VwGH 2013/22/0259

VwGH2013/22/025910.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des C, vertreten durch Dr. Manuela Maurer-Kollenz, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rockhgasse 6/4, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 27. Juni 2013, Zl. 157.765/6- III/4/13, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
NAG 2005 §44b Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §68 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
NAG 2005 §44b Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde die mit Bescheid vom 12. März 2013 in erster Instanz ausgesprochene Zurückweisung des am 7. November 2012 eingebrachten Antrages des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).

Begründend führte die belangte Behörde - auf das hier Entscheidungswesentliche zusammengefasst - aus, der Beschwerdeführer sei am 9. Mai 2004 in das Bundesgebiet eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Diesem Antrag sei letztlich im Instanzenzug mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16. März 2010 keine Folge gegeben und unter einem eine Ausweisung erlassen worden.

Am 22. Juli 2010 habe der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft L einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt. Dieser Antrag sei in erster Instanz mit Bescheid vom 12. November 2010 als unzulässig zurückgewiesen worden. Die dagegen erhobene Berufung habe die belangte Behörde mit Bescheid vom 13. April 2011 abgewiesen.

Den hier gegenständlichen Antrag habe der Beschwerdeführer am "8. November 2012" eingebracht. Diesen Antrag habe er (ua.) damit begründet, dass er sich bemüht hätte, sich "sowohl sozial und sprachlich, als auch beruflich in Österreich zu integrieren". Er hätte "zwischenzeitig ein Deutschzertifikat auf dem Niveau A2 erlangt". Weiters hätte er "eingewendet, dass angesichts der Aufnahme einer geregelten Arbeitstätigkeit und damit bewiesenen Selbsterhaltungsfähigkeit, Ihrem nachgewiesenen Erwerb der deutschen Sprache, sowie der sich durch den Zeitablauf von drei Jahren seit der Entscheidung des AGH vertieften sozialen Integration in Österreich, Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit beim Roten Kreuz und damit in Summe" ein seit der Erlassung der Ausweisung maßgeblich geänderter Sachverhalt vorläge.

Nach Wiedergabe der Bestimmung des § 44b Abs. 4 NAG und unter Hinweis darauf, dass es sich beim gegenständlichen Antrag um einen Folgeantrag handle, führte die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung aus, es sei schon nach den Ausführungen des Beschwerdeführers kein maßgeblich geänderter Sachverhalt hervorgekommen. Ein Aufenthaltstitel nach § 41a Abs. 9 NAG könne ihm daher nicht erteilt werden.

Im Rahmen der in Rechtskraft erwachsenen Ausweisungsentscheidung des Asylgerichtshofes vom 16. März 2010 sei bereits eine Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK durchgeführt worden. Liege eine rechtskräftige Ausweisung vor und sei aus dem begründeten Antragsvorbringen kein maßgeblich geänderter Sachverhalt ersichtlich, der einer Neubewertung im Hinblick auf Art. 8 EMRK bedürfe, könne die Behörde den Antrag zurückweisen. Die Behörde erster Instanz habe schon hinsichtlich des am 22. Juli 2010 vom Beschwerdeführer gestellten Antrages anhand der Ausführungen des Beschwerdeführers keinen seit Erlassung der Ausweisung maßgeblich geänderten Sachverhalt erkannt und den damals gestellten Antrag mit Bescheid vom 12. November 2010 zurückgewiesen.

Es könne aber auch bei dem in weiterer Folge eingebrachten (hier gegenständlichen) "'Folgeantrag' vom 08.11.2012(.) im Hinblick auf das Privat- und Familienleben gemäß § 11 Abs. 3 NAG kein maßgeblich geänderter Sachverhalt erkannt werden". Der Antrag des Beschwerdeführers sei daher von der Behörde erster Instanz zu Recht zurückgewiesen worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (3. Juli 2013) nach den Bestimmungen des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 68/2013 richtet.

§ 41a Abs. 9 (samt Überschrift) sowie § 44b Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 NAG lauten:

"Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus'

§ 41a. ...

