VwGH 2013/15/0146

VwGH2013/15/014610.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des Z G in V, vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 20, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 13. Februar 2013, Zl. RV/0362-K/11 miterledigt RV/0016-K/11 und RV/0425-K/09, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2008, 2009 und 2010, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §16 Abs1;
EStG §20 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 lita;
EStG §20;
EStG §16 Abs1;
EStG §20 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 lita;
EStG §20;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Beschwerdeführer, ein kroatischer Staatsbürger, machte im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2008 und 2009 Werbungskosten und Sonderausgaben geltend.

2 Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 31. März 2009 erging erklärungsgemäß, wohingegen im Einkommensteuerbescheid 2009 vom 1. April 2010 die geltend gemachten Reisekosten in Höhe von 669,21 EUR lediglich mit einem Teilbetrag von 143,40 EUR anerkannt wurden.

3 Der Beschwerdeführer berief gegen die Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 und brachte in den Berufungen vor, bei der Veranlagung seien die - "glaublich" gar nicht entsprechend geltend gemachten - Kosten für die Familienheimfahrten an den Familienwohnsitz in Kroatien und die Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort in Österreich nicht berücksichtigt worden. Der Beschwerdeführer sei 2008 und 2009 regelmäßig zu seiner Ehefrau an den Familienwohnsitz in Kroatien gefahren. Am Beschäftigungsort in Österreich habe er eine kleine Mietwohnung bewohnt und dafür eine monatliche Miete von 200 EUR bezahlt.

4 Unter Bezugnahme auf die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer mit Vorhalt vom 5. Mai 2009 u.a. auf, alle Belege betreffend die Mietzahlungen vorzulegen und die weiteren geltend gemachten Werbungskosten und Sonderausgaben entsprechend nachzuweisen. Mit einem weiteren Vorhalt vom 13. August 2010, der zur Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 ergangen ist, wurde der Beschwerdeführer ersucht einen Nachweis über die Höhe der Einkünfte zu erbringen, die seine Ehefrau 2009 in Kroatien erzielt habe, und die Gründe anzuführen, warum ein Zuzug derselben nach Österreich noch nicht erfolgt sei.

5 Eine Beantwortung der Vorhalte erfolgte zunächst nicht. 6 Mit Berufungsvorentscheidungen gab das Finanzamt den Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 keine Folge, wobei es den Einkommensteuerbescheid 2008 zu Lasten des Beschwerdeführers abänderte, indem die Aufwendungen für Arbeitsmittel, Personenversicherung, Kirchenbeitrag und Wohnraumschaffung außer Ansatz blieben.

7 Am 10. Juli 2009 beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte aus, dass er von der Berücksichtigung der Aufwendungen für Arbeitsmittel und Wohnraumschaffung Abstand nehme. Stattdessen mache er Werbungskosten für die regelmäßigen Familienheimfahrten zur in Kroatien lebenden Ehefrau geltend. Die Entfernung zwischen Beschäftigungsort und Familienwohnsitz betrage ca. 300 Kilometer und werde jede zweite Woche mit dem eigenen Auto zurückgelegt. Zudem fielen für die Mietwohnung am Beschäftigungsort Werbungskosten an. Dem Vorlageantrag waren die Mietzahlungsbelege für die Monate Jänner bis Dezember 2008 beigelegt. Ergänzend legte der Beschwerdeführer eine Kopie seines Reisepasses vor.

8 Die Vorlage der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 an die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde am 15. Dezember 2010 beantragt. In diesem Vorlageantrag führte der Beschwerdeführer aus, die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich wäre mit erheblichen wirtschaftlichen bzw. finanziellen Nachteilen verbunden, weil die Lebenshaltungskosten in Kroatien erheblich unter jenen von Österreich lägen (etwa ein Drittel). Aufgrund der Lage in einem strukturschwachen Gebiet würde der Verkauf des Familienwohnsitzes in Kroatien zu erheblichen Vermögenseinbußen führen. Die Anschaffung einer adäquaten Wohnung am Beschäftigungsort in Österreich wäre aus dem Erlös nicht möglich. In weiterer Folge brachte er einen Grundbuchsbeschluss des Gemeindegerichtes K vom 4. November 2002 bei, laut dem er und seine Ehefrau jeweils Hälfteeigentümer einer Liegenschaft im Ausmaß von 478 m2 seien.

