VwGH 2000/16/0311

VwGH2000/16/031111.7.2000

.bet Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über den Antrag der I KEG in S, vertreten durch Dr. Erich Janovsky, Rechtsanwalt in Schwaz, Innsbrucker Straße 9, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Mängelbehebung im hg. Verfahren Zl. 99/16/0438 sowie über die mit dem Antrag verbundene Beschwerde der Ical KEG in Schwaz gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 24. Juni 1998, GZ Ib 8237/3, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen und die Beschwerde gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 24. Juni 1998, GZ Ib 8237/3, wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Verwaltungsgerichtshof forderte die Beschwerdeführerin mit Mängelbehebungsauftrag vom 6. Dezember 1999, Zl. 99/16/0438-2, nach Ablehnung und Abtretung der zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde auf, näher bezeichnete Mängel der Beschwerde innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zustellung der Aufforderung zu beheben. Es wurde in dieser dem Beschwerdevertreter am 14. Dezember 1999 zugestellten Aufforderung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Versäumung der Frist als Zurückziehung der Beschwerde gelte.

Mit einem weiteren, aber mit dem Mängelbehebungsauftrag zugestellten Schreiben erging die Aufforderung, das festgestellte Stempelgebrechen in der vom Verfassungsgerichtshof abgetretenen Beschwerdesache binnen vier Wochen durch Nachreichung von S 2.500,-- in Bundesstempelmarken oder durch postalische Bareinzahlung zu beheben.

Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof am 20. Dezember 1999 eingelangten Schreiben vom 16. Dezember 1999 wurden die Stempelmarken im Wert von S 2.500,-- nachgereicht. Die aufgetragene Mängelbehebung unterblieb.

Mit dem der Beschwerdeführerin am 29. März 2000 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Jänner 2000, Zl. 99/16/0438-5, stellte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG ein, weil die Beschwerdeführerin der Mängelbehebung nicht fristgerecht nachgekommen sei.

Mit Schriftsatz vom 11. April 2000 (beim Verwaltungsgerichtshof am 12. April eingelangt) stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 46 VwGG und holte die versäumte Mängelbehebung nach.

Der Wiedereinsetzungsantrag wurde wie folgt begründet:

"Von der bereits über 20 Jahren in der Kanzlei tätigen Sekretärin .... wurde der Erledigungstermin ordnungsgemäß zum 4. Jänner 2000 eingetragen. Von dieser wurde in der Folge auch die Terminvormerkung ausgetragen und zwar einschließlich der Aufforderung der Mängelbehebung. Dieser Irrtum kam insbesondere deshalb zustande, weil die Mängelhebungsaufforderung vom 6.12.1999 von der Aufforderung über das Zahlungsgebrechen vom 13.12.1999 überdeckt war. Bei (der Sekretärin) handelt es sich um eine äußerst verlässliche Mitarbeiterin in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers und werden von dieser auch immer ordnungsgemäß die Fristeneintragungen einerseits vorgenommen, demgemäß auch die Austragungen und stellte dieses Versehen eine Einmaligkeit dar. Die Beschwerdeführerin war sohin durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Fristwahrung gehindert und konnte und musste sie auch nicht damit rechnen, dass seitens ihres Vertreters die Frist versäumt wird bzw. konnte sich der Rechtsvertreter der beklagten Partei auf die ordnungsgemäßen Eintragungen und Austragungen durch (die Sekretärin) verlassen. Es kann sohin davon ausgegangen werden, dass es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt, zumal auch ordnungsgemäß innerhalb der gesetzten Frist der Betrag von S 2.500,-- an Bundesstempel entrichtet wurde."

Als Bescheinigungsmittel waren dem Schriftsatz eine Kopie des Vormerkkalenders mit der Seite des 4. Jänner 2000 "mit Abdeckungen" und die Erklärung der Sekretärin vom 11. April 2000, in der diese die Richtigkeit der im Wiedereinsetzungsantrag angeführten Umstände bestätigte, beigelegt.

Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei gemäß § 46 Abs. 1 VwGG auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wurde (vgl. hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1996, Zl. 96/13/0173).

Der behauptete Wiedereinsetzungsgrund ist im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen und es sind bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beizubringen (vgl. hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1988, Zl. 87/16/0003).

Der Wiedereinsetzungsantrag stützt sich ausschließlich darauf, dass der "Irrtum" insbesondere deshalb zustande gekommen sei, "weil die Mängelbehebungsaufforderung vom 6.12.1999 von der Aufforderung über das Zahlungsgebrechen vom 13. 12. 1999 überdeckt" gewesen sei.

