VwGH 81/11/0039

VwGH81/11/00391.12.1981

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Mag. Öhler, Dr. Kramer, Dr. Knell und Dr. Dorner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Csaszar, über die Beschwerde des JS in A, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt Dr. Luitpold Weh in Bregenz, Kirchstraße 2, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 26. Juni 1979, Zl. IVa-372/3- 1979, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
SHG Vlbg 1971 §2 Abs4;
SHG Vlbg 1971 §8 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Was die bis in das Jahr 1971 zurückreichende Vorgeschichte des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens anlangt, dessen Gegenstand ein Antrag auf Sozialhilfe zur Gewährung des Lebensunterhaltes ist, verweist der Verwaltungsgerichtshof auf die Darstellung im hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1978, Zlen. 2396/77, 2271/77, 2353/77.

Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem den Bescheid der belangten Behörde vom 22. September 1977, Zl. IVa-372/3-77, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer die Gewährung einer Sozialhilfeleistung zur Bestreitung des Lebensunterhaltes im wesentlichen aus drei Gründen versagt: 1.) weil der Beschwerdeführer seine Unterbringung in einem Alters- bzw. Versorgungsheim abgelehnt hätte; 2.) weil dem Beschwerdeführer seit Dezember 1971 aus "seinem Pensionseinkommen nach Berücksichtigung der jeweils geltenden Richtsätze für die Bemessung des ausreichenden Lebensunterhaltes für alleinstehende Personen laufend auch Beträge zur Deckung seines Bedarfes an Unterkunft und seines sonstigen Bedarfes zur Verfügung" gestanden seien; und 3.) weil der "Auffassung der Bezirkshauptmannschaft A" über die "teilweise Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und der damit verbundenen Verdienstmöglichkeiten zuzustimmen" sei. Was Punkt 1) anlange, habe der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren am 10. Mai 1977 - und an den folgenden Tagen -

vorgebracht, "Bürgermeister B" hat mir gegenüber, etwa zum Zeitpunkt der Antragstellung - wann weiß ich nicht mehr genau - erklärt, daß eine Altersheimeinweisung für mich nicht in Frage komme, weil kein Platz frei sei, ich zu jung sei und andere, ältere, kranke Menschen vordringlich aufgenommen werden müßten". Damit habe der Beschwerdeführer behauptet, es sei unmöglich gewesen, ihn in einem Alters- bzw. Versorgungsheim unterzubringen. Durch die bloße Feststellung der belangten Behörde, daß die Unterbringung in einem Alters- bzw. Versorgungsheim ohne besondere Schwierigkeiten hätte durchgeführt werden können, weil im Bezirk A über zwanzig Alters- und Versorgungsheime, davon drei in A, zur Verfügung stünden, werde diese Behauptung nicht widerlegt; dazu bedürfe es der überprüfbaren Angabe, in welchem Alters- bzw. Versorgungsheim und wann die Unterbringung des Beschwerdeführers tatsächlich möglich gewesen wäre, bzw. des konkreten Nachweises, wodurch der Beschwerdeführer zu erkennen gegeben haben solle, eine Einweisung in ein Alters- und Versorgungsheim abzulehnen.

Darin sowie in den auch bezüglich der unter den Punkten 2) und 3) genannten Abweisungsgründe (auf die die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid nicht mehr stützt) für gegeben erachteten Verfahrensmängel erblickte der Gerichtshof eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965.

