Normen
ASVG §113 Abs1;
ASVG §33;
ASVG §34;
ASVG §35 Abs3;
ASVG §4 Abs2;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
ASVG §113 Abs1;
ASVG §33;
ASVG §34;
ASVG §35 Abs3;
ASVG §4 Abs2;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 8.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 10. März 1988 schrieb die mitbeteiligte Steiermärkische Gebietskrankenkasse der beschwerdeführenden Partei (einer Kommanditgesellschaft) gemäß § 113 Abs. 1 ASVG einen Beitragszuschlag von S 3.650,-- vor, weil sie die Bestimmungen über die Meldepflicht nach den §§ 33 und 34 ASVG verletzt habe. Nach der Begründung dieses Bescheides habe die beschwerdeführende Partei es unterlassen, in zwei Fällen die Versicherungsanmeldung zu erstatten und in fünf Fällen das Entgelt in beitragspflichtiger Höhe zu melden bzw. der Beitragsbemessung zugrunde zu legen.
Die beschwerdeführende Partei erhob Einspruch.
1.2. Mit Bescheid vom 22. April 1988 wies der Landeshauptmann von Steiermark diesen Einspruch als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid der Gebietskrankenkasse mit der Ergänzung, daß gemäß § 113 Abs. 1 Z. 1 ASVG ein Beitragszuschlag von S 1.000,-- und gemäß § 113 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. ein Beitragszuschlag von S 2.650,-- verhängt werde. Nach der Begründung dieses Bescheides sei mit dem Einspruchsvorbringen der beschwerdeführenden Partei, daß die Lohnverrechnung durch ein befugtes Steuerberatungsbüro erfolgt sei, nichts gewonnen, da für das ordnungsgemäße Funktionieren des Meldewesens der Firmeninhaber und nicht ein mit der Lohnverrechnung betrauter Steuerberater verantwortlich sei. Ausgenommen sei lediglich der Fall, daß der Steuerberater oder sonst eine Person im Wege einer schriftlichen Spezialvollmacht nach § 35 Abs. 3 ASVG mit der Durchführung der Meldeagenden betraut worden sei. Eine Vollmacht in diesem Sinne sei jedoch nicht vorgelegt worden.
Die Einspruchsbehörde habe die beschwerdeführende Partei aufgefordert, geeignete Unterlagen über ihre derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen. Die beschwerdeführende Partei habe aber lediglich die Bilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung zum 30. April 1987 vorgelegt und im wesentlichen sinngemäß ausgeführt, daß sich die wirtschaftliche Entwicklung des Betriebes im Jahr 1988 kaum von der des Jahres 1987 unterscheiden werde. Unterlagen, die die behauptete bedrängte wirtschaftliche Situation des Unternehmens der beschwerdeführenden Partei zumindest glaubhaft hätten erscheinen lassen können, habe die beschwerdeführende Partei weder angeboten noch vorgelegt.
Der verhängte Beitragszuschlag sei ihm Hinblick auf die hohe Beitragsnachverrechnung von S 36.000,-- sowie die bisherigen Meldeverstöße der beschwerdeführenden Partei nicht zu hoch bemessen. Die Gebietskrankenkasse habe nämlich nur 20 Prozent der erwähnten nachverrechneten Beiträge als Beitragszuschlag verhängt. Die Höhe der Verzugszinsen habe S 3.365,-- betragen. Zu einer Herabsetzung des Beitragszuschlages bestehe kein Anlaß.
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Nach der Begründung dieser Beschwerde seien die Meldeverstöße geringfügiger Natur gewesen und die beschwerdeführende Partei habe sowohl hinsichtlich der nicht gemeldeten Ferialpraktikanten als auch hinsichtlich der Jubiläumsgelder den Unrechtscharakter der unterlassenen Meldungen gegenüber der Gebietskrankenkasse nicht erkennen können. Darüber hinaus erachte sich die beschwerdeführende Partei durch die Vorschreibung des Beitragszuschlages dadurch in ihren Rechten verletzt, daß bei der Ermessensentscheidung ihre wirtschaftliche Lage nicht berücksichtigt worden sei. Der belangten Behörde sei die äußerst mißliche finanzielle Situation des Unternehmens der Beschwerdeführerin durch Vorlage der letzten Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 1986/87 per 30. April 1987 zur Kenntnis gebracht worden. Im Zeitpunkt der Vorlage der Bilanz am 13. April 1988 sei keine neuere Bilanz erstellt gewesen, da die Beschwerdeführerin das Betriebsergebnis nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr zum 30. April ermittle. In der Bilanz seien die Verbindlichkeiten entsprechend aufgegliedert, sodaß daraus zu entnehmen sei, daß die langfristigen Bankverbindlichkeiten S 13,4 Mio betragen hätten. Die Höhe der Verbindlichkeiten insgesamt habe S 15,8 Mio betragen. Demgegenüber hätten die Umsätze des Wirtschaftsjahres lediglich S 8,1 Mio betragen.
