Normen
AVG §45 Abs2
KFG 1955 §111
KFG 1955 §85 Abs2
MRK Art5
StVO 1960 §5 Abs2
StVO 1960 §99 Abs1 litb
VStG §19
VStG §44a lita
VStG §44a Z1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988030118.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Übertragung des Strafverfahrens durch die Bundespolizeidirektion Graz auf die Bezirkshauptmannschaft Graz‑Umgebung gemäß § 29a VStG 1950 wurde der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis dieser Behörde vom 10. Juni 1987 schuldig erkannt, er habe am 12. November 1986 um 03.00 Uhr in Graz auf dem Griesplatz einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt und sei vor dem Hause Nr. 36 im Zuge einer Kontrolle von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht um 03.05 Uhr aufgefordert worden, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, da vermutet habe werden können, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Er habe bei der Durchführung des Alkotestes während des Hineinblasens in das Röhrchen abgesetzt, obwohl sich der Luftbeutel nur mit ca. 1/3 Luftinhalt gefüllt gehabt habe und er bezüglich der Durchführung des Alkotestes vorher mehrmals belehrt worden sei. Der Alkotest gelte daher als verweigert. Der Beschwerdeführer habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO verletzt. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 12.000,-- (Ersatzarreststrafe 18 Tage) verhängt.
Zur Begründung wurde ausgeführt, bezüglich des Absetzens während der Durchführung des Alkotestes und des nicht zur Gänze Aufblasens des Luftbeutels werde bemerkt, daß der Polizeibeamte angegeben habe, der Beutel wäre nur zu einem Drittel aufgeblasen worden. Der Zeuge A habe deponiert, daß der Luftsack nicht ganz voll gewesen sei. Daraus abzuleiten, daß das Meßgerät offenbar undicht gewesen sein müßte oder defekt gewesen sei, sei wohl etwas sehr weit hergeholt. Es sei vielmehr durch den Sicherheitswachebeamten bewiesen, daß die Luftmenge, die der Beschwerdeführer in den Beutel geblasen habe, zu gering gewesen sei, um den Beutel mit Luft voll zu füllen.
Bei der Strafbemessung sei als mildernd nichts, als erschwerend die einschlägige Vorstrafe nach § 5 Abs. 1 StVO zu werten gewesen. Über seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse habe der Beschwerdeführer keine Angaben gemacht. Er sei von Beruf Kraftfahrer, ledig und habe keine Sorgepflichten. In Anbetracht der erschwerenden Umstände sei die Strafe im Hinblick auf die gesetzliche Strafobergrenze von S 50.000,-- nur im untersten Bereich ausgemessen worden.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 15. April 1988 wurde die Berufung abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer selbst habe in seinen Rechtfertigungsangaben in der Anzeige vom 13. November 1986 eingeräumt, beim Hineinblasen in das Alkoteströhrchen abgesetzt zu haben, weil es sich „mit der Atemluft nicht ausgegangen ist“. Da erfahrungsgemäß die bei der ersten Einvernahme gemachten Angaben der Wahrheit am nächsten kommen, sei schon aus diesem Grund die Behörde berechtigt gewesen, im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung als erwiesen anzunehmen. Daraus, daß der Meldungsleger die Alkotestgebühr von S 50,-- nicht eingehoben und die Erstbehörde für den Alkotest keinen Kostenersatz auferlegt habe, könne nicht auf die Funktionsuntüchtigkeit des verwendeten Alkoteströhrchens geschlossen werden. Wenn schließlich in der Berufung auch noch das verhängte Strafausmaß bekämpft werde, sei auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides und auf die einschlägige Vorstrafe des Berufungswerbers zu verweisen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 99 Abs. 1 StVO, in der Fassung der 13. StVO‑Novelle, BGBl. Nr. 105/1986, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von S 8.000,-- bis S 50.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zu einer bis sechs Wochen, zu bestrafen ist, (lit. b in der Stammfassung) wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkohol untersuchen zu lassen ......
Nach § 5 Abs. 2 StVO (ursprünglicher erster und nunmehr einziger Satz in der Stammfassung) sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen, wenn vermutet werden kann, daß sich diese Personen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden.
Nach § 5 Abs. 2a StVO, in der Fassung der 13. StVO‑Novelle, ist die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt entweder a) mit einem Gerät, das nur den Verdacht der Beeinträchtigung durch Alkoholgehalt ergibt, oder b) mit einem Gerät, das den Alkoholgehalt der Atemluft mißt und entsprechend anzeigt, vorzunehmen.
Im Grunde des § 5 Abs. 11 StVO sind unter Bedachtnahme auf den Zweck der Untersuchung (Stammfassung: „nach Abs. 1“, 13. StVO-Novelle: „nach Abs. 2 und 2a“) und zur Gewährleistung ihrer zweckmäßigen Durchführung ... sowie unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik die für eine Untersuchung der Atemluft geeignete Geräte durch Verordnung zu bestimmen.
In der Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 12. März 1987, BGBl. Nr. 106 (in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 390/1988), über Atemalkoholmeßgeräte wurde für die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mit einem Gerät, das nur den Verdacht der Beeinträchtigung durch Alkohol ergibt, (im Sinne des § 5 Abs. 2a lit. a StVO) die Verordnung des Bundesministers für Handel und Wiederaufbau vom 1. Jänner 1961, BGBl. Nr. 3, ausdrücklich als unberührt bezeichnet.
