Normen
ABGB §140 Abs1
ABGB §140 Abs3
AVG §56
AVG §66 Abs4
SHG NÖ 1974 §41 Abs6
SHG NÖ 1974 §41 Abs6 idF 9200-3
SHG NÖ 1974 §42
SHG NÖ 1974 §42 Abs1 idF 9200-5
SHG NÖ 1974 §42 idF 9200-3
SHG NÖ 1974 §52 idF 9200-3
SHG NÖ 1974 §53 idF 9200-3
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986110058.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 24. Mai 1982 sprach die Bezirkshauptmannschaft Amstetten aus, daß die Beschwerdeführerin gemäß § 15 Abs. 4 NÖ Sozialhilfegesetz (NÖ SHG), LGBl. Nr. 9200‑3, dem Land Niederösterreich zu den Kosten der Sozialhilfe für ihre Tochter SS ab 1. Februar 1982 einen Kostenbeitrag in der Höhe von S 50,-- täglich zu leisten habe. In der Begründung verwies die genannte Behörde zunächst darauf, daß der SS mit Verfügung der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. September 1981 Hilfe für Behinderte gemäß § 22 NÖ SHG ab Aufnahmetag durch Tragung der Kosten im Behindertenheim der Schulschwestern in S in der Höhe von derzeit S 225,-- täglich gewährt worden sei. Da die Behinderte sowie die gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht gemäß § 42 Abs. 1 NÖ SHG dem Land Niederösterreich zu den Kosten der Hilfeleistung einen Betrag zu leisten hätten, sei auf Grund des Einkommens der Beschwerdeführerin der oben bezifferte Betrag als Kostenbeitrag bestimmt worden.
Der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die Niederösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 25. Oktober 1982 nicht statt.
Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 19. September 1984, Zl. 82/11/0375, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes im wesentlichen mit der Begründung auf, daß § 15 Abs. 4 NÖ SHG, auf den der damals bekämpfte Bescheid allein gestützt worden sei, keine Rechtsgrundlage für die unmittelbare Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages darstelle.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den obgenannten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 teilweise statt und sprach aus, daß die Beschwerdeführerin gemäß § 42 in Verbindung mit § 15 Abs. 4 NÖ SHG, LGBl. Nr. 9200‑5, dem Land Niederösterreich zu den Kosten der Unterbringung ihrer Tochter SS im Behindertenheim der Schulschwestern in S für die Zeit vom 1. Mai 1983 bis 31. Dezember 1983 einen Kostenbeitrag von S 30,-- täglich, für das Jahr 1984 einen Kostenbeitrag von S 35,-- täglich und für die Zeit vom 1. Jänner 1985 bis 26. März 1985 einen Kostenbeitrag in der Höhe von S 20,‑‑ täglich zu leisten habe.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin - in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides - zur Leistung eines Beitrages zu den dem Land Niederösterreich erwachsenen Kosten der Unterbringung ihrer Tochter SS im obgenannten Behindertenheim in der Zeit vom 1. Mai 1983 bis 26. März 1985 verpflichtet. Zu einer solchen Abänderung war die belangte Behörde wegen des kein Ende der Verpflichtung bestimmenden Abspruches im erstinstanzlichen Bescheid nach § 66 Abs. 4 AVG 1950 grundsätzlich berechtigt (vgl. die Erkenntnisse vom 13. Oktober 1981, Zl. 11/3317/78, und vom 7. November 1984, Zl. 83/11/0068). Bei Beurteilung der Rechtmäßigkeit der bescheidmäßigen Verpflichtung der Beschwerdeführerin zum genannten „Kostenbeitrag“ für in der Vergangenheit liegende und dem Land Niederösterreich bereits erwachsene Sozialhilfekosten ist zwar für die Frage, ob bereits Verjährung eingetreten ist, die Rechtslage nach der 5. Novelle zum NÖ SHG, LGBl. Nr. 9200‑5, mangels einer ausdrücklichen Anordnung in dieser Novelle, daß die mit ihr geänderten Kostenbeitrags- und Kostenersatznormen auch