In dem gemäß § 63 VwGG 1965 fortgesetzten Verfahren wurde unter anderem die Leiterin des Sozialamtes der Stadt A CD und der Sachbearbeiter in der Sozialhilfeabteilung der Bezirkshauptmannschaft A EF als Zeugen vernommen. CD erklärte, sie könne sich an die Sozialhilfesache des Beschwerdeführers gut erinnern. Nach Durchsicht ihrer Aktenunterlagen könne sie ohne Zweifel feststellen, daß sie dem Beschwerdeführer zur Zeit der Antragstellung auf Zuerkennung einer Fürsorgeunterstützung (17. Dezember 1971) eine Unterbringung im Altersheim G in A angeboten habe. Der Beschwerdeführer habe eine Unterbringung in einem Altersheim entschieden abgelehnt und erklärt, daß er eine Wohnung wolle und unter keinen Umständen in ein Versorgungsheim gehen werde. Diese Ablehnung sei so stark gewesen, daß ein weiteres Gespräch über eine Unterbringung in einem Versorgungsheim mit dem Beschwerdeführer nicht mehr zu führen gewesen sei, weil dies von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Sie weise darauf hin, daß im Altersheim G in A zur Zeit der Antragstellung des Beschwerdeführers auf Fürsorgeunterstützung eine Unterbringung möglich gewesen wäre, weil zu dieser Zeit in dem genannten Altersheim freie Plätze vorhanden gewesen seien. EF gab an, er habe bei der Besprechung bzw. Ergänzung des Fürsorgeantrages am 14. Jänner 1972 mit dem Beschwerdeführer auch wegen der Unterbringung in einem Altersheim in A gesprochen. Der Beschwerdeführer habe sofort abgelehnt und eine solche Maßnahme entrüstet von sich gewiesen. Es sei daher eine Unterbringung des Beschwerdeführers in einem Altersheim vom Zeugen nicht mehr weiter verfolgt, jedoch dieses Hilfsangebot ausdrücklich aufrechterhalten worden. Dies habe er dem Beschwerdeführer immer wieder zur Kenntnis gebracht, was auch aus dem Aktenvermerk vom 30. Juni 1972 im Akt IVa-694/71 der Bezirkshauptmannschaft A eindeutig hervorgehe. Durch die Fürsorge- und Sozialhilfemaßnahmen wäre der Notstand, welcher beim Beschwerdeführer hauptsächlich wegen Fehlens einer Wohnung hervorgerufen worden sei, behoben worden. Diese Sozialhilfemaßnahme sei auch wegen des angegriffenen Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers als die beste Hilfe gewertet worden. Eine Wohnung habe dem Beschwerdeführer vom Wohnungsamt der Stadt A erst im Jahre 1973 zugewiesen werden können, die von ihm allerdings abgelehnt worden sei. Da die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem Altersheim das Wohnproblem gelöst und damit die Hilfsbedürftigkeit behoben hätte, sei im Hinblick auf den Renten- und Pensionsbezug in diesem Falle Hilfsbedürftigkeit im fürsorge- und sozialhilferechtlichen Sinne nicht mehr als gegeben angenommen worden, weil diese Bezüge die Fürsorge- bzw. Sozialhilferichtsätze für einen Alleinstehenden überschritten hätten und Mietkosten bei Berechnung der Sozialhilfe nicht in Ansatz hätten gebracht werden müssen. Schon allein der vom Beschwerdeführer angeführte Schon- und Diätkostenbedarf sei geradezu ein zwingender Grund gewesen, die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem Altersheim intensiv zu betreiben, ohne auf eine eventuell gegebene eingeschränkte Arbeitsfähigkeit Bedacht zu nehmen, da in Gasthäusern eine Diätverpflegung kaum gewährleistet gewesen wäre. Der Zeuge könne mit Sicherheit behaupten, daß der Beschwerdeführer nur die Zuteilung einer Wohnung und die Gewährung einer Geldleistung aus der Sozialhilfe angestrebt habe. Die Unterbringung in einem Altersheim habe der Beschwerdeführer stets eindeutig und entrüstet zurückgewiesen.

