VwGH 2013/15/0256

VwGH2013/15/025615.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Beschwerde der F-Privatstiftung in S, vertreten durch Dr. Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in 8970 Schladming, Martin-Luther-Straße 154, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom 29. Mai 2013, Zlen. RV/0541-S/11 und RV/0481-S/12, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2006 bis 2011, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §15 Abs3 Z2 litb idF 2003/I/071;
EStG 1988 §15 Abs3 Z2 litb idF 2003/I/071;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Die Beschwerdeführerin, eine Privatstiftung, erwarb im Jahr 2002 ein Grundstück um 288.000 EUR und errichtete darauf um 1,481.000 EUR ein Haus mit einer Gebäudefläche von ca. 370 m2 (Garage inklusive Lagerräume 127,39 m2, Wohnraum 243,89 m2) und einer Terrassenfläche von ca. 150 m2. Das Haus wurde 2006 weitgehend fertiggestellt und ab Juli 2006 an Friedrich E (Stifter und Stiftungsvorstandsmitglied) vermietet, der es gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, Heike K (Stifterin und Alleinbegünstigte), bewohnte.

2 Im Rahmen einer Außenprüfung, welche die Jahre 2002 bis 2004 sowie den Nachschauzeitraum Jänner bis Dezember 2005 umfasste und im Jahr 2006 durchgeführt worden ist, wurde die Vermietung als unternehmerische Tätigkeit und die vereinbarte Miete als angemessen beurteilt. Im Hinblick darauf wurden von Friedrich E geleistete Mietvorauszahlungen im Gesamtbetrag von 210.000 EUR der Umsatzsteuer unterzogen. Im Jahr 2009 fand eine weitere Außenprüfung betreffend die Jahre 2005 bis 2008 statt. Im Rahmen dieser Prüfung gelangte der Prüfer zur Überzeugung, dass die Beschwerdeführerin ein Grundstück erworben und darauf ein an den persönlichen Bedürfnissen der Stifter ausgerichtetes Haus errichtet habe. Das Haus sei nicht für Zwecke der Einnahmenerzielung errichtet worden, es liege keine steuerlich relevante, unternehmerische Betätigung vor.

3 Im Gefolge der im Jahr 2009 durchgeführten Außenprüfung ergingen u.a. Haftungsbescheide betreffend Kapitalertragsteuer für den Zeitraum Juli bis Dezember 2006 sowie Jänner bis Dezember 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011, mit welchen das Finanzamt die Beschwerdeführerin für die auf eine Vorteilszuwendung (in Form der unentgeltlichen Nutzung des von der Beschwerdeführerin errichteten Hauses) an die Alleinbegünstigte Heike K entfallende Kapitalertragsteuer in Anspruch nahm. Die Höhe der Zuwendung errechnete das Finanzamt mit dem Mittelwert zwischen der Summe der angefallenen Abschreibungen für Abnutzung inklusive einer "Verzinsung" (124.282,40 EUR) und einer fiktiven Jahresmiete (64.583,60 EUR), woraus sich eine Bemessungsgrundlage für die Kapitalertragsteuer von 94.433 EUR und eine Kapitalertragsteuer von 23.608,25 EUR (25%) pro Jahr ergab.

4 Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2011 berief die Beschwerdeführerin gegen die Haftungsbescheide betreffend Juli bis Dezember 2006 sowie Jänner bis Dezember 2007, 2008 und 2009, die am 28. April 2011 ergangen waren. Die Beschwerdeführerin sprach sich gegen die Nichtanerkennung des Mietverhältnisses aus. Sie brachte u.a. vor, Friedrich E und Heike K lebten seit Jahren in einer Partnerschaft, bewohnten gemeinsam das von der Beschwerdeführerin angemietete Haus, und die für die Jahre 2006 bis 2009 entrichtete Mietvorauszahlung von 116.281 EUR netto erfülle die Renditeerwartungen der Beschwerdeführerin. Aus der Sicht des Mieters seien zur Ermittlung der angemessenen Miete in erster Linie die Mieten für vergleichbare Objekte maßgeblich. Die Beschwerdeführerin habe die Mieten für vier Häuser in vergleichbarer Lage und ähnlicher Größe bekanntgegeben. Es bestehe kein wesentlicher Unterschied zu jener Miete, die Friedrich E und Heike K in Rechnung gestellt werde. Dem Schriftsatz lag eine Berechnung bei, laut der die mit der entrichteten Mietvorauszahlung erzielte Rendite 4,74 % (vor Steuern) betrage. Bei der Berechnung wurden die Anschaffungskosten für das Grundstück und die Herstellungskosten für das Haus um Darlehen und Mietvorauszahlungen vermindert, die von Friedrich E geleistet worden sind. Zudem wurden (prognostizierte) Preissteigerungen der in Rede stehenden Liegenschaft und der Baukosten in den auf den Beginn der Nutzung folgenden 20 Jahren berücksichtigt.

