VwGH 88/08/0252

VwGH88/08/025215.12.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungsrat Dr. Fischer, über die Beschwerde des Dr. WM in W, vertreten durch Dr. Theo Feitzinger, Rechtsanwalt in Wien I, Naglergasse 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Juli 1988, Zl. MA 14‑M 10/88, betreffend Beitragsmithaftung und Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, Wien X, Wienerbergstraße 15‑19), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1438
ASVG §67
ASVG §67 Abs3
ASVG §67 Abs4
ASVG §68
ASVG §68 Abs1
ASVG §69 Abs1
HGB §128
JN §1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1988080252.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte wird auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 1987, Zl. 85/08/0163, und vom 10. September 1987, Zl. 87/08/0101, verwiesen. Mit Bescheid vom 18. Februar 1988 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse gemäß § 410 Abs. 1 Z. 4 ASVG fest, daß der Beschwerdeführer als „Offener Handelsgesellschafter“ der Firma VW gemäß § 67 Abs. 3 ASVG für die auf dem Beitragskonto dieser Gesellschaft vorgeschriebenen, ab 15. Dezember 1978 fällig gewordenen Beiträge samt Nebengebühren der dritten Nachtragsvorschreibung Februar 1983 sowie für den ersten Beitragszuschlag März 1983 im Gesamtbetrag von S 97.058,20 hafte. Ferner wurde ausgesprochen, daß das Begehren auf Rückzahlung dieses Betrages abgewiesen werde. Zur Begründung wurde folgendes ausgeführt:

„Dr. WM ist seit 15.7.1963 persönlich haftender Gesellschafter der im Handelsregister Wien zu A 17863 protokollierten Offenen Handelsgesellschaft Firma VW, die in Wien, eine Lack- und Farbenfabrik betrieb. Am 15.12.1981 wurde über ihr Vermögen beim Handelsgericht Wien der Ausgleich eröffnet (Sa 130/81), der am 16.6.1982 gemäß § 55 Abs. 2 AO (in der Fassung vor Inkrafttreten des Insolvenz‑Rechtsänderungsgesetzes 1982, BGBl. Nr. 370/1982) nach Bestellung eines Sachwalters der Gläubiger aufgehoben wurde. Nach den Bestimmungen des am 5.3.1982 abgeschlossenen Ausgleiches unterwarf sich die Ausgleichsschuldnerin bis zur vollständigen Erfüllung des Ausgleiches der Überwachung durch den Sachwalter und erteilte ihm die zur Verwertung des gesamten Vermögens erforderlichen unwiderruflichen Verkaufsvollmachten im Sinne der Bestimmungen des § 55c AO. Nach Verwertung des gesamten ausgleichsschuldnerischen Vermögens und Verteilung des Erlöses an die Gläubiger erklärte das Ausgleichsgericht mit Beschluß vom 20.1.1984 die Überwachung der Ausgleichsschuldnerin gemäß § 55d AO für beendet. Im Jahre 1982 hatte die Wiener Gebietskrankenkasse bei der Firma VW eine Beitragsprüfung durchgeführt, wobei Meldedifferenzen festgestellt worden waren, die Ende März 1983 zu einer Nachbelastung des Beitragskontos mit Beiträgen für die Beitragszeiträume Jänner 1978 bis Oktober 1982 (3. Nachtrag 2/83) in der Höhe von S 102.199,46 und infolge der festgestellten Meldeverstöße am 11.4.1983 zur Verhängung eines Beitragszuschlages in der Höhe von S 15.000,-- führten. Die Dienstgeberin hatte sich die Beiträge auf Grund einer mit der Kasse abgeschlossenen Vereinbarung selbst zu errechnen und monatlich der Kasse zu melden. Mangels Vermögens war der Sachwalter der Gläubiger nicht in der Lage, diese Verbindlichkeiten zu bezahlen. Die Wiener Gebietskrankenkasse verpflichtete hierauf Dr. WM als Offenen Handelsgesellschafter der Firma VW nach einer am 20.12.1983 gestellten Zahlungsaufforderung mit Bescheid vom 3.12.1984 entsprechend der damaligen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als Dienstgeber gemäß §§ 35, 58 ASVG zur Zahlung dieser Beitragsrückstände, die einschließlich der bis zum 26.11.1984 von S 102.199,46 berechneten Verzugszinsen S 135.803,91 betrugen. Im Zuge des daraufhin einsetzenden Einspruchsverfahrens zahlte Dr. M am 28.12.1984 einen Betrag von S 102.199,46 und den Rest am 4.2.1986. Der im Zuge des Verfahrens angerufene Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 29.1.1987, Zl. 85/08/0163, den bestätigenden Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3.9.1985, MA 14‑M 10/85, im Hinblick auf die mit Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10.12.1986, Zl. 83/08/0200, geänderte Judikatur auf, weil bei Personenhandelsgesellschaften nicht, wie bisher, die persönlich haftenden Gesellschafter, sondern nur mehr die Personenhandelsgesellschaften als solche Dienstgeber und Beitragspflichtige im Sinne des § 58 Abs. 2 ASVG sind. Im Ersatzbescheid vom 19.3.1987, MA 14‑M 7/87, sprach der Landeshauptmann dann aus, daß Dr. M ‚nicht verpflichtet sei, der Wiener Gebietskrankenkasse die .... rückständigen Sozialversicherungsbeiträge ..... zu zahlen‘. Unter Hinweis auf diesen Bescheid begehrte der Rechtsvertreter Dris. M mit Schreiben vom 4.5.1987 die Rückzahlung der Beträge. Da die Partei aus der Formulierung des Spruches des Bescheides offenbar ableitete, daß sie generell nicht verpflichtet sei, die Rückstände zu begleichen, erhob die Kasse unter Hinweis auf die Haftung der Partei als Gesellschafter gemäß § 67 Abs. 3 ASVG und § 128 HGB ihrerseits die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, worauf der Gerichtshof mit Erkenntnis vom 10.9.1987, Zl. 87/08/0101, den angefochtenen Bescheid zwar bestätigte, jedoch in der Begründung festhielt, daß sich das Verfahren nur auf die Zahlungsverpflichtung gemäß §§ 35, 58 ASVG beziehe, nicht jedoch auf Zahlungsverpflichtungen aus ‚anderen Rechtsgründen‘. Inzwischen war die Firma der Offenen Handelsgesellschaft nach einer Firmenänderung am 21.3.1986 im Handelsregister gelöscht worden. Nachdem die mit dem Rechtsvertreter Dris. M geführten Verhandlungen zu keiner übereinstimmenden Auffassung führten, kommt die Kasse nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu folgendem Ergebnis: Von der Beitragsschuldnerin Firma VW wurde mit den Gläubigern in der Tagsatzung vom 5.3.1982 ein sogenannter Liquidationsausgleich im Sinne des § 55c Abs. 2 AO abgeschlossen und die entsprechende Verkaufsvollmacht innerhalb der im Ausgleich festgesetzten Fristen dem Sachwalter der Gläubiger erteilt, der dann das gesamte Vermögen der Ausgleichsschuldnerin verwertete. Ein Liquidationsausgleich hat für Ausgleichsforderungen auch dann schuldbefreiende Wirkung, wenn die angebotenen Ausgleichsquoten nicht erreicht werden, weil durch die Übergabe sämtlicher Aktiven an den Treuhänder die Gefahr der Verwertung auf die Gläubiger übertragen und der Ausgleichsschuldner von einer weiteren Leistung befreit wird, selbst wenn der Erlös zu einer quotenmäßigen Befriedigung nicht hinreichen sollte (vgl. Sabaditsch, Konkursordnung, Manz‑Verlag, 6. Aufl., S 369 E, Nr. 7). Diese Wirkung trifft jedoch nicht die gemäß § 23 AO bevorrechteten Forderungen, weil sie gemäß § 46 Abs. 2 AO voll befriedigt werden müssen. Dies gilt auch dann, wenn es sich um einen Liquidationsausgleich im Sinne des § 55c Abs. 2 AO handelt (vgl. Petschek‑Reimer‑Schiemer, Insolvenzrecht, S 127, I, A, u.Anm. 2, S 747). Gemäß § 23 Z. 1 AO sind Beiträge zur Sozialversicherung und andere öffentliche Abgaben, die während des Ausgleichsverfahrens fällig werden oder nicht früher als drei Jahre vor der Eröffnung des Verfahrens fällig geworden sind, bevorrechtet. Gemäß § 58 Abs. 1 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten der 41. ASVG‑Novelle, BGBl. Nr. 111/1986, im Zusammenhang mit der Satzung der Wiener Gebietskrankenkasse sind die allgemeinen Beiträge und die Sonderbeiträge jeweils am letzten Tag des Kalendermonates fällig, in den das Ende des Beitragszeitraumes fällt. Bei der im Jahre 1982 durchgeführten Beitragsprüfung hatte die Wiener Gebietskrankenkasse festgestellt, daß die Dienstgeberin Firma VW, die sich die Beiträge entsprechend der mit der Kasse abgeschlossenen Vereinbarung selbst zu errechnen und in Form des Lohnsummenverfahrens monatlich der Kasse zu melden hatte, Beiträge, die in der Zeit vom Jänner 1978 bis Oktober 1982 fällig geworden sind, nicht gemeldet hat. Infolge der am 15.12.1981 erfolgten Ausgleichseröffnung sind die von Jänner 1978 bis 14.12.1978 fällig gewordenen Beiträge Ausgleichsforderungen, während die später fällig gewordenen Beiträge, einschließlich des mit der Vorschreibung am 11.4.1983 fällig gewordenen Beitragszuschlages, bevorrechtete Forderungen im Sinne des § 23 Z. 1 AO sind. Von den von Dr. M geleisteten Zahlungen entfallen auf die nicht bevorrechteten Forderungen S 38.830,98 (S 32.827,63 an Beiträgen und S 6.003,35 an Verzugszinsen). Gemäß § 65 Abs. 1 ASVG gelten die Bestimmungen der Ausgleichsordnung auch für die Sozialversicherungsbeiträge. Nach § 60 Abs. 2 AO kommen die Rechtswirkungen des Ausgleiches einer Handelsgesellschaft den Gesellschaftern zu. Gemäß § 128 HGB haften die Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam. Demnach haftet Dr. M als Gesellschafter gemäß § 128 HGB infolge der Schuldtilgungswirkung des Liquidationsausgleiches nicht mehr für die Ausgleichsforderungen, sondern nur mehr für die bevorrechteten Forderungen der Kasse. Gemäß § 67 Abs. 3 ASVG haftet derjenige neben dem Dienstgeber zur ungeteilten Hand für die fällig gewordenen Beiträge, dem die wirtschaftliche Gefahr des Betriebes oder der erzielte Gewinn vorwiegend zufällt. Infolge der Haftung der Gesellschafter der OHG als Gesamtschuldner, wobei es den Gesellschaftsgläubigern freisteht, einen oder alle Gesellschafter in Anspruch zu nehmen und der Gesellschafter das Risiko trägt, ob er die von ihm bezahlte Gesellschaftsschuld von der Gesellschaft oder den übrigen Gesellschaftern entsprechend dem Gesetz oder den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag zurückerhält, fällt jedem einzelnen Gesellschafter vorwiegend die wirtschaftliche Gefahr der Betriebsführung im Sinne des § 67 Abs. 3 ASVG zu. Es haftet daher Dr. M für den auf die bevorrechteten Forderungen entfallenden Teil der 3. Nachtragsvorschreibung 2/83 in folgender Höhe:

 

R 3 N 2/83 (ab 12/78) ............ S 69.371,83

10,5 % Verzugszinsen

vom 12.4.1983 bis zum

Zahlungstag 28.12.1984 ..........S 12.686,37

Beitragszuschlag ..................... S 15.000, ‑ ‑

SummeS 97.058,20

 

 

Das Recht der Kasse, die Zahlungsverpflichtung für die gegenständlichen Beiträge festzustellen, ist nicht verjährt, weil gemäß § 68 Abs. 1 3. Satz ASVG infolge des von der Beitragsschuldnerin gesetzten Meldeverstoßes die fünfjährige Verjährungszeit auch gegenüber dem Beitragsmithaftenden gemäß § 67 ASVG gilt (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof vom 25.1.1967, Zl. 1037/66 = Soziale Sicherheit 5/1967) und die im Jahre 1982 stattgefundene Beitragsprüfung, die an Dr. M gerichtete Zahlungsaufforderung vom 20.12.1983 sowie das daraufhin einsetzende Verwaltungsverfahren verjährungsunterbrechende Maßnahmen im Sinne des § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG sind. Weiters wird darauf hingewiesen, daß neben dieser öffentlich rechtlichen Haftung gemäß § 67 Abs. 3 ASVG Dr. M auch privatrechtlich gemäß § 128 HGB zur Zahlung verpflichtet ist und auch diesbezüglich keine Verjährung eingetreten ist, weil gemäß § 159 Abs. 2 HGB die Verjährung mit Ende des Tages, an welchem die Auflösung der Gesellschaft oder das Ausscheiden des Gesellschafters in das Handelsregister eingetragen wird, beginnt und die Verjährungsfrist erst mit der am 21.3.1986 im Handelsregister erfolgten Eintragung des Erlöschens der Firma zu laufen begonnen hat. Vorher waren nämlich keine die Auflösung der Gesellschaft oder ein allfälliges Ausscheiden Dris. M als Gesellschafter betreffende Eintragungen vorgenommen worden. Die S 38.830,98 wurden am 10.2.1988 an den Rechtsvertreter Dris. M überwiesen. Es war daher gemäß § 410 Abs. 1 Z. 4 ASVG spruchgemäß zu entscheiden.“

