VwGH 2014/16/0003

VwGH2014/16/000327.5.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über den Antrag der G Ges.m.b.H. als Rechtsnachfolgerin der K GmbHvertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand AG Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der mit Verfügung vom 13. Dezember 2013 gesetzten Frist zur Behebung von Mängeln der zu Zl. 2013/16/0223 protokollierten Beschwerde betreffend Gesellschaftsteuer, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37;
AVG §46;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §62 Abs1;
ZPO §274 Abs1;
AVG §37;
AVG §46;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §62 Abs1;
ZPO §274 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Verfügung vom 13. Dezember 2013, 2013/16/0223, stellte der Verwaltungsgerichthof der Antragstellerin die drei Ausfertigungen des von ihr eingebrachten Beschwerdeschriftsatzes samt Beilagen (Kopien des angefochtenen Bescheides) gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Behebung von Mängeln zurück. Dabei wurde der Antragstellerin u.a. aufgetragen, die zurückgestellte Beschwerde samt ihren Ausfertigungen und Beilagen auch dann wieder vorzulegen, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht wird. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass die Versäumung der Frist als Zurückziehung der Beschwerde gilt.

Innerhalb offener Frist brachte die Antragstellerin den als "Ergänzender Schriftsatz" bezeichneten Schriftsatz vom 30. Dezember 2013 ein. Diesem Schriftsatz waren die zurückgestellte Beschwerde samt ihren Ausfertigungen nicht angeschlossen.

Mit Beschluss vom 30. Jänner 2014 stellte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren über die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 und § 33 Abs. 1 VwGG - gemäß § 79 Abs. 1 VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung - ein, weil die Antragstellerin der an sie ergangenen Aufforderung zur Mängelbehebung dadurch nicht fristgerecht nachgekommen sei, dass sie die zurückgestellte Beschwerde samt ihren Ausfertigungen nicht wieder vorgelegt habe.

In ihrem - innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Beschlusses vom 30. Jänner 2014 eingebrachten - Schriftsatz begehrt die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der mit Verfügung vom 13. Dezember 2013 gesetzten Frist zur Mängelbehebung mit folgender Begründung:

"Dass im konkreten Fall die zurückgestellte Beschwerde samt ihren Ausfertigungen nicht wieder vorgelegt wurde, ist auf ein Versehen einer Kanzleimitarbeiterin der (Beschwerdevertreterin) zurückzuführen.

Der ergänzende Schriftsatz wurde am 30.12.2013 vormittags durch einen Wirtschaftsprüfer/Steuerberater der (Beschwerdevertreterin) fertiggestellt. Ausdrücklich wurde gegenüber der Kanzleimitarbeiterin darauf hingewiesen, dass die zurückgestellte Beschwerde samt ihren Ausfertigungen und Beilagen gemeinsam mit dem Schriftsatz zur Post zu geben ist. Die Beilagen zum ergänzenden Schriftsatz sind auch auf der ersten Seite rechts unten angeführt. Irrtümlicherweise ist das in weiterer Folge unterblieben.

Die bisher seit September 2007 im Unternehmen tätige und äußerst zuverlässige Kanzleimitarbeiterin hat bislang ihre Aufgabe zu vollständigen Zufriedenheit erfüllt und insbesondere die ihr gegebenen Anordnungen verlässlich befolgt. Es bestand daher im konkreten Fall kein Anlass, noch eine Überprüfung des Umfangs der tatsächlich zur Post gegebenen Schriftstückes vorzunehmen.

Im Bürobetrieb ist ein wirksames Fristenkontrollverfahren eingerichtet. In die Evidenz der Steuertermine sind alle Termine und Fristen aufzunehmen, die sich auf Grund der Gesetze, auf Grund von Anträgen oder auf Grund von Einzelbescheiden ergeben (insbesondere Erklärungs-, Vorhalt-, Beantwortungs- und Rechtsmitteltermine). Der (die) für die Bearbeitung der Eingangspost zuständige Mitarbeiter(In) ist dafür verantwortlich, dass alle Poststücke, aus denen steuerliche Termine oder Fristen abzuleiten sind, vor der Verteilung an das jeweils zuständige Geschäftsführungs-Sekretariat an die Terminevidenzstelle gelangen und dass die Termine dort in Evidenz genommen werden.

Auf den Schriftstücken ist durch Stempelaufdruck kenntlich zu machen, dass der Termin, der sich auf Grund des Schriftstückes ergibt, in Evidenz genommen wurde.

Zur Sicherung der Vollständigkeit der Terminevidenz haben alle Mitarbeiter, denen einschlägige Schriftstücke direkt übergeben wurden, diese der Poststelle zur Registrierung als Eingangspost zu übergeben und insbesondere darauf zu achten, dass die erforderlichen Terminvormerkungen vorgenommen werden.

Jeder fachliche Mitarbeiter hat zu kontrollieren, ob auf Schriftstücken, die Terminfolgen haben, der Vermerk über die Terminevidenz angebracht ist; er ist für die Terminerfassung mitverantwortlich.

Die für die Bearbeitung der Ausgangspost zuständige Sekretärin hat dafür zu sorgen, dass alle Schriftstücke, aus denen sich Veränderungen von Terminen oder Fristen ergeben (Terminverlängerungsansuchen, Rechtsmittel uä), der Terminevidenzstelle zugeleitet werden, damit dort die entsprechenden Vormerkungen vorgenommen werden können.

