Normen
ASVG §410 Abs1 Z7;
ASVG §410 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1984080192.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Begehren auf Ersatz der Stempelgebühren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem Bescheid der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse vom 20. Dezember 1983 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, mit welchem die Bezahlung eines Betrages von S 583.626,93 von der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse begehrt wurde, gemäß § 410 ASVG wegen Unzulässigkeit des Verwaltungsweges zurückgewiesen. Nach der Begründung dieses Bescheides habe die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse mit ihrem Bescheid vom 30. Mai 1969 den Beschwerdeführer als Betriebsnachfolger gemäß § 67 Abs. 4 ASVG verpflichtet, Beitragsrückstände der KL GesmbH im Betrag von S 296.101,81 samt Anhang zu bezahlen. Gegen diesen Bescheid sei Einspruch erhoben worden, dem jedoch nie aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Der Beschwerdeführer habe daraufhin in mehrjährigen Raten insgesamt S 222.000,-- auf diesen Haftungsbetrag bezahlt. Mit Bescheid vom 24. November 1982 habe der Bundesminister für soziale Verwaltung dem Einspruch stattgegeben und festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht verpflichtet sei, die Beitragsrückstände der KL GesmbH zu bezahlen. In der Folge habe der Beschwerdeführer die Aufrechnung der von ihm bezahlten Beträge mit seinen eigenen Beitragsrückständen begehrt. Die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse habe mit Schreiben vom 10. Oktober 1983 den Rückforderungsbetrag in der Höhe von S 222.000,-- mit diesen Beitragsrückständen in der Weise aufgerechnet, daß die enthaltenen Verzugszinsen storniert worden seien, so daß sich unter Berücksichtigung nachträglich eingelangter Zahlungen zugunsten des Beschwerdeführers ein Beitragsguthaben von S 28.327,-- ergeben habe, das angewiesen worden sei. Dieser Betrag sei jedoch vom Beschwerdeführer als Teilzahlung nicht angenommen und rücküberwiesen worden, wobei mit Schreiben vom 21. Oktober 1983 ein Betrag von S 583.626,93 verlangt worden sei. Diesen Betrag habe der Beschwerdeführer in der Weise errechnet, daß sich nach Verzinsung des Betrages von S 222.000,-- mit 11,5 % an Kapital und Zinseszinsen ein Rückforderungsanspruch von insgesamt S 883.404,14 ergebe, der sich nach Aufrechnung mit dem Beitragsrückstand des Beschwerdeführers zusätzlich nachträglich eingelangter Zahlungen auf S 583.626,93 reduziere. Der Beschwerdeführer habe ersucht, darüber bescheidmäßig abzusprechen. Abgesehen davon, daß das Zahlungsbegehren nicht gerechtfertigt sei, sei der Antrag auf Erlassung eines Bescheides wegen Unzulässigkeit des Verwaltungsweges zurückzuweisen. Das ASVG enthalte keine Bestimmung, die den Rückforderungsanspruch von gemäß § 67 Abs. 4 ASVG haftenden Personen regelten.
Es sei daher dem Versicherungsträger verwehrt, über solche Rückforderungsansprüche in Bescheidform abzusprechen.
Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Einspruch wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, daß der Abspruch der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse in ihrem Bescheid vom 20. Dezember 1983 zu Recht erfolgt sei. Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Versicherungsträger gemäß § 410 Abs. 1 ASVG nur dann einen Bescheid in Verwaltungssachen zu erlassen, wenn er die sich aus diesem Bundesgesetz in solchen Angelegenheiten ergebenden Rechte und Pflichten von Versicherten und von deren Dienstgebern oder die gesetzliche Haftung Dritter für Sozialversicherungsbeiträge feststelle und nicht das Bescheidrecht der Versicherungsträger in diesem Bundesgesetz ausgeschlossen sei. Da jedoch das ASVG keine Bestimmung enthalte, die den Rückforderungsanspruch von gemäß § 67 Abs. 4 ASVG haftenden Personen bzw. die Verzinsung des Rückforderungsbetrages regelten, sei die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers wegen Unzulässigkeit des Verwaltungsweges zu Recht erfolgt.
