behörde über welche Übertretung tatsächlich entschieden hat, sind solche in einer gemeinsamen Ausfertigung ergangenen Entscheidungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Mai 1982, Zlen. 81/03/0243, 0244, und vom 8. September 1982, Zlen. 81/03/0295, 0296).

Da beide belangten Behörden zur Fällung ihrer voneinander trennbaren Absprüche zuständig waren, liegt der Aufhebungsgrund nach § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG nicht vor.

2. Der Beschwerdeführer ist mit seiner Behauptung, der Bescheid des Landeshauptmannes sei wegen Verletzung des § 44a lit. a VStG 1950 inhaltlich rechtswidrig, im Recht. Der Landeshauptmann hat dies auch erkannt und aus diesem Grunde auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet. Nach dem vom Landeshauptmann bestätigten Spruch des Straferkenntnisses habe der Beschwerdeführer zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt und "durch unsachgemäßen Betrieb des Kraftfahrzeuges ungebührlichen Lärm verursacht". Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung, insbesondere in dem vom Beschwerdeführer diesfalls zutreffend zitierten Erkenntnis vom 21. Dezember 1988, Zl. 85/18/0120, ausgeführt hat, gehört zu einer dem Gesetz entsprechenden Umschreibung der als Übertretung nach § 102 Abs. 4 KFG 1967 qualizierten Tat, durch welches Verhalten (Handeln oder Unterlassen) der Beschuldigte mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug mehr Lärm verursacht habe, als dies bei ordnungsgemäßem Zustand und sachgemäßem Betrieb unvermeidbar gewesen wäre. In den Erkenntnissen Slg. Nr. 7746/A/1970 und vom 16. November 1988, Zl. 88/02/0123, hat er ausgesprochen, die Ursache des vermeidbaren Lärms sei im Spruch des Straferkenntnisses anzuführen. Im zuletzt genannten Erkenntnis hat er dementsprechend die im Spruch enthaltenen Wendungen "Aufheulenlassen des Motors" und "Zum-Quietschen-Bringen der Räder" als nicht rechtswidrig erachtet.

Der angefochtene Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3.1. Gemäß § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

Die belangte Behörde hat die Begehung dieser dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung darin erblickt, daß er zu einem näher genannten Zeitpunkt auf einer bestimmen Kreuzung überholt habe, obwohl andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten, in dem er "unmittelbar im Kreuzungsbereich einen PKW überholte, wodurch dessen Lenker zu unvermitteltem Bremsen genötigt wurde, um eine Kollision und eine Gefährdung des neben ihm fahrenden Radfahrers zu verhindern". Sie nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer hinter einem von einem Gendarmeriebeamten, dem Anzeiger, gelenkten PKW vor einer Rotlicht zeigenden Verkehrsampel anhalten mußte. Nach dem Umschalten auf Grünlicht habe der Anzeiger mit dem Wegfahren zugewartet, bis sich ein rechts von seinem PKW befindlicher Radfahrer, der auf dem Rücksitz ein Kleinkind mit sich führte, in Bewegung setzte. Nachdem der Anzeiger losgefahren war und das den Linksabbiegefahrstreifen benützende Fahrzeug die Kreuzung verlassen gehabt habe, habe der Beschwerdeführer auf der Kreuzung das vom Anzeiger gelenkte Fahrzeug überholt und sich noch vor der gegenüberliegenden Verkehrsinsel wieder rechts einordnen können. Der Anzeiger habe dabei sein Fahrzeug abbremsen müssen. Der Beschwerdeführer hätte angesichts der nach der Kreuzung in der Straßenmitte befindlichen Verkehrsinsel sein Überholmanöver abbrechen müssen, da dies schon dann notwendig sei, wenn nur die Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung eines anderen Verkehrsteilnehmers gegeben ist.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, das vom Anzeiger gelenkte Fahrzeug auf der Kreuzung überholt zu haben. Er rügt aber, daß der Umstand, daß wegen der Verkehrsinsel nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden gewesen sei, nicht im Spruch aufscheine und in einem mangelhaften Verfahren festgestellt wurde; insbesondere hätte das Ausmaß der Verengung der Fahrbahn durch die Verkehrsinsel, die Länge der Überholstrecke, die von ihm eingehaltene Geschwindigkeit und der Abstand des vom Anzeiger gelenkten Fahrzeuges vom rechten Fahrbahnrand ermittelt werden müssen. Es sei "nicht auszuschließen, daß die belangte Behörde bei amtswegiger Beachtung der erforderlichen Feststellungen" zu einem anders lautenden Bescheid hätte kommen können.