In seiner Stellungnahme zu diesen Zeugenaussagen verwies der Beschwerdeführer zunächst darauf, daß im Bescheid der ersten Instanz "in keiner Weise von einer Einweisung in ein Altersheim Feststellungen getroffen oder als Abweisungsgründe angeführt sind". Tatsache sei, daß noch immer über den erstinstanzlichen Bescheid zu entscheiden sei, ob der Beschwerdeführer zur damaligen Zeit sozialhilfebedürftig gewesen sei oder nicht. Die spätere Alibibehauptung, daß diesbezüglich ein Aktenvermerk gemacht worden sei, habe er durch Eingaben und Hinweise widerlegt. Er habe auch in seinen Eingaben darauf hingewiesen und mit Zeitungsberichten und Aussagen des Bürgermeisters (von A) belegt, daß zur damaligen Zeit weder in den 20 Heimen in Vorarlberg noch im Altersheim G - A dem Beschwerdeführer ein Platz angeboten worden sei. Er weise nochmals darauf hin, daß alle im Bezirk A bestehenden Heime dem Bürgermeister der Stadt A unterstünden und gerade auch von dieser Seite immer wieder auf den bestehenden Platzmangel hingewiesen worden sei. Der gegenständliche Sozialhilfeantrag sei durch den "Herrn Bürgermeister" B telephonisch eingeleitet worden. Die Behauptung, daß ihm im Jahre 1971 im Altersheim G - A eine Unterbringung angeboten worden sei, sei durch die vom Beschwerdeführer immer wieder angeführten Tatsachen, daß im Gasthof H zur damaligen Zeit mehrere Unterstandslose untergebracht worden seien, ein Mann sogar im Wohnwagen am Campingplatz erfroren sei und in einem Zeitungsbericht ein bettlägeriger Mann abgebildet worden sei, welchen die Eiszapfen an der Decke gefährdet hätten, widerlegt worden. Der Bürgermeister von A habe dem Beschwerdeführer damals den Zeitungsbericht vorgelegt und bedauert, daß er nicht einmal für diesen Mann Platz in einem Altersheim habe. Somit sei "die neue Feststellung wegen meiner Unterbringung in der G" unhaltbar.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit §§ 1 und 5 des (Vorarlberger) Sozialhilfegesetzes (SHG), LGBl. Nr. 26/1971, keine Folge und bestätigte den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft A vom 20. Juli 1972. In der Begründung wurde nach Darstellung des Ganges des Verwaltungsverfahrens ausgeführt, es bestehe auf Grund der Vernehmung der Zeugen CD und EF kein Zweifel, daß dem Beschwerdeführer bei Antragstellung (17. Dezember 1971) zur Beseitigung der Hilfsbedürftigkeit infolge Obdachlosigkeit die Unterbringung im Altersheim G in A und hernach wiederholt eine Einweisung in ein Altersheim angeboten worden sei. Durch diese Sozialhilfemaßnahme wäre auch eine durch Verschlimmerung des Krankheitszustandes und durch Eintritt der vollen Arbeitsunfähigkeit verschärfte Hilfsbedürftigkeit am besten und nachhaltigsten behoben worden. Die Form der Sozialhilfeleistung werde gemäß § 8 SHG vom Sozialhilfeträger bestimmt. Wenn durch Nichtannahme der angebotenen Sozialhilfe der Beschwerdeführer in weitere Schwierigkeiten geraten sei, werde dadurch für den Hilfesuchenden kein Anspruch auf eine bestimmte Sozialhilfeleistung geschaffen. Es sei daher bei der gegebenen Sachlage im Hinblick auf das aufrechte Angebot einer Heimunterbringung vom Sozialhilfeträger weder der Grad der Hilfsbedürftigkeit noch des Krankheitszustandes und der Arbeitsfähigkeit zu prüfen. Durch das konkrete und immer wiederholte Angebot der Heimunterbringung sei vom sozialhilferechtlichen Standpunkt eine bestehende Hilfsbedürftigkeit, welchen Grades auch immer, optimal behoben. Es seien daher hinsichtlich der für die Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung gestandenen Mittel und über den Grad des Krankheitszustandes des Beschwerdeführers keine weiteren Erhebungen mehr durchzuführen gewesen, weil allein auf Grund des nachgewiesenen konkreten Sozialhilfeangebotes einer Heimunterbringung Hilfsbedürftigkeit jeder Art beim Beschwerdeführer behoben worden wäre und die Durchführung dieser Maßnahme nur am Widerstand des Beschwerdeführers gescheitert sei. Ein solches Verhalten eines Hilfesuchenden könne den Sozialhilfeträger nicht zu einer bestimmten Sozialhilfeleistung zwingen. Die Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Aussagen von CD und EF vermöge die Richtigkeit dieser Aussagen nicht zu entkräften oder zu widerlegen, weil der Bürgermeister von A für Heimunterbringungen im Zuge der Sozialhilfe nicht zuständig sei und außerdem auf dem neben dem Gasthof befindlichen Campingplatz immer wieder Unterkunftslose in Wohnwagen logierten, ohne daß dadurch die Unterbringungen in Altersheimen beeinflußt worden wären. Es stehe daher fest, daß der Beschwerdeführer ein konkretes und brauchbares Sozialhilfeangebot kategorisch abgelehnt und wiederholt eine angebotene Heimunterbringung entrüstet zurückgewiesen habe. Die Abweisung des Antrages auf Sozialhilfe bestehe zu Recht, da diese Einstellung des Beschwerdeführers einem Verzicht auf Sozialhilfeleistungen gleichgehalten werden müsse und bei Annahme des Sozialhilfeangebotes eine allfällige Hilfsbedürftigkeit zu beheben gewesen und auch behoben worden wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen "Widersprüchlichkeit und Mangelhaftigkeit sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung" erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde beantragte die Abweisung der Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft A "vom 20. Juli 1972". Da mit diesem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft A die Anträge des Beschwerdeführers "vom 17. Dezember 1971 und 30. Juni 1972 auf Gewährung einer Sozialhilfeleistung zur Bestreitung des Lebensunterhaltes" abgewiesen worden war, wurde auch mit dem angefochtenen Bescheid lediglich über diese Anträge und nicht auch über die weiteren Anträge des Beschwerdeführers vom 24. November 1974 und vom 3. Jänner 1976 entschieden.

