VwGH 87/10/0091

VwGH87/10/009123.7.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Scheinecker, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft in Wien, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 2. März 1987, Zl. 19 K 47/1986, (Spruchteil I), betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Dipl.-Ing. F K in J), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2 impl;
AVG §52;
AVG §56;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §19 Abs4;
ForstG 1975 §19 Abs5;
ForstG 1975 §19 Abs6;
ForstG 1975 §19;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
AVG §13 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2 impl;
AVG §52;
AVG §56;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §19 Abs4;
ForstG 1975 §19 Abs5;
ForstG 1975 §19 Abs6;
ForstG 1975 §19;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der Bescheid wird im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid vom 2. März 1987 (Spruchteil I) erteilte die Bezirkshauptmannschaft Voitsberg der mitbeteiligten Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemäß den §§ 17, 18 und 19 Abs. 1 lit. b des Forstgesetzes 1975 die Bewilligung "Waldboden der Grundstücke Nr. 40 und 41, KG. X, Gemeinde H, im Ausmaß von insgesamt 4,8184 ha entsprechend dem mit einem Sichtvermerk versehenen Lageplan zum Zwecke der Umwandlung in Landwirtschaft bzw. eine Schiabfahrt (Teilflächen A und B) vorübergehend auf die Dauer des Betriebes und die Teilfläche C zur Umwandlung in Bauland zu roden". Die Bewilligung gilt nach dem weiteren Inhalt des Spruches nur für die angeführte Verwendung; die Rodung ist "mit 31.12.1990 befristet und erlischt, wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht durchgeführt worden ist".

Diese Bewilligung wurde an eine Reihe von Vorschreibungen geknüpft. (Spruchteil II betrifft die Abweisung eines Antrages auf Erstreckung von Durchführungsfristen für bewilligte Rodungen; weiters wurden der mitbeteiligten Partei Kommissionsgebühren vorgeschrieben.)

Die Begründung zum Spruchteil I lautet wörtlich wie folgt:

"Mit der Eingabe vom 27.5.1986 hat die antragstellende Partei um die Rodungsbewilligung für die im Spruch genannten Grundstücksteile im Gesamtausmaß von 4,8184 ha in der KG. X angesucht.

Gemäß § 17 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975, darf eine Bewilligung zur Rodung nur erteilt werden, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt. Nach diesen Grundsätzen wurde das gegenständliche Verfahren durchgeführt.

Die mündliche Verhandlung vom 27.10.1986 ergab folgenden Sachverhalt:

Nach Eröffnung der Verhandlung und Darstellung des Verhandlungsgegenstandes erfolgt ein Studium der Rodungsunterlagen und des Flächenwidmungsplanes.

Bei den Flächen A und B handelt es sich um Verschiebungen ehemals bewilligter Rodeflächen zur Schaffung einer Schiabfahrt.

Bezüglich der Teilfläche C wird festgestellt, dass diese mit dem Flächenwidmungsplan nicht vollständig in Einklang zu bringen ist.

Da somit kein öffentliches Interesse für eine Rodung außerhalb des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes geltend gemacht werden kann, wird der Antrag dahingehend abgeändert, dass eine Rodung nur in dem Rahmen des geltenden Flächenwidmungsplanes beantragt wird.

Die vorgelegten Pläne wurden dem Antragsteller zur Abänderung ausgehändigt und bis Ende November wieder vorgelegt.

Diese Vorgangsweise steht auch mit den Absichten der Gemeinde im Einklang.

Auf Grund des geänderten Antrages und der berichtigten Planunterlagen erstattet der forsttechnische Amtssachverständige wie folgt

Befund und Gutachten:

Gegenstand bildet das Rodungsansuchen von Herrn Dipl.-Ing. F

und Frau H K, J.

Die örtliche Erhebung hat ergeben: Die Rodung betrifft das Waldgrundstück Nr. 40 für die Teilfächen A und B, KG. X, Gemeinde H.