5 Mit Schriftsatz vom 3. August 2012 berief die Beschwerdeführerin weiters gegen die Haftungsbescheide betreffend Jänner bis Dezember 2010 und 2011, die am 29. Juni 2012 erlassen worden sind.

6 Das Finanzamt legte die Berufungen der belangten Behörde zur Entscheidung vor.

7 Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde - nach Durchführung weiterer Erhebungen und eines Vorhalteverfahrens - über die Berufungen gegen die Haftungsbescheide Juli bis Dezember 2006 sowie Jänner bis Dezember 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011 und änderte diese (teilweise zugunsten und teilweise zulasten) der Beschwerdeführerin ab. Die Beschwerdeführerin habe im März 2002 ein Grundstück erworben und darauf ein exklusives, nach den Vorstellungen von Friedrich E und Heike K geplantes, hochwertig ausgestattetes Haus errichtet, das einen Architekturpreis gewonnen habe. Das Haus sei in einigen Zeitschriften vorgestellt worden und mit den von der Beschwerdeführerin bekanntgegeben Häusern in ähnlicher Lage und Größe nicht vergleichbar. Die Anschaffungs- /Herstellungskosten hätten insgesamt 1,782.000 EUR (brutto) betragen. Die durchschnittlichen Herstellungskosten für Einfamilienhäuser seien erheblich überschritten worden. Die Finanzierung sei unter anderem durch Mittel erfolgt, die Friedrich E der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellt habe. Die Beschwerdeführerin habe die von Friedrich E zur Verfügung gestellten Mittel von insgesamt 1,050.000 EUR als Darlehen (840.000 EUR) und Mietvorauszahlung (210.000 EUR) bilanziert und die daraus resultierende Verbindlichkeit in den Jahren 2006 (15.750 EUR), 2007 (33.000 EUR), 2008 (33.573 EUR), 2009 (33.958 EUR), 2010 (37.107 EUR) und 2011 (37.107 EUR) mit Mieten von insgesamt 190.495 EUR saldiert. Die in den Jahren 2006 bis 2011 verrechnete Miete entspreche nicht den Renditeerwartungen eines fremden Investors und deute darauf hin, dass bei der Errichtung des Hauses die Versorgung von Friedrich E und Heike K mit repräsentativem Wohnraum im Vordergrund gestanden sei. Bei Investitionen von 1,782.000 EUR würde sich nach dem umgekehrten Ertragswertverfahren bei einem Liegenschaftszins von 1,5 % eine Renditeerwartung von 53.998,11 EUR jährlich und bei einem Liegenschaftszins von 4,75 % eine Renditeerwartung von 105.276,21 EUR jährlich ergeben. Da die Marktgängigkeit des von der Beschwerdeführerin errichteten Hauses aufgrund der persönlichen Note erheblich eingeschränkt sei, handle es sich beim hier in Rede stehenden Haus eindeutig um ein Sachwertobjekt, bei dem die Eigennutzung und nicht das Erwirtschaften von Erträgen im Vordergrund stehe. Bei einer solchen Konstellation komme als absolute Untergrenze nur der Vergleich mit der Kalkulation durch ein Immobilien-Leasing-Unternehmen in Betracht. Im Hinblick darauf sei der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren eine dem Immobilienleasing nachempfundene Kalkulation vorgehalten worden. Aufgrund dieser Kalkulation, der die Beschwerdeführerin dem Grunde nach nicht widersprochen habe, errechne sich für das in Rede stehende Haus ein laufender Vorteil (fiktive Leasingrate) von 7.881,85 EUR pro Monat bzw. 94.582,24 EUR pro Jahr. Der Kalkulation lägen eine Laufzeit des Leasingvertrages von 15 Jahren und ein Zinssatz von 4,75 % zugrunde. Im Jahr 2006 seien von den Herstellungskosten des Gebäudes zudem 15 % (189.540 EUR) als verlorener Bauaufwand in Abzug gebracht worden. Der Abschlag sei erforderlich gewesen, weil die Beschwerdeführerin das Streitobjekt nach den persönlichen Vorstellungen von Friedrich E und Heike K errichtet und damit Investitionen in Kauf genommen habe, die im Rahmen einer allfälligen Veräußerung nicht bzw. nur teilweise abgegolten würden. Der verlorene Bauaufwand stelle schon bei Bezug des Hauses "eine Zuwendung sui generis" an die Begünstigten dar, die 2006 der Kapitalertragsteuer zu unterziehen sei. Dass die Beschwerdeführerin die auf die verdeckte Zuwendung entfallende Kapitalertragsteuer getragen habe, sei als weiterer Vorteil anzusehen, der in die Berechnung der vorzuschreibenden Kapitalertragsteuer einzubeziehen sei.