2. Gemäß § 1 Abs. 1 SHG ist Sozialhilfe Hilfsbedürftigen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu gewähren. Nach § 1 Abs. 2 leg. cit. ist Sozialhilfe die staatliche Hilfe zur Führung eines menschenwürdigen Lebens. Nach § 1 Abs. 3 lit. a ist - bezogen auf die in der Gewährung des ausreichenden Lebensunterhaltes bestehende Art der Sozialhilfe (§ 4 Abs. 1 lit. a leg. cit.) - hilfsbedürftig, wer den Lebensunterhalt für sich und für die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend selbst beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Gemäß dem Abs. 4 des die "Grundsätze für die Gewährung der Sozialhilfe" behandelnden § 2 leg. cit. ist bei der Gewährung der Sozialhilfe nach Maßgabe des Einzelfalles darauf Bedacht zu nehmen, daß bei möglichst geringer Einflußnahme auf die Lebensverhältnisse des Hilfsbedürftigen und seiner Familie sowie bei möglichst zweckmäßigem, wirtschaftlichem und sparsamem Aufwand der Hilfsbedürftige zur Selbsthilfe befähigt wird und eine gründliche und dauernde Beseitigung der Hilfsbedürftigkeit zu erwarten ist. Nach § 4 Abs. 2 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 leg. cit. ist u. a. über die Gewährung des ausreichenden Lebensunterhaltes (§ 5) im Verwaltungsweg durch die Bezirksverwaltungsbehörde zu entscheiden. Nach § 5 umfaßt der ausreichende Lebensunterhalt den Aufwand für die gewöhnlichen Bedürfnisse, insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege. Gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. kann die Sozialhilfe in Form von Geldleistungen, Sachleistungen oder persönlicher Hilfe gewährt werden. Geldleistungen können auch als Darlehen gegeben werden. Das Ausmaß der Sozialhilfe ist im Einzelfall unter Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte und Mittel zu bestimmen. Die Absätze 2 und 3 des § 8 leg. cit. legen die bei der Bedachtnahme auf den Einsatz der eigenen Kräfte und Mittel zu berücksichtigenden Umstände näher fest. Gemäß § 8 Abs. 5 erster Satz leg. cit. hat die Landesregierung durch Verordnung nähere Vorschriften über die Form und das Ausmaß der Sozialhilfe zu erlassen. Diese näheren Vorschriften sind in der noch auf den Beschwerdefall anzuwendenden Vorarlberger Sozialhilfeverordnung, LGBl. Nr. 11/1972 (SHV), die seither wiederholt novelliert wurde, enthalten. Gemäß § 19 Abs. 1 SHG sind die Gemeinden u. a. zur Entgegennahme von Anträgen und zur Mitwirkung bei der Gewährung der Sozialhilfeleistungen verpflichtet.