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Nach den Beschwerdeausführungen stehe außer Streit, daß der Beschwerdeführer Beiträge zu Ungebühr entrichtet habe. Insbesondere sei jedenfalls von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse eine Aufrechnung nach dem November 1982 vorgenommen worden. Darin liege noch mehr als ein Anerkenntnis. Zu Ungebühr entrichtet seien sicher auch Beiträge, bei denen sich die Ungebühr nachträglich herausstelle. Beitragsrückforderung könne nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nur heißen, daß die Beiträge samt Anhang, Nebengebühren und Zinsen zurückgezahlt werden müßten. Es hätte daher die belangte Behörde auszusprechen gehabt, daß dem Beschwerdeführer nicht nur die bezahlten Beiträge aufzurechnen, sondern ihm darüber hinaus auch Zinsen zu zahlen seien. Nach den Bestimmungen der §§ 352 ff und 409 ASVG gebe es für den Beschwerdeführer keinen Zweifel, daß die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse für Wien und die belangte Behörde im Verwaltungsverfahren zuständig sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 69 ASVG können zu Ungebühr entrichtete Beiträge innerhalb von zwei Jahren nach der Zahlung zurückgefordert werden. Wird die Ungebührlichkeit der Entrichtung der Beiträge durch den Versicherungsträger anerkannt oder im Verwaltungsverfahren festgestellt, so können diese Beiträge innerhalb von zwei Jahren nach dem Anerkenntnis beziehungsweise nach dem Eintritt der Rechtskraft der Feststellung im Verwaltungsverfahren zurückgefordert werden. Die Rückforderung von Beiträgen, durch welche eine Formalversicherung begründet wurde, sowie von Beiträgen zu einer Versicherung, aus der in der Zeit, für welche Beiträge ungebührlich entrichtet wurden, eine Leistung erbracht wurde, ist ausgeschlossen. Die Rückforderung steht dem Versicherten zu, soweit er die Beiträge selbst getragen hat, im übrigen dem Dienstgeber.
Nach § 352 ASVG gilt der Siebente Teil des ASVG für das Verfahren zur Durchführung der Bestimmungen des ASVG sowie der Bestimmungen über die zusätzliche Pensionsversicherung von Bediensteten von Privatbahnunternehmungen. Die auf diese Regelung folgenden Ausnahmebestimmungen in den Z. 1 bis 4 können im vorliegenden Fall außer Betracht bleiben.
Entsprechend den in den §§ 354 und 355 ASVG aufgestellten Kriterien gilt der gegenständliche Fall als Verwaltungssache.
Gemäß § 409 erster Satz ASVG sind die Versicherungsträger im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit zur Behandlung der Verwaltungssachen berufen.
Nach § 410 Abs. 1 erster Satz ASVG hat der Versicherungsträger in Verwaltungssachen, zu deren Behandlung er nach § 409 berufen ist, einen Bescheid zu erlassen, wenn er die aus diesem Bundesgesetz in solchen Angelegenheiten ergebenden Rechte und Pflichten von Versicherten und von deren Dienstgebern oder die gesetzliche Haftung Dritter für Sozialversicherungsbeiträge feststellt und nicht das Bescheidrecht der Versicherungsträger in diesem Bundesgesetz ausgeschlossen ist.
Entsprechend dem § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG hat der Versicherungsträger in Verwaltungssachen insbesondere Bescheide zu erlassen, wenn der Versicherte oder der Dienstgeber die Bescheiderteilung zur Feststellung der sich für ihn aus diesem Gesetz ergebenden Rechte und Pflichten verlangt.
Im vorliegenden Fall handelt es sich auf Grund des gemäß § 67 Abs. 4 ASVG erlassenen Bescheides der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse vom 30. Mai 1969 um ein öffentlich-rechtlich gestaltetes Verhältnis zwischen ihr und dem Beschwerdeführer. Daher ist davon auszugehen, daß der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Anspruch ein solcher des öffentlichen Rechtes ist und keinen zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch darstellt. Aus diesem Grund und deshalb, weil die Bestimmung des § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG derart auszulegen ist, daß die Verwaltungsbehörde einen Bescheid dann zu erlassen hat, wenn ein Versicherter oder ein Dienstgeber die Feststellung der sich für ihn auch vermeintlich ergebenden Rechte und Pflichten verlangt, war der Verwaltungsweg zulässig und die mitbeteiligte Partei zum meritorischen Abspruch über das Begehren des Beschwerdeführers zuständig.
Zwar wird im § 410 Abs. 1 ASVG der Begriff "feststellen" verwendet. Anschließend erfolgt aber eine demonstrative Aufzählung verschiedener Fälle, so z.B. in der Ziffer 5 die Vorschreibung eines Beitragszuschlages. Deshalb ist der § 410 Abs. 1 ASVG so auszulegen, daß auf Grund dieser Bestimmungen auch über entsprechende Leistungsgebote abgesprochen werden kann.
Da die belangte Behörde die Zulässigkeit des Vewaltungsweges verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben ist.
Der Abspruch über die Kosten stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 21. Juni 1985, BGBl. Nr. 243, die gemäß ihrem Art. III Abs. 2 auf das gegenständliche Beschwerdeverfahren anzuwenden ist. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens erfolgt im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen. Wien, am 4. Juli 1985
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