8 Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihren Rechten verletzt, weil die belangte Behörde zu Unrecht bzw. in falscher Höhe ermittelte verdeckte Zuwendungen der Kapitalertragsteuer unterzogen habe.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Gemäß § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 idF des Euro-Steuerumstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 59/2001, bzw. § 27 Abs. 5 Z 7 idF des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, sind Zuwendungen jeder Art von nicht unter § 5 Z 6 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 fallenden Privatstiftungen Einkünfte aus Kapitalvermögen.

11 Nach § 93 Abs. 1 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum jeweils geltenden Fassung wird die Einkommensteuer bei inländischen Kapitalerträgen durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben. Inländische Kapitalerträge liegen nach § 93 Abs. 2 EStG 1988 idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201/1996 und des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, bei Zuwendungen jeder Art von nicht unter § 5 Z 6 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 fallenden Privatstiftungen vor, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat.

12 Die Bewertung einer Nutzungszuwendung erfolgt gemäß § 15 Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988 idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, mit dem Betrag, der dafür im Zeitpunkt der Zuwendung hätte aufgewendet werden müssen.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 23. Februar 2010, 2007/15/0003, u.a. ausgesprochen, dass die Höhe der angemessenen Miete daraus abgeleitet werden kann, "was unter einander fremd gegenüberstehenden Personen vereinbart worden wäre, und damit insbesondere auch daraus, was ein Investor als Rendite aus der Investition der konkret aufgewendeten Geldsumme erwartet". Im Erkenntnis vom 10. Februar 2016, 2013/15/0284, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf das Erkenntnis 2007/15/0003 klargestellt, dass mit der Renditeerwartung eines "marktüblich agierenden Immobilieninvestors" jene Rendite gemeint ist, "die üblicherweise aus dem eingesetzten Kapital durch Vermietung erzielt wird". Maßgeblich ist demnach jener Renditesatz der sich bei optimaler Veranlagung des Gesamtbetrages der Anschaffungs- und Herstellungskosten (gegebenenfalls des höheren Verkehrswerts des Objekts) in Immobilien ergibt, wobei nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen ein Renditezinssatz in der Bandbreite von 3 bis 5 % (idR in Abhängigkeit von den Marktverhältnissen beim Beginn der Vermietung) zu erzielen sein müsste. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten der Körperschaft mindern sich nicht um vom Stifter gewährte Darlehen (siehe etwa zu Herstellungskosten im Falle von Investitionszuschüssen aus privaten Mitteln VwGH vom 18. Jänner 1994, 90/14/0124, VwSlg 6855/F).

14 Eine solche abstrakte Renditeberechnung wäre allerdings dann nicht geboten, wenn es für das von der Körperschaft errichtete Mietobjekt in der gegebenen Bauart und Ausstattung einen funktionierenden Mietenmarkt gäbe, sodass ein wirtschaftlich agierender, (nur) am Mietertrag interessierter Investor Objekte vergleichbarerer Gediegenheit und Exklusivität (mit vergleichbaren Kosten) errichten und am Markt gewinnbringend vermieten würde, was vom Steuerpflichtigen nachzuweisen ist.

15 Bezogen auf den Beschwerdefall wär die Miete bei abstrakter Berechnung anhand eines Renditesatzes auf die Anschaffungs-/Herstellungskosten (für Grundstück und Baulichkeiten) von insgesamt 1,782.000 EUR, die entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung nicht um Darlehen und Mietvorauszahlungen zu kürzen sind, zu ermitteln.

16 Die belangte Behörde ging bei der Bewertung der hier in Rede stehenden Nutzungszuwendung von den Renditeüberlegungen eines Immobilien-Leasing-Unternehmens - im Falle eines Leasingvertrages mit einer fünfzehnjährigen Laufzeit und einem entsprechenden Restwert - aus und hat damit die Rechtslage verkannt. Abgesehen davon, werden allfällige Vorteile, die Friedrich E und Heike K daraus erwachsen, dass das in Rede stehende Objekt nach ihren Vorstellungen geplant und ausgestattet worden ist, (erst) pro rata temporis konsumiert und somit durch den laufenden Ansatz einer (investitionsbedingt) höheren Miete erfasst. Für die Berücksichtigung eines verlorenen Bauaufwandes im Jahr 2006 bleibt vor diesem Hintergrund kein Raum.

17 Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

18 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist (vgl. VwGH vom 26. November 2015, 2012/15/0152).

19 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 15. September 2016

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