VwGH 88/09/0021

VwGH88/09/002126.5.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Novak, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. Karl Bernhauser Rechtsanwalt in Wien I, Schmerlingplatz 3/11, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 5. Jänner 1988, Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsges etz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3
AVG §32
AVG §33
AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §42 Abs1
AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
AVG §58 Abs2
AVG §60
AVG §63 Abs5
AVG §66 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1988090021.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei, die in W ein Gebäudereinigungsunternehmen führt, hatte am 17. Juli 1987 beim Arbeitsamt Persönliche Dienste - Gastgewerbe in W für den am 1. Jänner 1960 geborenen türkischen Staatsangehörigen HU zur Verwendung als "Reinigungsarbeiter" die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Bundesgesetz vom 20. März 1975, BGBl. Nr. 218, mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird (Ausländerbeschäftigungsgesetz-AuslBG) beantragt.

Dieser Antrag war vom genannten Arbeitsamt mit Bescheid vom 25. August 1987 im wesentlichen mit der Begründung abgelehnt worden, die Beschäftigungsbewilligung sei im Hinblick auf die Arbeitsmarktlage zu versagen, da eine Ersatzkraft gestellt werden könne.

In ihrer binnen offener Frist eingebrachten Berufung brachte die beschwerdeführende Partei im wesentlichen vor, die Arbeitsmarktlage auf dem Gebiet der Gebäudereinigung sei nicht derart angespannt, daß nicht auch Ausländer beschäftigt werden könnten. Die beschwerdeführende Partei habe wiederholt auch die vom Arbeitsamt gestellten Ersatzkräfte beschäftigt und sei nach wie vor dazu bereit, sofern diese an einer Beschäftigung bei ihr interessiert seien. Auf Grund glaubwürdiger Aussagen türkischer Arbeitnehmer, HU sei tüchtig und arbeitsfreudig, sei die beschwerdeführende Partei - aus verständlichen Gründen - am beantragten Ausländer als Arbeitnehmer besonders interessiert. Dazu komme, daß sich die Gattin von HU in Österreich seit vielen Jahren aufhalte und seit 16. Juni 1981 ununterbrochen im Rahmen erteilter Beschäftigungsbewilligungen gearbeitet habe. Die Nichtbeachtung dieser besonderen familiären Konstellation durch die Behörde erster Instanz würde dazu führen, daß HU danach trachten müßte, in der Türkei eine Beschäftigung zu erhalten, während seine Gattin fortfahren müßte, ein Einkommen in Österreich zu erzielen. Nach den vielen Jahren ihrer Berufstätigkeit in Österreich wäre es der Gattin des beantragten Ausländers nicht zumutbar, in der Türkei eine Beschäftigung als Frau aufzunehmen. Die Behörde erster Instanz habe sich mit diesen bei der Antragstellung geltend gemachten Umstand nicht auseinandergesetzt.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens teilte die Behörde erster Instanz der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben vom 23. September 1987 mit, es stünden für den Arbeitsplatz, der mit HU besetzt werden solle, beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldete Arbeitskräfte zur Verfügung. Das Arbeitsamt habe der beschwerdeführenden Partei am 14. August 1987 die Möglichkeit einer Ersatzstellung angeboten und Ersatzkräfte vorgeschlagen, die jedoch von ihr ohne Angabe ausreichender Gründe abgelehnt worden seien.

In ihrer Stellungnahme vom 30. September 1987 bestätigte die beschwerdeführende Partei, daß sich bei ihr arbeitslos gemeldete Frauen gemeldet hätten. Die bei ihr in Betracht kommenden Beschäftigungen seien jedoch körperlich derartig belastend, daß sie nur von Männern bewältigt werden könnten. Dies sei den Ersatzkräften auch mitgeteilt worden. Selbstverständlich sei die beschwerdeführende Partei bereit, männliche Ersatzkräfte, die nicht von vornherein zu verstehen geben würden, an einer derartigen Arbeit nicht interessiert zu sein, einzustellen.