Den gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet unter anderem ein, daß ein auf § 67 Abs. 3 ASVG gestützter Anspruch der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ihm gegenüber jedenfalls verjährt sei. Dieser Einwand ist berechtigt:

Die Verjährungsregeln des § 68 ASVG sind ihrem Wortlaut nach auf Beitragsschuldner zugeschnitten. Auf Beitragsmithaftende gemäß § 67 ASVG können sie nur sinngemäß angewendet werden. § 68 ASVG unterscheidet zwischen der Verjährung des Rechtes auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen (Abs. 1) und der Verjährung des Rechtes auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden (Abs. 2). Die Bestimmungen des Abs. 1 über die Verjährung des Rechtes auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen betreffen dem Wesen nach (bloß) die Beitragsschulden an sich. Auf die Beitragsmithaftenden wirken sich diese Bestimmungen insofern aus, als Beitragsschulden, die nach § 68 Abs. 1 ASVG dem Beitragsschuldner gegenüber noch nicht verjährt sind, auch gegen die Beitragsmithaftenden geltend gemacht werden können (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1967, Slg. Nr. 7066/A). Werden ‑ unverjährte ‑ Beitragsschulden festgestellt, dann beginnt mit der Verständigung des Zahlungspflichtigen (d.i. des Beitragsschuldners) vom Ergebnis der Feststellung die zweijährige Verjährungsfrist des § 68 Abs. 2 ASVG für die Einforderung der festgestellten Beitragsschulden zu laufen. Diese Verjährungsfrist gilt für die Einforderung der Beitragsschulden sowohl beim Beitragsschuldner als auch beim Beitragsmithaftenden gemäß § 67 ASVG. Die Verjährung wirkt in diesem Falle den für Solidarschulden geltenden Grundsätzen zufolge (vgl. u.a. Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 894 und die dort angeführte Lehre und Rechtsprechung) für und gegen jeden Betroffenen gesondert. Da die Rechtswirksamkeit einer Haftung nach § 67 ASVG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 22. September 1988, Zl. 87/08/0262) einen bescheidmäßigen Ausspruch dem Haftpflichtigen gegenüber voraussetzt, kann die Verjährung dem Beitragsmithaftenden gegenüber nicht durch jede zum Zweck der Hereinbringung getroffene Maßnahme, sondern nur durch die Erlassung eines Bescheides, mit dem die Haftung für die Beitragsschulden gemäß § 67 ASVG ausgesprochen wird, unterbrochen werden. Ohne vorherigen bescheidmäßigen Ausspruch käme anderen Maßnahmen, wie insbesondere der im Gesetz beispielsweise angeführten Zustellung einer an den Beitragsmithaftenden gerichteten Zahlungsaufforderung (Mahnung) keine den Lauf der Verjährungsfrist unterbrechende Wirkung zu, entsteht doch die Zahlungspflicht nach der erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erst durch die Erlassung des Haftungsbescheides. Mit dieser Rechtsprechung steht das in der Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, mit der der Einspruch des Beschwerdeführers der belangten Behörde vorgelegt wurde, angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1980, Slg. Nr. 10.236/A, nicht in Widerspruch. Wenn es in diesem Erkenntnis heißt, daß die Beitragsmithaftung nach § 67 Abs. 4 ASVG im Fall einer Betriebsnachfolge kraft Gesetzes eintrete, ohne daß es einer vorherigen Mitteilung des Beitragsrückstandes oder der Erlassung eines Rückstandsausweises durch den Versicherungsträger bedürfte, so ist diese Aussage sachverhaltsbezogen - dem Erkenntnis lag ein Bescheid zugrunde, mit dem die Haftung gemäß § 67 Abs. 4 ASVG festgestellt worden war ‑, dahin zu verstehen, daß dem bescheidmäßigen Ausspruch der ‑ kraft Gesetzes eintretenden ‑ Haftung weder eine Mitteilung des Beitragsrückstandes noch die Erlassung eines Rückstandsausweises vorausgehen müsse. Daß die Haftung auch ohne Erlassung eines Haftungsbescheides in dem Sinne rechtswirksam sei, daß eine Zahlungspflicht bestünde, wurde in dem Erkenntnis nicht ausgesprochen.