auf den Ersatz von solchen Sozialhilfekosten anzuwenden seien, die vor Inkrafttreten dieser Novelle entstanden sind, im übrigen aber noch die Rechtslage bis zum Inkrafttreten der Novelle am 27. März 1985 maßgebend (vgl. dazu die ausführlichen, zwar zu anderen gesetzlichen Bestimmungen vorgenommenen, aber im Beschwerdefall anwendbaren Darlegungen im Erkenntnis vom 18. September 1985, Zl. 84/11/0087). Dadurch, daß die belangte Behörde nicht nur für die Fragen, ob die Beschwerdeführerin auch ab 27. März 1985 zu einem Kostenersatz herangezogen werden kann und ob hinsichtlich des auferlegten Kostenersatzes Verjährung eingetreten ist, sondern auch für die Beurteilung der sonstigen Voraussetzungen des Kostenersatzes für den Zeitraum vom 1. Mai 1983 bis 26. März 1985 das NÖ SHG schon in der Fassung der 5. Novelle herangezogen hat, wurde die Beschwerdeführerin in keinem Recht verletzt, da die von der belangten Behörde für die Beurteilung des auferlegten Kostenersatzes herangezogenen Bestimmungen des NÖ SHG in der Fassung der 5. Novelle mit der Rechtslage vor Inkrafttreten dieser Novelle inhaltlich gleich sind.
Gemäß § 42 Abs. 1 NÖ SHG, LGBl. Nr. 9200‑4, haben Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten. Nach § 42 Abs. 4 leg. cit. findet § 41 Abs. 6 sinngemäß Anwendung. Darnach verjährt der Anspruch auf Kostenersatz nach drei Jahren vom Ablauf des Jahres, in dem die Sozialhilfe gewährt worden ist. Für die Wahrung der Frist gelten sinngemäß die Regeln über die Unterbrechung der Verjährung (§ 1497 ABGB). Ausgenommen hievon sind Ersatzansprüche für Sozialhilfe, die grundbücherlich sichergestellt sind. Die Verjährungsbestimmungen des NÖ SHG in der Fassung der 5. Novelle sind insofern inhaltlich ident.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hätte schon deshalb von der Auferlegung eines Kostenersatzes Abstand genommen werden müssen, weil aus der 15-monatigen Untätigkeit der belangten Behörde zwischen der Zustellung des obzitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes im November 1984 und der Aufforderung der Beschwerdeführerin zu einer Stellungnahme im Februar 1986 auf einen Verzicht der Ersatzansprüche geschlossen werden müsse.
Dieser schon im Verwaltungsverfahren erhobene Einwand ist unbegründet, da keine rechtliche Grundlage für die Zulässigkeit des Schlusses auf den Verzicht auf einen öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruch des Landes Niederösterreich gegen einen Ersatzpflichtigen aus einer bloßen Säumigkeit der zur Entscheidung über den Ersatzanspruch berufenen Behörden besteht. Aus § 42 Abs. 4 (Abs. 5 in der Fassung der 5. Novelle) in Verbindung mit § 41 Abs. 6 NÖ SHG ist vielmehr abzuleiten, daß die bloße „Untätigkeit“ dieser Behörde nur insofern eine Beschränkung des Anspruches auf Kostenersatz zu bewirken vermag, als dadurch eine Verjährung dieses Anspruches eintritt (vgl. zum Beginn und zur Unterbrechung der Verjährung das auch auf diese Verjährungsbestimmungen des NÖ SHG anwendbare Erkenntnis vom 19. September 1984, Zl. 82/11/0199). Jedenfalls der mit dem angefochtenen Bescheid bejahte Anspruch des Landes Niederösterreich auf Ersatz von Sozialhilfekosten für die Zeit vom 1. Mai 1983 bis 26. März 1985 war aber im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (ganz unabhängig von der Frage, ob nicht schon durch die Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eine Unterbrechung der Verjährung eingetreten ist) nicht verjährt, da schon nach dem ersten Satz des § 41 Abs. 6 leg. cit. der Anspruch auf Ersatz der im Jahre 1983 erwachsenen Sozialhilfekosten erst mit Ablauf des Jahres 1986 verjährt wäre.