(9) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus' zu erteilen, wenn

1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt,

2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

3. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 14a) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausübt.

(10) ..."

"§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a Abs. 1 vor, sind Anträge gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn

1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, oder

2. ...

und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(2) ...

(4) Ein einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 (Folgeantrag) ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt."

Die Beschwerde führt - mit näherer Begründung - jene Umstände ins Treffen, aus denen sich ergebe, dass der Beschwerdeführer sowohl nach der Erlassung der Ausweisung als auch nach der in erster Instanz ausgesprochenen Zurückweisung seines früher gestellten Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Sachverhalte gesetzt habe, um seine Integration in Österreich zu verstärken. Das diesbezügliche Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Im Spruch des angefochtenen Bescheides wird nicht offengelegt, auf welche Bestimmung die belangte Behörde die Bestätigung der in erster Instanz erfolgten zurückweisenden Entscheidung stützt. Ungeachtet dessen geht aus den Ausführungen in der Begründung deutlich hervor, dass die belangte Behörde - anders als die Behörde erster Instanz, die die Zurückweisung nach dem Spruch ihres Bescheides auf § 44b Abs. 1 Z 1 und Z 3 NAG gestützt und in ihrer Begründung darauf abgestellt hatte, dass kein seit der rechtskräftigen Erlassung der Ausweisung maßgeblich geänderter Sachverhalt gegeben wäre - vom Vorliegen eines unzulässigen Folgeantrages iSd § 44b Abs. 4 NAG ausging.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Bestimmung des § 44b Abs. 4 NAG in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass ein auf eine rechtskräftige zurückweisende Erledigung gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG folgender neuerlicher Antrag nur dann gemäß § 44b Abs. 4 NAG zurückzuweisen ist, wenn seit der (vorangegangenen) erstinstanzlichen Zurückweisung nicht einmal für die Prognosebeurteilung maßgebliche Sachverhaltsänderungen eingetreten sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 2012, Zlen. 2012/22/0036 bis 0038).

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, das er durch die Vorlage entsprechender Urkunden bescheinigt und dessen Richtigkeit die belangte Behörde nicht in Abrede gestellt hat, ist zu entnehmen, dass er nach der Zurückweisung seines vorangegangenen - ebenfalls auf Art. 8 EMRK gestützten - Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Schritte gesetzt hat, um seine Integration voranzutreiben. Davon, dass seit der - mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft L vom 22. November 2010 ausgesprochenen - erstinstanzlichen Zurückweisung im vorangegangenen Aufenthaltstitelverfahren nicht einmal für die Prognosebeurteilung maßgebliche Sachverhaltsänderungen eingetreten wären, kann im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden; liegen doch nahezu sämtliche insoweit geltend gemachten Umstände zeitlich nach der Erlassung der angesprochenen zurückweisenden Entscheidung vom 22. November 2010.

Im Übrigen ist mit Blick auf die im gegenständlichen Verfahren von der Bezirkshauptmannschaft L in erster Instanz tragend auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG gestützte Antragszurückweisung ergänzend auszuführen, dass vor dem Hintergrund des seit 9. Mai 2004 währenden Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich, der mittlerweile seit dem Eintritt der Rechtskraft der Ausweisung (bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheides im gegenständlichen Verfahren) vergangenen Zeit von etwa drei Jahren und des Vorbringens des Beschwerdeführers, mit dem er aufzuzeigen sucht, dass er seine Integration in einer für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels relevanten, jedenfalls aber in einer eine neue inhaltliche Beurteilung bedingenden, Weise vorangetrieben habe, auch nicht davon ausgegangen werden kann, es sei fallbezogen beim nunmehr vorliegenden Sachverhalt - unter Bedachtnahme auf die gebotene Gesamtbetrachtung - eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK als nicht einmal zumindest möglich anzusehen (vgl. zu einem insoweit ähnlich gelagerten Fall und den Voraussetzungen für eine auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG gestützte Zurückweisung das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2013, Zlen. 2011/22/0133 und 0134).

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 10. Dezember 2013

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