Der im Verwaltungsrechtszug bestätigte Schuldspruch stützt sich auf den Straftatbestand des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO, der in seiner Stammfassung aufrecht geblieben ist. Im vorliegenden Schuldspruch wurden die den einzelnen Tatbestandselementen dieses Straftatbestandes (Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 StVO, nämlich Lenken eines Fahrzeuges, Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung, Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht und Verweigerung der Durchführung des Alkotestes) entsprechenden Sachverhaltsumstände sowie Tatort und Tatzeit ausreichend konkretisiert. Auf alle diese Sachverhaltsumstände hatte sich bereits der am 15. Jänner 1987 und somit innerhalb der Verjährungsfrist nach § 31 Abs. 2 VStG 1950 zur Post gegebene Beschuldigten‑Ladungsbescheid bezogen. Es ist somit weder unter dem Gesichtspunkt der Frage, ob dem Schuldspruch Verjährung der Verwaltungsübertretung entgegengestanden sei, noch unter dem Gesichtspunkt der Sprucherfordernisse nach § 44a lit. a VStG 1950 eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erkennen.
In der gegen das erstbehördliche Straferkenntnis erhobenen Berufung bezeichnete es der Beschwerdeführer als „keineswegs ausgeschlossen, daß ein defektes Testgerät in Verwendung stand“. Im gleichen Sinn hatte er sich in seiner Stellungnahme vom 12. Mai 1987 geäußert. Mit diesem Vorbringen wurde vom Beschwerdeführer kein bestimmter Umstand dargetan, demzufolge die belangte Behörde einen Defekt des verwendeten Alkotestgerätes in Rechnung stellen hätte müssen. Für ein Vorliegen eines Defektes ergaben sich im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens auch sonst keine Anhaltspunkte, und zwar insbesondere auch nicht aus der Schilderung, mit der der Zeuge A am 18. März 1987 seine Wahrnehmungen dargelegt hatte, der Beschwerdeführer habe zum Alkotest einmal „tief Luft geholt“ und „diese Menge“ in den Luftsack geblasen, dieser sei jedoch „nicht ganz voll“ gewesen. Darin, daß die belangte Behörde im Hinblick auf die Zeugenaussage des Meldungslegers vom 13. April 1987 in Verbindung mit den im angefochtenen Bescheid angeführten, der Anzeige entnommenen Angaben des Beschwerdeführers die aus dem erstbehördlichen Schuldspruch ersichtliche Sachverhaltsfeststellung über das nicht volle Aufblasen des Luftbeutels übernahm, vermag der Verwaltungsgerichtshof keine Rechtswidrigkeit zu erblicken.
Nachdem in der Anzeige ausdrücklich auf die Ermächtigungsurkunde des Meldungslegers samt Nummer und Datum Bezug genommen war, durfte die belangte Behörde weiters von der nach § 5 Abs. 2 StVO erforderlichen Qualifikation des Meldungslegers zur Vornahme der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mit einem im Jahre 1986, d.i. vor Erlassung der Verordnung BGBl. Nr. 106/1987, noch ausschließlich in Betracht kommenden Gerät, „das nur den Verdacht der Beeinträchtigung durch Alkohol ergibt“, ausgehen.
Zur Zeit der Hinterlegung der österreichischen Ratifikationsurkunde zur (Europäischen) Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten am 3. September 1958 enthielt das Kraftfahrgesetz 1955 in seinem § 85 Abs. 2, erster Satz, die Regelung, daß ein Kraftfahrzeug nur in einer hiefür geeigneten körperlichen und geistigen Verfassung gelenkt werden darf. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift war nach § 111 leg.cit. mit einer Geldstrafe bis zu 30.000 S oder mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Unter dem hier maßgebenden Gesichtspunkt der Ausschließung von körperlich und geistig nicht geeigneten Personen von der Teilnahme am Verkehr als Lenker von Fahrzeugen stellt die Strafnorm des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO eine ihrem Wesen dem § 58 Abs. 2, erster Satz, in Verbindung mit § 111 des Kraftfahrgesetzes 1955 entsprechende Regelung dar. Im Hinblick auf den österreichischen Vorbehalt zur MRK hat der Verwaltungsgerichtshof somit keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO und die dazugehörige Sanktionsnorm des § 99 Abs. 1, Einleitung, StVO (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 26. März 1987, Zl. 86/02/0183, und vom 19. Mai 1988, Zl. 87/08/0292, und die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1987, G 141, 142/86, und vom 27. November 1987, B 1231 u.a./86).
Für die Bemessung der Geldstrafe stand der belangten Behörde ein Strafrahmen von S 8.000,-- bis S 50.000,-- zur Verfügung. Der angefochtene Bescheid legte der mit S 12.000,-- bemessenen Geldstrafe insbesondere den Erschwerungsgrund einer einschlägigen Vorstrafe und den Umstand zugrunde, daß der Beschwerdeführer keine Sorgepflichten hat. In der vorliegenden Beschwerde wurde nicht dargetan, inwieweit die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers eine weitergehende Annäherung an die Untergrenze des Strafrahmens geboten erscheinen hätten lassen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag somit nicht zu erkennen, daß der belangten Behörde in Ansehung der Geldstrafe bei der Ausübung des ihr bei der Strafbemessung zustehenden Ermessens eine im Grunde des Art. 130 Abs. 2 B‑VG wahrzunehmende Rechtswidrigkeit unterlaufen wäre.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 29. März 1989
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