3.1. Gegen die von der belangten Behörde auf die Aussage der Leiterin des Sozialamtes der Stadt A CD und des Sachbearbeiters der Sozialhilfeabteilung der Bezirkshauptmannschaft A EF gestützte Feststellung, der Beschwerdeführer habe die ihm schon bei der Antragstellung angebotene Unterbringung im Altersheim G in A und die hernach wiederholt angebotene "Einweisung" in ein Altersheim abgelehnt, wendet der Beschwerdeführer ein, es sei im Verfahren die von ihm stets aufrechterhaltene Behauptung, er habe vom Bürgermeister (von A) die Auskunft erhalten, eine Unterbringung in einem Altersheim sei aus Platzgründen nicht möglich, weshalb er ein solches Angebot nicht habe ernst nehmen können, niemals geprüft worden, obwohl die Richtigkeit dieser Darstellung durch die Einvernahme des Bürgermeisters von A hätte erhärtet werden können.

3.2. Nach der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides erachtete die belangte Behörde eine Überprüfung dieser Behauptung nicht für erforderlich. Die Stellungnahme des Beschwerdeführers zum durchgeführten Beweisverfahren, die ebenfalls diese Behauptung enthielt, vermöge die Richtigkeit der Aussage der Zeugen CD und EF hinsichtlich der Heimunterbringung bzw. eines konkreten Heimunterbringungsangebotes nicht zu entkräften oder zu widerlegen, weil der Bürgermeister von A für Heimunterbringungen im Zuge der Sozialhilfe nicht zuständig sei und außerdem auf dem neben dem Gasthof H befindlichen Campingplatz immer wieder Unterkunftslose in Wohnwagen logierten, ohne daß dadurch die Unterbringungen in Altersheimen beeinflußt worden wären.

3.3. Diese Argumentation der belangten Behörde widerspricht dem in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wiederholt ausgesprochenen Grundsatz, daß die der Behörde gemäß § 45 Abs. 2 AVG eingeräumte "freie Beweiswürdigung" erst nach vollständiger, gemäß den §§ 37, 39 Abs. 2 AVG 1950 von Amts wegen durchzuführender Beweiserhebung, d.h. der Aufnahme aller jener Beweise, die objektiv geeignet sind, über den "für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt" einen Beweis zu liefern, einsetzen darf und eine vorgreifende (antizipierende) Beweiswürdigung, die darin besteht, daß der Wert eines Beweises abstrakt (im vorhinein) beurteilt wird, unzulässig ist (Erkenntnis vom 9. Juni 1950, Slg. N.F. Nr. 1497/A, vom 25. Februar 1969, Zl. 1214/68, vom 18. Dezember 1978, Zl. 2470/78, und vom 15. Mai 1981, Zlen. 3845/80, 3846/80). Denn es ist weder das von der belangten Behörde gebrauchte - im Hinblick auf § 19 Abs. 1 SHG aber zumindest mißverständliche - Argument, der Bürgermeister von A sei für Heimunterbringungen im Zuge der Sozialhilfe nicht zuständig, noch der Hinweis darauf, daß Unterbringungen in Altersheimen nicht dadurch beeinflußt worden seien, daß immer wieder Unterkunftslose in Wohnwagen neben dem Gasthof H logierten, geeignet, die Behauptung des Beschwerdeführers, der Bürgermeister von A habe ihm gegenüber im Zeitpunkt der Stellung des Sozialhilfeantrages erklärt, seine Unterbringung in einem Altersheim sei aus Platzgründen nicht möglich, von vornherein als unbeachtlich abzutun. Vielmehr könnte ein derartiges Beweisergebnis im Zusammenhang mit sonstigen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens - insbesondere nach Überprüfung ob im maßgeblichen Zeitpunkt wirklich konkrete Plätze in einem Altersheim (z. B. im Altersheim G in A) frei waren - zu anderen Feststellungen in diesem entscheidungswesentlichen Punkt führen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer zu späteren Hilfsangeboten eine Stellungnahme abgelehnt habe, da die Ablehnung eines dem Beschwerdeführer nach der Antragstellung gemachten Angebotes, ihn in einem Altersheim unterzubringen, - nach den zu Punkt 4) dargelegten rechtlichen Grundsätzen - keinesfalls die Abweisung seines Sozialhilfeantrages auch für die Zeit vor diesem Zeitpunkt rechtfertigen könnte.