Rechtsirrig soll nach Auffassung der Beschwerdeführerin der angefochtene Bescheid aber auch deshalb sein, weil die belangte Behörde zu Unrecht nicht auf das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 1. Februar 1980 Bedacht genommen habe. Darin sei dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, daß von der Einforderung eines Kostenbeitrages von der Beschwerdeführerin für ihre Tochter Abstand genommen werde. Damit sei ‑ keineswegs befristet ‑ auf die Einhebung von Kostenbeiträgen von der Beschwerdeführerin verzichtet worden. Diese Verzichtserklärung gelte auch für die belangte Behörde. Sie umfasse auch die nunmehr eingeforderten Beiträge. Verwiesen werde auf § 915 ABGB, wonach eine undeutliche Äußerung zum Nachteil desjenigen erklärt werde, der sich derselben bedient habe. Die Beschwerdeführerin habe auf Grund des genannten Schreibens annehmen können, niemals mehr zu Kostenbeiträgen in Anspruch genommen zu werden. Es sei nicht einzusehen, warum sie plötzlich zu derartigen Leistungen verurteilt werden solle. Zur Ansicht der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides, es sei in der gegenständlichen Angelegenheit die clausula rebus sic stantibus anzuwenden, werde ausgeführt, daß sich seit dem genannten Schreiben die Einkommensverhältnisse der Beschwerdeführerin nicht zu ihren Gunsten geändert hätten. Denn man dürfe nicht vergessen, daß seit diesem Schreiben über sechs Jahre vergangen seien und die seither eingetretene Geldwertverdünnung bewirkt habe, daß ihre Einkünfte zum 1. Februar 1980 und in den folgenden Jahren in etwa gleich gewesen seien. Geringfügige Änderungen seien nicht beachtlich.
Auch diese Einwände sind unbegründet. Ob das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 1. Februar 1980 im Sinne der Ausführungen der Beschwerdeführerin von ihr auch als Verficht auf künftige Kostenbeiträge verstanden werden durfte, kann dahingestellt bleiben, weil es jedenfalls aus nachstehenden Gründen keine für den gegenständlichen Kostenersatz bindende Wirkung zu entfalten vermochte. Der Anspruch auf Kostenersatz nach § 42 NÖ SHG ist ein öffentlich-rechtlicher Anspruch des Landes (Niederösterreich), das die Kosten der Sozialhilfe zu tragen hat (§ 40 leg. cit.). Zur Entscheidung über diesen Anspruch ist in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde in zweiter Instanz die Landesregierung sachlich zuständig (§ 53 Abs. 2 leg. cit.). Die Wertung des mehrfach genannten Schreibens der Bezirkshauptmannschaft Amstetten als ein die Heranziehung der Beschwerdeführerin als Ersatzpflichtiger nach § 42 leg. cit. zum gegenständlichen Kostenersatz hindernder „Verzicht“ setzte mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung dieser Behörde zu einem nichtbescheidförmigen Verzicht namens des Landes die Qualifizierung des Schreibens als Bescheid (mit einem eine solche Heranziehung ausschließenden Abspruch) voraus. Nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A) kann auf die ausdrückliche Bezeichnung einer Erledigung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muß sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinne auch aus der Form der Erledigung, ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen u.dgl. können nicht als verbindliche Erledigung gewertet werden. In jedem Falle, in dem der Inhalt einer Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen läßt, ist die ausdrückliche Bezeichnung für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell. Nur dann, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung, keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß die Behörde die Rechtsform des Bescheides gewählt hat, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nach der für sich allein gesehen unabdingbaren Norm des § 58 Abs. 1 AVG 1950 für das Vorliegen eines Bescheides nicht wesentlich. An eine behördliche Erledigung, die nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet ist, muß aber hinsichtlich der Wertung als Bescheid nach ihrem Inhalt ein strenger Maßstab angelegt werden. Wendet man diese Kriterien auf das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 1. Februar 1980, das nicht als Bescheid bezeichnet ist, an, so kann es nicht als Bescheid angesehen werden, sondern muß im Zweifel nur als Mitteilung der Rechtsansicht aufgefaßt werden, daß nach Auffassung der Bezirkshauptmannschaft Amstetten zum Zeitpunkt dieser Erklärung die Voraussetzungen für die Heranziehung der Beschwerdeführerin zum Kostenersatz nicht vorlägen.