Die zur Rodung angesuchten Teilflächen A und B haben

20.340 m2 bzw. 12.544 m2. Bei einer Überprüfung in der Natur wurden keine Abweichungen zu den Flächenangaben im Rodungsantrag festgestellt.

Die Rodung soll vorübergehend auf die Dauer des Betriebes der Liftanlage zum Zwecke der Umwandlung in Landwirtschaft (Sommernutzung) bzw. in eine Schiabfahrt (Wintersport) vorgenommen werden.

Unter Berücksichtigung der gegebenen forstlichen Verhältnisse und mit Bedacht auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung wird beantragt, das gegenständliche Rodungsansuchen zu bewilligen, da für dieses Vorhaben aus folgenden Gründen ein überwiegendes öffentliches Interesse spricht:

Die NN-bahnen haben sich seit ihres Bestehens ständig weiterentwickelt. Damit ein gesichertes Weiterbestehen dieses Betriebes gewährleistet ist, muss auf die jeweiligen Erfordernisse Rücksicht genommen werden. Außerdem können sich bei der Freilegung von Abfahrtsflächen die Wind- und Schneeverhältnisse ändern, sodass eine Umgestaltung von Rodungsflächen unumgänglich sein kann. Der alpine Schilauf wie er in der heutigen Form betrieben wird, erfordert aus Sicherheitsgründen mehr Pistenräume und verschieden schwierige oder leichte Abfahrtsvariationen. Aus diesen Gründen werden die beantragten Rodungen angestrebt. Auf ökologische Belange wird insofern Rücksicht genommen, als die Waldsubstanz durch Zuwächse nicht verringert wird.

Die NN-bahnen stellen einen wesentlichen Faktor in der Fremdenverkehrswirtschaft der Weststeiermark dar (Schiregion Autobahn Süd). Auch für die Gemeinde H hat der gesamte Betrieb eine wesentliche Bedeutung, weil Abgaben geleistet und Arbeitsplätze bereitgestellt werden. Die Gemeinde ist daher an einer guten Auslastung der Förderleistung interessiert. Die beantragten Rodungsmaßnahmen, die zur Erhaltung dieses Wintersportbetriebes beitragen, sind demnach auch im öffentlichen Interesse gelegen.

Eine Beeinträchtigung der Wirkungen des Waldes ist in Anbetracht der hervorragenden Waldausstattung der Gemeinde (68 %) und des Waldzuganges der letzten Jahrzehnte nicht zu erwarten.

Beim Abwägen der Interessen wird daher festgestellt, dass das öffentliche Interesse, welches für die Bewilligung des Rodungsantrages spricht, das Interesse der Walderhaltung überwiegt.

Eine Fristverlängerung vorangegangener Bewilligungen wird nicht befürwortet. Nach Ablauf der Frist erlischt die jeweilige Bewilligung. Für jedes weitere Rodungsvorhaben ist daher ein neuer Antrag zu stellen.

Im übrigen stützt sich dieser Bescheid auf die bezogenen Gesetzesstellen und auf das Ergebnis des Lokalaugenscheines.

Auf Grund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens konnte somit, wie oben ausgeführt, entschieden werden."

Gegen diesen Bescheid und zwar erkennbar nur gegen den Spruchteil I, richtet sich die vorliegende auf § 170 Abs. 8 Forstgesetz 1975 gestützte Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 59 Abs. 1 erster Satz AVG 1950 hat der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen.