4.1. Gegen die oben wiedergegebene rechtliche Wertung des festgestellten Sachverhaltes durch die belangte Behörde wendet der Beschwerdeführer 1. ein, es sei im Verfahren nie durch Gutachten geklärt worden, ob eine Unterbringung in einem Altersheim für einen fünfzigjährigen Mann eine geeignete Lösung darstelle, insbesondere, wenn dieser eine kompliziertere Persönlichkeitsstruktur aufweise, 2. hätte auf Grund der nunmehr angenommenen Hilfsbedürftigkeit des Beschwerdeführers der Spruch völlig anders bzw. positiv ausfallen müssen. Er hätte dann die von der belangten Behörde ins Auge gefaßten Sozialhilfemaßnahmen "enthalten" können. In der ursprünglichen Berufungsentscheidung der belangten Behörde aus dem Jahre 1973 hätte der Spruch lauten müssen, daß dem Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Sozialhilfeleistung entsprochen werde. Nach dieser bescheidmäßigen Erledigung, wie sie dem Beschwerdeführer zugestanden hätte, hätte dieser zu diesem Angebot Stellung beziehen müssen. Dazu sei es jedoch auf Grund des verfehlten Spruches nicht gekommen. Beide Einwände sind unbegründet.

4.2.1. Ist eine Person hilfsbedürftig im Sinne des § 1 Abs. 3 lit. a SHG und hat sie demnach gemäß § 1 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 1 lit. a, 5 leg. cit. Anspruch auf Sozialhilfe (d.h. auf eine staatliche Hilfe zur Selbsthilfe zwecks Führung eines menschenwürdigen Lebens) in der Art der Gewährung des ausreichenden Lebensunterhaltes (davon geht die belangte Behörde bei ihrer Argumentation zumindest hypothetisch aus), so ist bei der Gewährung dieser Art von Sozialhilfe - mangels einer gesetzlichen Einschränkung - sowohl hinsichtlich der Form als auch in bezug auf das Ausmaß der Sozialhilfe auf die in § 2 normierten "Grundsätze für die Gewährung der Sozialhilfe" zu achten. Die Behörde hat daher bei der Ausübung des ihr nach § 8 Abs. 1 erster Satz leg. cit. eingeräumten Auswahlermessens hinsichtlich der Form der Sozialhilfe (Geldleistungen, Sachleistungen oder persönliche Hilfe) "nach Maßgabe des Einzelfalles darauf Bedacht zu nehmen", "daß bei möglichst geringer Einflußnahme auf die Lebensverhältnisse des Hilfsbedürftigen und seiner Familie sowie bei möglichst zweckmäßigem, wirtschaftlichem und sparsamem Aufwand der Hilfsbedürftige zur Selbsthilfe befähigt wird und eine gründliche und dauernde Beseitigung der Hilfsbedürftigkeit zu erwarten ist." Unabhängig von der Frage, welche Rechtsfolgen überhaupt die Ablehnung einer bestimmten, von der Behörde in Erwägung gezogenen Form der Sozialhilfe zur Gewährung des ausreichenden Lebensunterhaltes durch einen Hilfsbedürftigen vor der Bescheiderlassung hat (dazu unter 4.3.), ist deshalb die auf die Ablehnung eines solchen Angebotes gestützte Abweisung eines Antrages auf Sozialhilfe zur Gewährung des ausreichenden Lebensunterhaltes im Sinne des Art. 130 Abs. 2 B-VG jedenfalls dann rechtswidrig, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensübung auf die in § 2 Abs. 4 leg. cit. genannten Umstände nicht Bedacht genommen und insofern vom Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat oder wenn eine diesbezügliche Prüfung mangels ausreichender Klärung des Sachverhaltes oder mangels Aufzeigens der für die Ermessensübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen nicht möglich ist.