Die Beschwerdeführerin wendet ferner ein, daß sie deshalb nicht zum Kostenersatz habe herangezogen werden dürfen, weil zwischen ihr und KS, ihrem ehemaligen Ehegatten und dem Vater der SS, am 17. April 1979 vor dem Bezirksgericht Amstetten ein gerichtlicher Vergleich abgeschlossen worden sei, wonach KS für den Unterhalt der damals noch minderjährigen SS zur Gänze aufzukommen habe. Dieser Vergleich sei jedenfalls zwischen der Beschwerdeführerin und KS gültig, unabhängig davon, ob die Vereinbarung pflegschaftsbehördlich genehmigt worden sei oder nicht. Wenn nunmehr von der Verwaltungsbehörde entgegen dieser Vereinbarung Ansprüche an die Beschwerdeführerin gestellt würden, so verstoße dies gegen den Grundsatz, daß Entscheidungen im gerichtlichen Verfahren (ihnen seien Vergleiche gleichzustellen) auch Verwaltungsbehörden bänden.
Diesem Einwand hat schon die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides - gestützt auf die Judikatur der ordentlichen Gerichte - zutreffend entgegengehalten, daß durch diese anläßlich der Scheidung der Ehe der Beschwerdeführerin mit KS getroffene Unterhaltsvereinbarung mangels einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung kein Verlust des Unterhaltsanspruches der SS gegenüber der Beschwerdeführerin eingetreten ist und diese Vereinbarung nur zwischen den vertragschließenden Parteien wirksam wurde. Sie durfte daher als eine „gesetzlich .... zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe“ verpflichtete Person trotz des obgenannten Scheidungsvergleiches - freilich nur im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht - zum Kostenersatz herangezogen werden.
Schließlich wendet die Beschwerdeführerin ein, die belangte Behörde lasse völlig außer Betracht, daß KS ein Einkommen habe, das jenes der Beschwerdeführerin um zumindest das Doppelte, wahrscheinlich sogar um das Zweieinhalbfache übersteige. Ihr monatliches Nettoeinkommen seit 1. Februar 1982 betrage zwischen S 8.000,-- und S 9.000,--, vierzehnmal jährlich, KS verfüge in diesem Zeitraum über ein monatliches Nettoeinkommen von mindestens S 20.000,--. Demgemäß sei es der Beschwerdeführerin unzumutbar, die von ihr geforderten Beträge zu bezahlen, während KS zur Zahlung derartiger Beträge ohne weiteres in der Lage sei.
Diesen von der Beschwerdeführerin schon im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwand hielt die belangte Behörde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides deshalb für irrelevant, weil lediglich die Frage von Bedeutung sei, ob auf Grund des Scheidungsvergleiches „von der Unterhaltspflicht der Mutter abzusehen wäre“.