Mit Schreiben vom 27. November 1987 teilte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei unter anderem mit, daß Ersatzkräfte beiderlei Geschlechts beim Arbeitsamt in ausreichender Zahl in Vormerkung stünden. Laut telefonischer Rücksprache mit Frau P vom 14. August 1987 werde auf die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den beantragten Ausländer bestanden; die Ersatzkräfte würden jedenfalls abgelehnt.

In ihrer an die Behörde erster Instanz gerichteten Stellungnahme vom 15. Dezember 1987 wiederholte die beschwerdeführende Partei - soweit dies aus der Sicht des Beschwerdefalles von Bedeutung ist - im wesentlichen ihr Vorbringen vom 30. September 1987 und schloß eine Kopie ihrer ersten Stellungnahme an. Laut Eingangsstempel langte diese Stellungnahme nach Abtretung durch die Behörde erster Instanz am 18. Dezember 1987 bei der belangten Behörde ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 5. Jänner 1988 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Zur Begründung wurde nach Wiedergabe der §§ 3 und 4 AuslBG und (formularmäßigen) Erörterungen über die Lage des Arbeitsmarktes und die gesamtwirtschaftlichen Interessen im wesentlichen ausgeführt, der beantragte Ausländer könne noch keine entsprechenden Dienstverhältnisse in Österreich nachweisen, auf Grund derer er Ansprüche auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung habe. Derzeit sei eine Ersatzstellung durch inländische und ausländische Kräfte, die Arbeitslosengeld bezögen und beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stünden, möglich. An der Vermittlung dieser Personen bestehe - im Hinblick auf die für einen Großteil dieser Personen aus öffentlichen Mitteln zu erbringenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung - ein dringendes öffentliches Interesse; diesem Personenkreis sei primär die Eingliederung in den Arbeitsprozeß zu ermöglichen.

Laut telefonischer Rücksprache mit Frau P vom 14. August 1987 werde die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung für den beantragten Ausländer erwartet; Ersatzkräfte würden keine gewünscht. Im Hinblick auf die aufgezeigten Umstände werde daher die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung unter Bedachtnahme auf § 4 Abs. 1 AuslBG nicht für vertretbar erachtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und die kostenpflichtige Aufhebung begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der vorhin im wesentlichen wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides stützt die belangte Behörde ihre abweisende Entscheidung auf folgende Gesichtspunkte:

1. Der Ausländer besitze bisher keine Ansprüche auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung;

  1. 2. eine Ersatzkraftstellung sei möglich;
  2. 3. die Ersatzkraftstellung sei von der beschwerdeführenden Partei abgelehnt worden.

    Maßgebende Rechtsgrundlage für die von der belangten Behörde herangezogenen Begründungselemente ist § 4 Abs. 1 AuslBG. Nach dieser Bestimmung ist die Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, wenn

    a) die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und

    b) wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

    Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 2. Juli 1987, Zl. 87/09/0051; vom 15. September 1987, Zl. 87/09/0133; vom 18. Februar 1988, Zl. 87/09/0257; vom 24. März 1988, Zl. 88/09/0007 u.v.a.) ist auf eine Prüfung der unter b) bezeichneten negativen Voraussetzung erst einzugehen, wenn feststeht, daß die vorher mit a) bezeichnete Voraussetzung erfüllt ist. Dazu muß aber auf Grund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, das von Amts wegen unter Beteiligung des Antragstellers durchzuführen ist, vorerst festgestellt sein, für welche Beschäftigung diese Bewilligung konkret beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung (des für sie in Aussicht genommenen Ausländers) zuläßt. Gemäß § 58 Abs. 2 AVG 1950 sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG 1950 die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

    Den dargelegten Anforderungen entspricht weder das von der belangten Behörde abgeführte Verfahren noch die Begründung des angefochtenen Bescheides. Daß der beantragte Ausländer noch keine entsprechenden Dienstverhältnisse in Österreich nachweisen kann, auf Grund derer er Ansprüche auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung hat, ist für sich allein nicht ausschlaggebend. In der entscheidungswesentlichen Frage der Möglichkeit einer Ersatzstellung aber beschränkt sich die belangte Behörde auf allgemeine Ausführungen, ohne - im Sinne der vorher genannten Rechtsprechung - durch entsprechend konkrete Sachverhaltsfeststellungen und Erörterungen dem Verwaltungsgerichtshof eine nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit in dieser Hinsicht zu ermöglichen.