Der/die zuständige SachbearbeiterIn wird jeden Freitag mittels E-Mail durch den Fristencontroller automatisch von den in Evidenz befindlichen Terminen informiert. Ein Termin kann erst durch Nachweis des ausgehenden Schriftverkehrs oder aus anderen Unterlagen aus der Evidenz genommen werden. Im Zweifel ist der/die zuständige SachbearbeiterIn zu kontaktieren, bevor ein Termin gelöscht wird.

Wenn der/die zuständige SachbearbeiterIn drei Tage vor Ablauf der Frist keine Rückmeldung an die Terminevidenzstelle erstattet hat, hat die für die Terminevidenz verantwortliche Sekretärin den zuständigen (aufsichtsführenden) Partner zu informieren und durch direkten Kontakt mit Sachbearbeiter und Partner oder - bei deren Abwesenheit - mit anderen fachlich zuständigen Mitarbeitern dafür zu sorgen, dass keine Fristversäumnis eintritt.

Sämtliche ausgehenden Poststücke werden versandfertig gesetzt. Das zB kuvertierte Schriftstück geht mit einer 'Tageskopie' zur Poststelle und wird von dieser vor Verlassen des Hauses endgültig als versendet ausgetragen.

Dieses Fristenkontroll- und Versandverfahren wurde im konkreten Fall eingehalten, sodass der ergänzende Schriftsatz innerhalb der gesetzten Frist versandt wurde. Trotz der gegebenen Anweisung hinsichtlich des Umfangs der zu versendenden Beilagen wurde zurückgestellte Beschwerde samt ihren Ausfertigungen und Beilagen nicht beigelegt. Dieses Versehen einer sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten war nicht vorhersehbar, weil das bisherige dienstliche Verhalten der Kanzleiangestellten keine Indizien dafür bot, dass sie die gegebene Anordnung missachten würde. Eine Kontrolle des Versandvorgangs hinsichtlich des Umfangs der zu versendenden Schriftstücke, also einer rein manipulativen Tätigkeit, durch eine sonst zuverlässige Kanzleiangestellte, ist einem Parteienvertreter, auch im Hinblick auf die zuvor gegebene ausdrückliche Anordnung, nicht zumutbar, will man die Sorgfaltspflicht nicht überspannen.

Wir stellen daher den Antrag,

..."

Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei nach §§ 46 Abs. 1 VwGG - vorliegend in Verbindung mit § 79 Abs. 11 VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung - auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach Abs. 3 leg. cit. ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

§ 46 VwGG enthält keine Anordnung darüber, nach welchem Beweismaß der Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen hat, ob die in dieser Bestimmung umschriebenen Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorliegen, bzw. wie er bei der Beweisaufnahme vorzugehen hat. Damit kommt der Verweis des § 62 Abs. 1 VwGG zum Tragen, wonach in Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof - subsidiär - das AVG Anwendung findet.

In Ansehung eines vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängigen Wiedereinsetzungsverfahrens ist dieser Verweis infolge der Vergleichbarkeit der Interessenslagen als solcher auf die Bestimmung des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG zu verstehen, was zur Folge hat, dass die Partei auch in einem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Wiedereinsetzungsantrag das Vorliegen der behaupteten Wiedereinsetzungsgründe glaubhaft zu machen hat (vgl. die hg. Beschlüsse vom 11. Juli 2000, Zl. 2000/16/0311, und vom 15. März 2001, Zl. 2001/16/0136, mwN).

Das AVG selbst trifft keine Regelungen des Verfahrens zur Glaubhaftmachung von Tatsachen enthält. Es liegt jedoch nahe, dass der Gesetzgeber des AVG den Begriff der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) im Sinne der ZPO verstanden hat, sodass bei einem Verfahren zur Glaubhaftmachung von Wiedereinsetzungsgründen im Sinne des § 71 AVG und - wie oben ausgeführt - auch im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG nach Verfahrensregeln, wie sie im § 274 Abs. 1 ZPO für das zivilgerichtliche Verfahren normiert wurden, vorzugehen ist. Darnach kann sich, wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat (Bescheinigung), hiezu aller Beweismittel mit Ausnahme der eidlichen Vernehmung der Parteien bedienen; eine Beweisaufnahme, die sich nicht sofort ausführen lässt, eignet sich nicht zum Zwecke der Glaubhaftmachung. Zur Erfüllung der die Partei treffenden Obliegenheit, den behaupteten Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen, ist es erforderlich, ladungsfähige Adressen der vom Wiedereinsetzungswerber zur Bescheinigung seines Vorbringens geführten Personen anzugeben (vgl. den zitierten Beschluss vom 15. März 2001).

Im vorliegenden Fall hat sich die Antragstellerin auf die Behauptung von Tatsachen beschränkt, ohne den Namen, geschweige denn eine ladungsfähige Anschrift der in Rede stehenden Kanzleimitarbeiterin oder des oder der "SachbearbeiterIn" bekannt zu geben. Auch andere Bescheinigungsmittel, wie etwa schriftliche (gemeiniglich "eidesstättige") Erklärungen, wurden weder vorgelegt noch angeboten.

Eine Bescheinigung des Wiedereinsetzungsvorbringens liegt damit nicht vor (vgl. den zitierten Beschluss vom 15. März 2001).

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist konnte daher schon deshalb nicht stattgegeben werden.

Wien, am 27. Mai 2014

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