Damit verkennt die belangte Behörde aber die Rechtslage. Die dem Land Niederösterreich durch die der SS in der Form der Beschäftigungstherapie gewährte Sozialhilfe erwachsenen Kosten, zu deren teilweisem Ersatz die Beschwerdeführenin mit dem angefochtenen Bescheid verpflichtet wurde, resultieren aus der Befriedigung eines Sonderbedarfes der SS, deren Kosten nach § 42 Abs. 1 NÖ SHG unter anderem die gesetzlich zur Gewährung des Unterhaltes an SS verpflichteten Personen im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht zu ersetzen haben (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 13. Oktober 1981, Zl. 11/3317/78, vom 17. Februar 1981, Zl. 11/1471/78, und vom 22. Juni 1979, Zl. 1595/79). Mit den Worten „im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht“ verweist das Gesetz auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über die gesetzliche Unterhaltspflicht (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 29. Mai 1985, Zl. 81/11/0054, und vom 2. Mai 1984, Zl. 81/11/0043). Gemäß § 140 Abs. 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Gemäß § 140 Abs. 2 erster Satz leg. cit. leistet der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, dadurch seinen Beitrag. Der zuletzt genannte Fall liegt aber weder hinsichtlich des KS noch hinsichtlich der Beschwerdeführerin vor. Die Verpflichtung der Kindeseltern, nach Kräften anteilig (d.h. entsprechend ihrer Leistungskraft unter Berücksichtigung ihrer Ausbildung und ihres Könnens) zum Unterhalt ihres Kindes beizutragen, hat im Unterhaltsrecht zur Konsequenz, daß die Frage, in welchem Verhältnis der Unterhalt von den Eltern zu leisten ist, erst beurteilt werden kann, wenn die Lebensverhältnisse beider Eltern festgestellt sind (vgl. unter anderem EFSlg 32.908, 42.735); jeder Elternteil kann dementsprechend vorbringen, daß die Kraft des anderen noch nicht ausgeschöpft worden sei; eine Änderung der Unterhaltsfestsetzung gegenüber einem Elternteil muß bei gleichbleibendem Bedarf zur Änderung auch gegenüber dem anderen Elternteil führen (vgl. Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 6 und 7; Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Mai 1984, Zl. 81/11/0043, und vom 29. Mai 1985, Zl. 81/11/0054). In Ansehung der Kostentragungspflicht nach § 42 Abs. 1 NÖ SHG hat diese Rechtslage zur Folge, daß das Einkommen des KS (im relevanten Zeitraum vom 1. Mai 1983 bis 26. März 1985: vgl. zur maßgeblichen Sach- und Rechtslage das Erkenntnis vom 22. Februar 1983, Zl. 11/2753/79) nicht - wie die belangte Behörde meint - für die Höhe des der Beschwerdeführerin auferlegten Kostenersatzes schlechthin irrelevant ist; es vermöchte nur dann zu keiner Verminderung des der Beschwerdeführerin auferlegten Kostenersatzes (gegen deren Höhe die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt ihrer Leistungsfähigkeit sonst keine Einwendungen erhoben hat - der Kostenersatz wurde auch bereits unter Bedachtnahme auf verschiedene, zum Unterhalt zu rechnende Aufwendungen für SS bestimmt) zu führen, wenn feststünde, daß KS bei einer seinen Kräften (im relevanten Zeitraum) entsprechenden Heranziehung zur (teilweisen) Deckung des Sozialhilfeaufwandes für seine Tochter höchstens die Differenz zwischen dem Sozialhilfeaufwand im relevanten Zeitraum (dessen Feststellung es bedürft hätte) und dem der Beschwerdeführerin auferlegten Kostenersatz zu tragen vermöchte.
Da die belangte Behörde, ausgehend von ihrer irrigen Auffassung, es sei das Einkommen des KS schlechthin irrelevant, weder Feststellungen über den dem Land Niederösterreich im relevanten Zeitraum erwachsenen Sozialhilfeaufwand noch über das Einkommen des KS (und die sonst für seine Leistungskraft bedeutsamen Umstände) getroffen hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.
Wien, am 20. Februar 1987
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