    Die belangte Behörde kann im Beschwerdefall entgegen ihrer in der Begründung des angefochtenen Bescheides vertretenen Auffassung auch nicht davon ausgehen, daß die beschwerdeführende Partei die Stellung einer Ersatzkraft abgelehnt habe und sich daher die oben umschriebene Beweisführung erübrige (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164 und vom 18. Februar 1988, Zl. 87/09/0289). In ihren beiden im Berufungsverfahren abgegebenen Stellungnahmen hat die beschwerdeführende Partei näher begründet, warum sie die angebotenen Ersatzkräfte abgelehnt hat. Sowohl in ihrer Berufung und - wenn auch eingeschränkt auf männliche Arbeitnehmer - in ihren im Berufungsverfahren erstatteten Stellungnahmen gab die beschwerdeführende Partei ausdrücklich die Erklärung ab, an der Einstellung von arbeitswilligen Ersatzkräften interessiert zu sein. Bei dieser Sachlage wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, allenfalls weitere Erhebungen zu diesem Vorbringen - und zwar unabhängig von der im Verfahren vor der Behörde erster Instanz telefonisch abgegebenen Erklärung von Frau P bezüglich derer im übrigen jede Ausführung fehlt, solche Stellung ihr im Rahmen der beschwerdeführenden Partei zukommt - vorzunehmen, jedenfalls aber sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides damit auseinanderzusetzen. In der Gegenschrift kann eine fehlende Begründung nicht nachgeholt werden.

    Soweit die belangte Behörde in diesem Zusammenhang in ihrer Gegenschrift die Auffassung vertritt, die zweite Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei vom 15. Dezember sei als verspätet anzusehen, weil sie erst nach Ablauf der von der Behörde eingeräumten zweiwöchigen Frist zur Stellungnahme bei ihr eingelangt sei, und habe daher bei ihrer Entscheidung keine Beachtung finden können, ist folgendes zu erwidern:

    Wie sich aus den §§ 13 Abs. 3, 42 Abs. 1 und 2 und 63 Abs. 5 in Verbindung mit 66 Abs. 4 AVG 1950 ergibt, bedürfen Rechtsnachteile, die an die Versäumung einer Frist für die Vornahme einer Prozeßhandlung geknüpft sind, einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage. Weder im AVG 1950 noch im Ausländerbeschäftigungsgesetz ist die von der belangten Behörde angenommene Rechtsfolge der Unbeachtlichkeit einer Parteienerklärung für den Fall vorgesehen, daß die Behörde im Ermittlungsverfahren in Beachtung des sie bindenden Grundsatzes der Verwaltungsökonomie (§ 39 Abs. 2 AVG 1950) einer Partei in Form einer Verfahrensanordnung eine (angemessene) Frist zur Stellungnahme einräumt, die Stellungnahme der Partei aber erst nach Ablauf dieser behördlichen Frist, jedoch noch vor Erlassung des Bescheides bei der Behörde einlangt. Mangels einer verfahrensrechtlichen Sondervorschrift, die an die Versäumung einer solchen Frist einen derartigen Rechtsnachteil knüpft, hat auch in diesem Fall die belangte Behörde eine derartige "verspätet" eingelangte Stellungnahme bei Erlassung ihres Bescheides zu berücksichtigen.

    Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Verfahrensmängel zu einem anderen Ergebnisse hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da der obsiegenden Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer nicht zuerkannt werden kann (vgl. dazu die bei Dolp/Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, zu § 48 auf Seite 687 zitierte Judikatur).

    Hinsichtlich der zitierten, nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

    Wien, am 26. Mai 1988

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