Diese Deutlichkeit lässt der vorliegende Spruch des angefochtenen Bescheides jedenfalls in folgender Hinsicht vermissen:

Der zum Bestandteil des Spruches erklärte, mit dem Sichtvermerk versehene "Lageplan" ist insoweit unklar, als sich daraus trotz der entsprechenden Legende nicht entnehmen lässt, welche Flächen der Rodung unterzogen werden sollen. Diese Unklarheit des Spruches des angefochtenen Bescheides lässt sich auch nicht durch die Heranziehung der Begründung aufklären. Sohin ist der angefochtene Bescheid schon in dieser Hinsicht mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1987, Zl. 87/10/0038). Gemäß § 17 Abs. 2 und § 19 Forstgesetz 1975 ist eine Rodungsbewilligung nur auf Antrag zu erteilen und hat sich daher auch nur im Rahmen eines solchen Antrages zu bewegen; die Behörde kann zwar einem Antrag nur teilweise entsprechen, sie kann aber rechtens nicht über ihn hinausgehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 1987, Zl. 84/07/0086). Im vorliegenden Fall rügt der Beschwerdeführer, dass die mitbeteiligte Partei zwar eine Einschränkung des Rodungsbegehrens vorgenommen, mit dem angefochtenen Bescheid jedoch eine darüber hinausgehende Bewilligung erteilt worden sei. Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen, dass die mitbeteiligte Partei zwar in ihrem Ansuchen vom 1. Dezember 1986 (eingelangt am 2. Dezember 1986) auf die Rodungsbewilligung für die Teilfläche C verzichtet, jedoch gleichzeitig einen geänderten Plan vorgelegt habe, in welchem diese Teilfläche sehr wohl als Rodungsfläche ausgewiesen sei. Unter anderem auf Grund dieser widersprüchlichen Vorgangsweise sei der mitbeteiligten Partei die ursprünglich beantragte Rodungsbewilligung erteilt worden. Dazu ist zu bemerken, dass ein "widersprüchliches" Vorbringen des Antragstellers in Wahrheit gar nicht vorlag. Vielmehr ist von dessen insoweit eindeutiger Prozesserklärung vom 1. Dezember 1986 auszugehen, wonach er lediglich den Antrag auf Erteilung einer Rodungsbewilligung für die Teilflächen A und B begehrt und für die Teilfläche C ausdrücklich zurückgezogen hat. Dass der zugleich vorgelegte Plan mit diesem Antrag allenfalls in Widerspruch stand, änderte an dieser Prozesserklärung nichts. Der angefochtene Bescheid ist daher auch aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weil die belangte Behörde eine Rodungsbewilligung für eine Fläche erteilt hat, für welche sie nicht (mehr) begehrt wurde.

Aus diesen Erwägungen ist der angefochtene Bescheid gemäß §42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Für das fortzusetzende Verfahren ist noch auf folgendes zu verweisen: Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ist nicht zu entnehmen, inwieweit dieselbe Befund und Gutachten des forsttechnischen Amtssachverständigen darstellt und welcher Teil dieser Begründung nunmehr die Erwägung der belangten Behörde bilden soll. Sollte sich die belangte Behörde den Äußerungen des forsttechnischen Amtssachverständigen (vom 19. Dezember 1986) zur Gänze angeschlossen haben, so ist darauf zu verweisen, dass sie damit als "öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche" (vgl. § 17 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975) hinsichtlich der Teilflächen A und B offenbar jenes am Fremdenverkehr angenommen hat. Dazu wäre es allerdings erforderlich gewesen, fachlich fundierte Äußerungen der für Angelegenheiten des Fremdenverkehrs und der Raumordnung zuständigen Stellen der Gemeindeaufsichtsbehörde oder sonst eine von entsprechendem Fachwissen getragene Stellungnahme einzuholen, die fallbezogen eine verlässliche Beurteilung, ob das betreffende öffentliche Interesse vorliegt, in einer der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise ermöglicht hätten. Solange ein solches Interesse nicht feststeht, fehlt die Grundlage für eine Interessenabwägung mit den, was die Verwendung der zur Rodung beantragten Flächen anlangt, gegensätzlichen Interessen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 31. März 1987, Zl. 84/07/0344).

Wien, am 23. Juli 1987

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