An die Beschwerdeführerin sind zu Handen des Rechtsvertreters zwei getrennte Schreiben des Verwaltungsgerichtshofes - ein Mängelbehebungsauftrag und eine Aufforderung zur Behebung des Stempelgebrechens - mit einer Erledigungsfrist von jeweils vier Wochen ergangen. Diese Schreiben wurden am 14. Dezember 1999 in einer Sendung zugestellt. Die Frist wäre demnach in beiden Fällen am 11. Jänner 2000 abgelaufen. Als Termin für die Erledigung wurde in den Vormerkkalender jedoch der 4. Jänner 2000 - eine Woche vor Ablauf der Frist von vier Wochen - eingetragen. Die Behebung des Stempelgebrechens erfolgte bereits mit Schreiben vom 16. Dezember 1999.

Die Behauptung im Wiedereinsetzungsantrag, die Mängelbehebungsaufforderung sei von der Aufforderung über das Zahlungsgebrechen überdeckt worden, bedeutet, dass die Sekretärin von den beiden Aufforderungsschreiben des Verwaltungsgerichtshofes nur eines gesehen hat und daher nur die Frist für die Behebung des Stempelgebrechens eingetragen hat. Dafür spricht auch die - kaum lesbare - Eintragung in dem vom Beschwerdevertreter in Kopie übermittelten Vormerkkalenderseite für den 4. Jänner 2000, aus der zu ersehen ist, dass die damalige Beschwerdeführerin und S 2.500,-- eingetragen ist, ein Vermerk über eine Mängelbehebung ist nicht zu ersehen. Im Falle der "Überdeckung" ist dann die weitere Behauptung im Wiedereinsetzungsantrag, es sei von der Sekretärin die Terminvormerkung einschließlich der Aufforderung zur Mängelbehebung ausgetragen worden, nicht nachvollziehbar. Hat sie nämlich die Aufforderung zur Mängelbehebung wegen "Überdeckung" dieses Schreibens des Verwaltungsgerichtshofes gar nicht zur Kenntnis genommen, so hat sie diese Mängelbebebungsfrist nicht eingetragen und sie konnte sie letztendlich auch nicht austragen.

Wurde jedoch die Mängelbehebungsfrist eingetragen dann konnte der Mängelbehebungsauftrag von dem Schreiben über das Stempelgebührengebrechen nicht überdeckt gewesen sein. Für diesen Fall bleibt aber im Wiedereinsetzungsantrag unbegründet, aus welchen Gründen die Fristvormerkung vom 4. Jänner 2000, ohne Abfassung und Versendung eines Mängelbehebungsschriftsatzes, gestrichen worden ist.

In einer Rechtsanwaltskanzlei ist für die richtige Berechnung der jeweiligen verfahrensrechtlich bedeutsamen Frist in einem bestimmten Fall stets der Anwalt und nicht etwa der Kanzleiangestellte allein verantwortlich, der den Termin weisungsgemäß in den Kalender einträgt. Der Anwalt selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm dabei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumnis auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden, welches sich gegen die von ihm vertretene Partei auswirkt.

Das Versehen eines Kanzleiangestellten ist für einen Rechtsanwalt und damit für die von ihm vertretene Partei nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das ohne sein Verschulden die Einhaltung der Frist verhinderte, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleiangestellten nachgekommen ist.

Der Rechtsanwalt muss gegenüber seiner Kanzlei als seinem Hilfsapparat, dessen er sich bei Wahrnehmung der ihm durch Bevollmächtigungsvertrag übertragenen Aufgaben bedient, alle Vorsorgen treffen, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorgen nicht in der Art und in dem Maß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumnis im Sinne des § 46 VwGG in Betracht. Insbesondere muss der betroffene Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von mit Präklusion sanktionierten Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen unter anderem dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt danach auch dann gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen wirksame Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters geeignet sind, Fristversäumungen auszuschließen. Der Antragsteller hat seinen Antrag in Hinsicht auf die Erfüllung der nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht seiner Büroangestellten zu substantiieren. Allgemeine Behauptungen genügen nicht (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, angeführte Rechtsprechung zu § 71 AVG).

Nach der Darstellung im Wiedereinsetzungsantrag überließ der Beschwerdevertreter die Sichtung der einlangenden Poststücke und die Entscheidung über deren weitere Behandlung der Sekretärin. Der Beschwerdevertreter behauptet nämlich gar nicht, die ihm vom Verwaltungsgerichtshof zugestellten Schriftstücke selbst gesehen oder gelesen und Entscheidungen getroffen zu haben. Hatte im Kanzleibetrieb des Beschwerdevertreters die Sekräterin die geschilderten Aufgaben wahrzunehmen, dann wäre jedenfalls ihre Tätigkeit auch zu überwachen gewesen. Der Beschwerdevertreter legt aber nicht einmal dar, ein Kontrollsystem überhaupt eingerichtet zu haben und der gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seiner Sekretärin nachgekommen zu sein.

Daraus ergibt sich die mangelnde Glaubhaftmachung im Wiedereinsetzungsantrag dafür, dass der Beschwerdevertreter durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert war, die Frist einzuhalten, und ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Wiedereinsetzungsantrag war daher abzuweisen und die Beschwerde zurückzuweisen.

Wien, am 11. Juli 2000

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