4.2.2. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde ihre Auffassung, es sei das nach den getroffenen Feststellungen vorgenommene Angebot der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem Altersheim ein nach dem Sozialhilfegesetz "konkretes und brauchbares Sozialhilfeangebot" gewesen, im wesentlichen damit begründet, daß durch dieses Angebot die "durch Verschlimmerung des Krankheitszustandes und durch Eintritt der vollen Arbeitsunfähigkeit verschärfte" Hilfsbedürftigkeit "jeder Art" und "welchen Grades auch immer" (zu ergänzen: und nicht nur die vom Beschwerdeführer ursprünglich behauptete, in der mangelnden Unterkunft und dem erhöhten Ernährungsaufwand zufolge Bedarfes nach einer Schon- und Diätkost gelegene Hilfsbedürftigkeit) "optimal", "am besten und nachhaltigsten" behoben worden wäre. Die belangte Behörde ging demnach bei der rechtlichen Wertung des festgestellten Sachverhaltes nicht nur davon aus, daß die als erwiesen erachteten konkreten Angebote der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem Altersheim aus objektiver Sicht geeignet gewesen wären, die Hilfsbedürftigkeit des Beschwerdeführers "gründlich und dauernd" zu beseitigen, sondern brachte auch klar zum Ausdruck, daß ihrer Auffassung nach durch diese Form der Sozialhilfe seine bestehende Notlage "optimal", d. h. unter Bedachtnahme auf den Einzelfall "am besten und nachhaltigsten" behoben worden wäre. Damit hat die belangte Behörde aber einerseits in einer den Darlegungen zu Punkt 4.2.1. entsprechenden und ausreichenden Weise dargetan, aus welchen Erwägungen sie die Altersheimunterbringung des Beschwerdeführers als geeignete Form der Sozialhilfe ansah. Andererseits vermag der Verwaltungsgerichtshof in dieser Ermessensübung aus nachstehenden Gründen auch keine Rechtswidrigkeit zu erblicken:

4.2.3. Der Beschwerdeführer hat gegen die Eignung der Altersheimunterbringung zur Beseitigung der behaupteten Notlage im Verwaltungsverfahren (nämlich in seiner Vernehmung am 10. Mai 1977 oder an einem der im Protokoll angeführten folgenden Tage) lediglich vorgebracht, die Altersheimunterbringung wäre auf Grund seines damaligen Gesundheitszustandes - er sei damals "total mit den Nerven herunter" gewesen - nicht "tragbar" gewesen. Auf seine "komplizierte Persönlichkeitsstruktur", die nach dem Beschwerdevorbringen einer Altersheimunterbringung entgegengestanden haben soll, hat er erstmals in der Beschwerde hingewiesen, weshalb darauf zufolge des im verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bestehenden Neuerungsverbotes nicht einzugehen war. Die angebliche Untragbarkeit einer Altersheimunterbringung wegen nervlicher Belastung ist aber ebensowenig wie das Alter des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Einbringung des Sozialhilfeantrages (er stand damals im 50. Lebensjahr) geeignet, einen Ermessensfehler der belangten Behörde aufzuzeigen. Bedenkt man nämlich, daß der nach seiner Behauptung arbeitsunfähige und kranke Beschwerdeführer im relevanten Zeitraum - wiederum nach seiner eigenen Darstellung - in verschiedenen Gasthäusern Aufenthalt nehmen, bisweilen sogar im Freien nächtigen mußte (wodurch zweifellos die behauptete nervliche Belastung entscheidend mitverursacht wurde), die angebotene Form der Sozialhilfe seine vor allem in der fehlenden Unterkunft und der Notwendigkeit der Diätverpflegung bestehende Hilfsbedürftigkeit beseitigt hätte (er selbst gestand in der obgenannten Vernehmung zu, daß "jede andere Unterkunft dem Schlafen im Freien vorzuziehen gewesen wäre") und daher - gegenüber der fehlenden Unterkunft - die Lebensverhältnisse des Beschwerdeführers nur günstig beeinflußt hätte und diese Form der Sozialhilfe schließlich gegenüber anderen im Beschwerdefall möglichen Formen der Sozialhilfe (z. B: von Geldleistungen zur Deckung der tatsächlichen Auslagen für die Unterkunft) wohl auch die sparsamere Variante gewesen wäre, so kann in den oben wiedergegebenen Erwägungen der belangten Behörde kein Ermessensfehler erblickt werden.

4.3. Unberechtigt ist aber auch der unter Punkt 4.1. angeführte zweite Einwand des Beschwerdeführers gegen die rechtliche Bewertung des festgestellten Sachverhaltes durch die belangte Behörde. Denn unter Beachtung der Darlegungen zu Punkt

4.2. kann in der Abweisung eines Antrages auf Sozialhilfe zur Gewährung des Lebensunterhaltes dann keine Rechtswidrigkeit erblickt werden, wenn und insofern der Hilfsbedürftige ein ihm von der Behörde gemachtes ernstliches und konkretes Angebot einer bestimmten, den obgenannten Grundsätzen des § 2 Abs. 4 leg. cit. entsprechenden Form der Sozialhilfe zur Gewährung des Lebensunterhaltes ausdrücklich abgelehnt hat. Einer "bescheidmäßigen" Zuerkennung dieser Form der Sozialhilfe bedarf es dann nicht mehr, da zwar in der Ablehnung der dem Hilfsbedürftigen angebotenen geeigneten Form der Sozialhilfe entgegen der Auffassung der belangten Behörde kein Verzicht auf Sozialleistungen schlechthin gesehen werden kann, er dadurch aber doch zu erkennen gegeben hat, daß er mit einer Beseitigung seiner Hilfsbedürftigkeit durch diese Form der Sozialhilfe nicht einverstanden ist. Unter der (nach Punkt 3. zum Teil allerdings noch klärungsbedürftigen) Voraussetzung, daß der Beschwerdeführer in der Tat ein ihm von der "Gemeinde" (§ 19 Abs. 1 leg. cit.) oder/und der erstinstanzlichen Behörde (§§ 4 Abs. 2, 15 Abs. 1 leg. cit.) gemachtes ernstliches und konkretes, den Grundsätzen des § 2 Abs. 4 leg. cit. entsprechendes Angebot auf Unterbringung in einem bestimmten Altersheim ausdrücklich abgelehnt haben sollte, wäre daher die Abweisung seines Sozialhilfeantrages - für jenen Zeitraum oder jene Zeiträume, in dem (in denen) seine behauptete (von der belangten Behörde aus rechtlichen Gründen nicht überprüfte) Hilfsbedürftigkeit durch die in Aussicht genommene, mögliche und im dargelegten Sinn geeignete Unterbringung in einem bestimmten Altersheim zur Gänze beseitigt worden wäre - nicht als rechtswidrig zu erachten.

5. Da somit der angefochtene Bescheid mit den in Punkt 3. dargelegten Mängeln behaftet ist, war er gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I lit. A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 1. Dezember 1981

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