Gegen die sprachliche Fassung der Umschreibung der als erwiesenen angenommenen Tat im Straferkenntnis bestehen keine Bedenken. Es ist nicht erforderlich, in jedem Fall einer Übertretung nach § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 das Tatbestandselement des fehlenden Platzes für ein gefahrloses Überholen in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmen. Die Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer durch einen Überholvorgang steht nämlich insofern begrifflich immer im Zusammenhang mit der räumlichen Komponente, als dann, wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist und überholt wird, eine solche Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer bewirkt werden kann. Das Tatbestandselement des "Gefährdet- oder Behindert-Werden-Könnens" ist im vorliegenden Spruch enthalten (vgl. zur Notwendigkeit der Aufnahme dieses Elementes in den Spruch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1985, Zl. 84/03/0274).

Im übrigen hat die belangte Behörde als erwiesen angenommen, daß der Anzeiger wegen des Überholmanövers des Beschwerdeführers, das er durch Einordnen vor das vom Anzeiger gelenkte Fahrzeug abgeschlossen hat, dabei zum Abbremsen genötigt wurde, um eine Kollision bzw. eine Gefährdung anderer Straßenbenützer zu vermeiden. Daß der Anzeiger zu einem Abbremsen gezwungen war, hat der Beschwerdeführer nicht bestritten; er wandte sich lediglich dagegen, daß dieses Abbremsen "abrupt" erfolgt sei. Das Tatbestandselement der (möglichen) Behinderung eines anderen Straßenbenützers durch den Überholvorgang des Beschwerdeführers ist damit jedenfalls erfüllt.

Zu den in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen genügt es, darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer in keiner Weise die Wesentlichkeit der seiner Meinung nach unterlaufenen Verfahrensfehler dartut.

3.2. Gemäß § 22 Abs. 2 StVO 1960 ist die Abgabe von Schallzeichen unbeschadet der Bestimmungen über das Hupverbot verboten, wenn es die Sicherheit des Verkehrs nicht erfordert.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, hinter dem Fahrzeug des Anzeigers seine Hupe betätigt zu haben. Er bringt aber vor, daß er dazu zur Warnung eines hinter ihm herannahenden Fahrzeuglenkers berechtigt war, um ihn zur Vermeidung eines Auffahrunfalles darauf aufmerksam zu machen, daß er trotz Grünlichtes der Verkehrsampel nicht wegfahre.

Es kann dahinstehen, ob das Abgeben von Hupsignalen aus einem stehenden Fahrzeug erforderlich ist, den Lenker eines sich von hinten nähernden Fahrzeuges auf sich aufmerksam zu machen. Die belangte Behörde hat nämlich als erwiesen angenommen, daß das betreffende Fahrzeug bereits hinter dem Fahrzeug des Beschwerdeführers zum Stillstand gekommen war, als der Beschwerdeführer hupte. Diese Annahme erfolgte im wesentlichen auf Grund der Zeugenaussage des Anzeigers. Dies ist nicht als unschlüssig zu erkennen, ist es doch durchaus möglich, im Rückspiegel nicht nur Wahrnehmungen über das Fahrzeug zu machen, das sich unmittelbar hinter dem eigenen Fahrzeug befindet, sondern auch über das nächstfolgende; dies umsomehr, als der Beschwerdeführer durch Hupen (jedenfalls auch) die Aufmerksamkeit des Anzeigers auf die Geschehnisse hinter ihm gelenkt hat. Aus diesem Grunde ist es auch unerheblich, daß die belangte Behörde keine Feststellungen über die Fahrgeschwindigkeiten des Beschwerdeführers und des hinter ihm fahrenden Pkws beim Herannahen an die Kreuzung getroffen hat. Ebenso irrelevant ist es, ob das Stehenbleiben des Anzeigers vor der Grünlicht zeigenden Verkehrsampel rechtswidrig war oder nicht, weil selbst unter der Annahme eines von diesem begangenen Verstoßes gegen die StVO 1960 (§ 38 Abs. 4 erster Satz) der Beschwerdeführer zur Abgabe von Hupsignalen nicht berechtigt gewesen wäre.

Die Beschwerde gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung erweist sich als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Zusprüche von Aufwandersatz gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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