1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Bei der Vorschreibung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs. 1 ASVG kommt es nicht darauf an, auf welche Beitragszeiträume sich die Meldeverstöße beziehen, die zum Anlaß der Vorschreibung eines Beitragszuschlages genommen wurden. Maßgebend ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Einspruchsbescheides nach § 113 Abs. 1 ASVG (vgl. die hg.
Erkenntnisse vom 3. Juli 1986, Zl. 86/08/0063 =
ZfVB 1987/2/644, und vom 27. März 1990, Zl. 89/08/0050 =
ZfVB 1991/2/652).
§ 113 Abs. 1 ASVG in der in diesem Zeitpunkt schon in Kraft gestandenen Fassung der 41. Novelle, BGBl. Nr. 111/1986 (in Kraft getreten am 1. Jänner 1986), lautete auszugsweise:
"(1) Beitragszuschläge können den in § 111 genannten Personen (Stellen) in folgenden Fällen vorgeschrieben werden:
1. Wenn eine Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht erstattet worden ist oder wenn das Entgelt nicht gemeldet worden ist, kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der Anmeldung bzw. bis zur Feststellung des Entgeltes durch den Versicherungsträger entfallen, vorgeschrieben werden.
- 2. ...
- 3. Wenn ein zu niedriges Entgelt gemeldet worden ist, kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten der Differenz zwischen den Beiträgen, die sich aus dem zu niedrig gemeldeten Entgelt ergeben, und den zu entrichtenden Beiträgen vorgeschrieben werden.
Bei der Festsetzung des Beitragszuschlages hat der Versicherungsträger insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners und die Art des Meldeverstoßes zu berücksichtigen. Der Beitragszuschlag darf jedoch die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung aufgrund des § 59 Abs. 1 für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären."
2.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu dieser Bestimmung wiederholt dargelegt hat, sind für die Bemessung des Beitragszuschlages zunächst die der nachfolgenden Ermessensübung gesetzten objektiven Grenzen maßgebend: Der Beitragszuschlag darf die Höhe der Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG nicht unterschreiten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. März 1990, Zl. 89/08/0050 = ZfVB 1991/2/652, und vom 24. April 1990, Zl. 89/08/0172 = ZfVB 1991/2/658); ferner darf er weder den durch den Meldeverstoß verursachten Mehraufwand zuzüglich der Verzugszinsen infolge der verspäteten Beitragsentrichtung noch das Doppelte der im Gesetz näher umschriebenen Beiträge überschreiten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. April 1989, Zl. 87/08/0284 und Zl. 87/08/0286 = beide ZfVB 1990/3/1228, sowie vom 16. April 1991, Zl. 90/08/0103).
2.3.1. Die beschwerdeführende Partei bestritt im Einspruch ein Verschulden an der Meldepflichtverletzung und hält auch in der Beschwerde erkennbar an dieser Einwendung fest. In diesem Zusammenhang ist folgendes zu sagen:
Soweit die beschwerdeführende Partei vermeint, ihre Verantwortlichkeit sei auf die mit der Lohnverrechnung betraute Person in der Sphäre ihres Steuerberaters übergegangen, ist ihr entgegenzuhalten, daß das ASVG eine besondere gesetzliche Anordnung getroffen hat, die die Abwälzung der Verantwortlichkeit des Dienstgebers für die Einhaltung der Pflichten nach den §§ 33 und 34 ASVG ermöglicht. Der Landeshauptmann hat zu Recht auf diese Bestimmung, nämlich den § 35 Abs. 3 ASVG, Bezug genommen. Nach dieser Gesetzesstelle kann der Dienstgeber die Erfüllung der ihm nach den §§ 33 und 34 obliegenden Pflichten auf Bevollmächtigte übertragen. Name und Anschrift dieser Bevollmächtigten sind unter deren Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekanntzugeben. Im Beschwerdefall ist nun unbestritten, daß die nach dieser Bestimmung einzuhaltende Form der Bekanntgabe des Bevollmächtigten nicht eingehalten wurde. Eine das Verschulden von vornherein ausschließende Abwälzung der Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Meldevorschriften ist daher nicht erfolgt.