Im Beschwerdefall ist auf Grund des dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhaltes davon auszugehen, daß die Beitragsschuldnerin (die Firma VW) bereits mehr als zwei Jahre vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides, mit dem erstmals die Haftung des Beschwerdeführers für die umstrittenen Beträge gemäß § 67 Abs. 3 ASVG festgestellt wurde, vom Ergebnis der Feststellung der Beitragsschulden und von der Vorschreibung des Beitragszuschlages verständigt worden war. Daraus folgt, daß das Recht auf Geltendmachung dieser Beträge gegen den Beschwerdeführer aus dem Rechtsgrund der Beitragsmithaftung gemäß § 67 Abs. 3 ASVG verjährt ist.

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahingestellt bleiben, ob den Beschwerdeführer als persönlich haftenden Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft überhaupt die Beitragsmithaftung nach § 67 Abs. 3 ASVG trifft, weil der angefochtene Bescheid selbst dann, wenn dies nicht der Fall wäre, inhaltlich rechtswidrig ist.

Die in der Gegenschrift näher ausgeführte Rechtsansicht der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, daß die Abweisung des Rückzahlungsbegehrens des Beschwerdeführers auch bei Nichtbestehen einer Beitragsmithaftung gemäß § 67 Abs. 3 ASVG schon auf Grund der zivilrechtlichen Haftung des Beschwerdeführers als persönlich haftender Gesellschafter gemäß § 128 HGB berechtigt gewesen wäre, ist nicht zu billigen. Über eine allfällige Haftung für Beitragsschulden nach § 128 HGB ist nicht im Verwaltungsweg, sondern im Rechtsweg zu entscheiden (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1986, Zl. 83/08/0200). Wenn die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihrer Gegenschrift unter Berufung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juli 1985, Zl. 84/08/0192, meint, daß sie auch dann zur bescheidmäßigen Abweisung des Rückzahlungsbegehrens berechtigt sei, wenn sich herausstellen sollte, daß die öffentlich rechtlichen Bestimmungen des § 67 Abs. 3 ASVG nicht anzuwenden wären, sondern nur die zivilen Haftungsbestimmungen, so verkennt sie die Rechtslage. In dem angeführten Erkenntnis wurde die Zuständigkeit des Sozialversicherungsträgers zum meritorischen Abspruch über das Begehren des ‑ dortigen ‑ Beschwerdeführers auf Rückzahlung von zu Ungebühr gemäß § 67 Abs. 4 ASVG geleisteter Beiträge deshalb bejaht, weil der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Anspruch ein solcher des öffentlichen Rechts war und keinen zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch darstellte. Gegenstand der meritorischen Entscheidung des Sozialversicherungsträgers über ein Rückzahlungsbegehren ist ausschließlich die Frage, ob Beitragszahlungen zu Ungebühr entrichtet wurden; eine Entscheidung darüber, ob dem Sozialversicherungsträger ein zivilrechtlich geltend zu machender Anspruch auf die als Beiträge entrichteten Beträge zusteht, hat nicht im Verwaltungsweg zu ergehen. Auch eine Kompensation der Rückzahlungsforderung mit einer dem Sozialversicherungsträger zustehenden zivilrechtlichen Forderung käme nicht in Betracht, weil eine derartige Kompensationsmöglichkeit im Gesetz nicht vorgesehen ist und die Kompensationsvoraussetzung, daß Forderung und Gegenforderung einander aufrechenbar im Sinne der Liquidität gegenüberstehen, zufolge der Verschiedenheit der Rechtswegzulässigkeiten nicht erfüllt wäre (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. November 1986, Zl. 86/18/0193).

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand bereits berücksichtigt ist.

Wien, am 15. Dezember 1988

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