VwGH 86/08/0023

VwGH86/08/002319.6.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Novak, über die Beschwerde des KR in S, vertreten durch Dr. Kurt Keiler, Rechtsanwalt in Steyr, Stadtplatz 20, gegen zwei Bescheide des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 11. Dezember 1984, Zl. Ge- 22.563/3-1984/Pan/Hin, und Zl. Ge-22.561/4-1984/Pan/Hin, betreffend Übertretung von Arbeitszeitvorschriften, zu Recht erkannt:

Normen

AZG §14;
AZG §16;
AZG §28 Abs1;
AZG §28;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1 idF 1983/176;
VStG §9 Abs2 idF 1983/176;
VStG §9 idF vor 1983/176;
VStG §9 impl;
VStG §9;
AZG §14;
AZG §16;
AZG §28 Abs1;
AZG §28;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1 idF 1983/176;
VStG §9 Abs2 idF 1983/176;
VStG §9 idF vor 1983/176;
VStG §9 impl;
VStG §9;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Verwaltung) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 19.725,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer als Bevollmächtigter der H. GmbH und "somit Verantwortlicher im Sinne der Bestimmung des § 9 VStG 1950" den in diesem Betrieb beschäftigten Kraftfahrlenker WK am 24. März 1983 1) zu einer Lenkzeit von 16 Stunden herangezogen habe, obwohl diese eine Dauer von 8 Stunden nicht überschreiten dürfe, und 2) zu einer Einsatzzeit von 17 Stunden herangezogen habe, obwohl diese eine Dauer von 12 Stunden nicht überschreiten dürfe; er habe dadurch zu

1) eine Übertretung des § 14 Abs. 2 AZG und zu 2) eine Übertretung des § 16 Abs. 2 AZG begangen und es werde über ihn gemäß § 28 Abs. 1 AZG jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,-- (Ersatzarreststrafe zwei Tage) verhängt.

In den gegen die beiden Bescheide erhobenen Beschwerden macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsstrafverfahren vor und beantragte in den Gegenschriften die Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

Die §§ 14 und 16 AZG enthalten Vorschriften über die Arbeitszeit und Lenkzeit sowie die Einsatzzeit von Lenkern und Beifahrern von Kraftfahrzeugen. Gemäß § 28 Abs. 1 leg. cit. sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe von S 300,-- bis S 6.000,-- oder mit Arrest von 3 Tagen bis zu 6 Wochen zu bestrafen.

Gemäß § 9 VStG 1950 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 176/1983 (die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen wurden am 24. März 1983, also vor dem Inkrafttreten der genannten Novelle begangen) finden dann, wenn eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, deren Nichterfüllung mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, eine Gesellschaft, eine Genossenschaft oder einen Verein trifft, sofern die Verwaltungsvorschrift nicht anderes bestimmt, die Strafbestimmungen auf die satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe Anwendung. Diese Organe sind berechtigt und auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreise eine oder mehrere handlungsfähige Personen zu bestellen, denen für den gesamten Betrieb oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Gebiete die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Soweit solche verantwortliche Vertreter bestellt wurden, finden die Strafbestimmungen zunächst auf sie Anwendung.

"Arbeitgeber" im Sinne des § 28 Abs. 1 AZG ist in den Fällen des § 9 VStG 1950 das dort genannte Organ (Erkenntnis vom 30. März 1982, Zl. 81/11/0087), demgemäß im Falle der Bestellung eines verantwortlichen Vertreters aus dem Kreis der Organe dieser verantwortliche Vertreter (vgl. zur geänderten Rechtslage nach der obgenannten Novelle das ebenfalls den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 26. Mai 1986, Zlen. 86/08/0024, 0025).

Gemäß § 44 a lit. a VStG 1950 hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Zu der darnach gebotenen Umschreibung der Tat hinsichtlich des Täters bedarf es im Sinne des Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg. Nr. 11.466/A, der Angabe im Spruch, in welcher Eigenschaft einer Person eine Übertretung nach dem Arbeitszeitvorschriftengesetz zur Last gelegt wird (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 12. Dezember 1984, Zl. 82/11/0363 und Zl. 82/11/0380, sowie vom 22. November 1983, Zl. 82/11/0165). Wird einem Beschuldigten eine Verwaltungsübertretung als "Verantwortlicher" einer der in § 9 VStG 1950 genannten Rechtsperson zugerechnet, so bedarf es auch der Anführung der Merkmale, denen zufolge der Beschuldigte die Eigenschaft als "Verantwortlicher" habe (vgl. die Erkenntnisse vom 27. Juni 1983, Slg. Nr. 11.100/A, und vom 19. September 1983, Slg. Nr. 11.143/A). Der Beschwerdeführer war im Tatzeitpunkt als Prokurist der H. GmbH nicht ein "satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ" dieser Gesellschaft und konnte demgemäß zwar "Bevollmächtigter" der Gesellschaft im Sinne des § 28 AZG, nicht aber ein aus dem Kreise der Organe der Gesellschaft bestellter verantwortlicher Vertreter im Sinne des § 9 VStG 1950 sein (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 9. März 1970, Slg. Nr. 7753/A, und vom 1. Dezember 1975, Slg. Nr. 8936/A). Dadurch, dass die belangte Behörde durch die Bestätigung der erstinstanzlichen Straferkenntnisse deren Aussprüche übernommen und demgemäß dem Beschwerdeführer die oben angeführten Verwaltungsübertretungen "als Verantwortlicher im Sinne des § 9 VStG 1950" zugerechnet hat, belastete sie die angefochtenen Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Sie waren daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf die Einwände des Beschwerdeführers zur subjektiven Tatseite der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen eingegangen zu werden brauchte. Diesbezüglich wird aber - für das nach § 63 Abs. 1 VwGG fortzusetzende Verwaltungsstrafverfahren - einerseits auf die ausführlichen Darlegungen im schon genannten, ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnis vom 26. Mai 1986, Zlen. 86/08/0024, 0025, verwiesen, und anderseits bemerkt, dass der als Zeuge vernommene WK in seiner Aussage offensichtlich nicht von den Arbeitszeitüberschreitungen am 24. März 1983 sprach, da er nicht nur als Tatzeit den 14. Juli 1983 nannte, sondern auch eine andere Route als in der Anzeige anführte.

Soweit Entscheidungen zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 19. Juni 1986

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