Dies schließt es freilich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, daß bei der Ermessensübung anläßlich der Festsetzung des Beitragszuschlages unter dem Gesichtspunkt der Art des Meldeverstoßes auch auf die behauptete Verläßlichkeit der im Rahmen einer Wirtschaftstreuhandskanzlei beauftragten Lohnverrechnerin Bedacht zu nehmen wäre. Erwägungen dazu wurden im angefochtenen Bescheid jedoch zu Unrecht nicht angestellt.
2.3.2. Im Zusammenhalt mit dem bestrittenen Verschulden der beschwerdeführenden Partei an der Meldepflichtverletzung stellt sich aber darüber hinaus noch die grundsätzliche Frage, ob im Beschwerdefall hinsichtlich der Beschäftigung der beiden Ferialpraktikanten überhaupt ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG begründet worden ist. Obwohl die Ferialpraktikantenverträge im Akt liegen und die beschwerdeführende Partei im Einspruch ausgeführt hat, daß sich die Lohnverrechnerin nicht bewußt gewesen sei, daß die Ferialpraktikanten anzumelden gewesen wären, und die Kasse nicht festgestellt habe, aus welchen Gründen die Beitragsnachverrechnung überhaupt erfolgt sei, ist die belangte Behörde mit keinem Wort auf diese Frage eingegangen. Dies wäre allerdings unter Beachtung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Ferialpraktikanten unerläßlich gewesen. Ausschlaggebend dabei ist, daß die konkrete Beschäftigung nach der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung auch objektiv (nach der inhaltlichen Gestaltung) in erster Linie - im Interesse des Auszubildenden, sich entsprechend seinen Ausbildungsvorschriften praktische Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen - von diesem Ausbildungszweck bestimmt und geprägt und nicht im Interesse des Betriebsinhabers an Arbeitsleistungen für seinen Betrieb primär an betrieblichen Zwecken und Erfordernissen orientiert ist (vgl. die hg.
Erkenntnisse vom 11. Dezember 1990, Zl. 88/08/0269 =
ZfVB 1992/1/101, und vom 19. März 1991, Zl. 85/08/0042 =
ZfVB 1992/3/1029). Der in diesem Zusammenhang vorliegende, in der Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit gelegene Feststellungsmangel ist wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.
2.4. Berechtigt ist auch der Beschwerdeeinwand, die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin ihre derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht offengelegt habe. Die beschwerdeführende Partei hat vielmehr mit Schriftsatz vom 13. April 1988 ihre Bilanz zum 30. April 1987 vorgelegt, diese als Bilanz für das Wirtschaftsjahr 1986/87 bezeichnet und auf die Überschuldung des Unternehmens in der Höhe von S 7,4 Mio und den geringen Reingewinn von S 201.817,-- hingewiesen. Es mußte der belangten Behörde klar sein, daß diese Bilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung die letzte erstellte Bilanz war, hatte doch die beschwerdeführende Partei zum Ausdruck gebracht, daß sie ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr gewählt hat. Hätte die belangte Behörde weitere Aufklärungen für erforderlich erachtet, wäre die beschwerdeführende Partei hiezu aufzufordern gewesen. Der Beschwerdeführerin eine unterlassene Mitwirkung am Ermittlungsverfahren vorzuwerfen, wie es die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid getan hat, verstößt unter diesen Umständen gegen § 39 Abs. 2 AVG.
2.5. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat.
Der angefochtene Bescheid war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
Aufwandersatz konnte nur im begehrten Ausmaß zugesprochen werden. Da die beschwerdeführende Partei den im Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung geltenden Pauschalsatz für den Schriftsatzaufwand nach der Verordnung des Bundeskanzlers Nr. 243/1985 nicht ausgeschöpft hat, kommt auch Art. III Abs. 2 der derzeit geltenden Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991 nicht zur Anwendung.
2.7. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse diese Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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