9 In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2010 vom 28. März 2011 machte der Beschwerdeführer wiederum Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung geltend. Der Erklärung legte er den Zulassungsschein für das von ihm verwendete Kraftfahrzeug der Marke VW Golf, zwei Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG, in welchen die Kilometerstände des Kraftfahrzeuges am 26. März 2009 (194.101) und am 4. Februar 2010 (215.879) ausgewiesen werden, und die Mietzahlungsbelege für die Monate Jänner bis Dezember 2010 bei. Unterlagen betreffend die Kilometerleistung (27.000) des Fahrzeuges für den Zeitraum 4. Februar 2010 bis 10. März 2011 legte er im Mai 2011 vor.

10 Die Veranlagung zur Einkommensteuer 2010 erfolgte mit Bescheid vom 7. April 2011, wobei die beantragten Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung mit der Begründung, dass der Fragenvorhalt für das Jahr 2009 nicht beantwortet worden sei, nicht anerkannt wurden.

11 Der Beschwerdeführer berief gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 und brachte in der Berufung vor, dass er und seine Ehefrau in Kroatien über ein Haus samt einem kleinen, der Eigenversorgung mit Lebensmitteln und Holz dienenden landwirtschaftlichen Grundbesitz verfügten, der während der beschäftigungsbedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers in Österreich von seiner Ehefrau bewirtschaftet werde. Darüber hinaus sei eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich aufgrund des erheblichen Unterschieds in den Lebenshaltungskosten mit einem nicht unerheblichen wirtschaftlichen bzw. finanziellen Nachteil verbunden. Schließlich sei die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen zum Zweck der Familiengemeinschaft in Österreich für Drittstaatsangehörige nach wie vor quotenpflichtig, sodass die Verlegung des Familienwohnsitzes auch aufgrund der restriktiven fremdenrechtlichen Bestimmungen nicht zumutbar sei.

12 Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide 2008, 2009 und 2010 keine Folge und führte zur Begründung u.a. aus, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nach der Verwaltungspraxis unzumutbar sei, wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder wohnten und eine Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar sei. Ebenso sei für die doppelte Haushaltsführung dann keine private Veranlassung zu unterstellen, wenn der Ehegatte des Steuerpflichtigen am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 aus einer aktiven Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als 2.200 EUR jährlich erziele oder die Einkünfte in Bezug auf das Familieneinkommen von wirtschaftlicher Bedeutung seien.

13 Der Beschwerdeführer habe weder vorgebracht, dass seine Ehefrau am Familienwohnsitz einer Beschäftigung nachgehe, noch sei er der Aufforderung des Finanzamtes nachgekommen, die Einkünfte seiner Ehefrau nachzuweisen. Von einer Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung zufolge nennenswerter Einkünfte seiner Ehefrau am Familienwohnort oder in dessen Nähe sei somit nicht auszugehen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei auch nicht zu entnehmen, dass am Familienwohnsitz weitere Personen lebten, sodass auch daraus keine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung resultiere.

14 Ein Vorbringen dahingehend, dass er einen Zuzug der Ehefrau nach Österreich ins Auge gefasst habe, habe der Beschwerdeführer nicht erstattet. Bei der für Fremdenrechtsangelegenheiten zuständigen Behörde gebe es diesbezüglich keinen Aktenvorgang. Der Beschwerdeführer behaupte auch nicht, dass er sich um eine taugliche Wohnung für sich und die Ehefrau bemüht habe. Evident sei nur, dass sich sein Wohnsitz in Österreich seit 2007 am selben Ort befinde und er für diese Unterkunft im Jahr 2008 188 EUR und in den Jahren 2009 und 2010 200 EUR monatlich bezahlt habe. Aufgrund der geschilderten Umstände könne der ohne nähere Konkretisierung erhobene Einwand des Beschwerdeführers, dass der "Zuzug nach wie vor quotenpflichtig" sei, der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Diese Umstände ließen vielmehr den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer an einer Aufgabe des Familienwohnsitzes in Kroatien nicht interessiert sei und die doppelte Haushaltsführung freiwillig in Kauf nehme.

15 Bei der Anführung von wirtschaftlichen und finanziellen Gründen, die einer Wohnsitzverlegung entgegenstünden, habe sich der Beschwerdeführer auch darauf bezogen, dass mit dem möglichen Verkaufserlös seines Hauses in Kroatien ein adäquates Haus in Österreich nicht finanzierbar sei. Dieser ohne konkrete Zahlen untermauerte Vergleich hinke schon deshalb, weil der An- und Verkauf von Liegenschaften für die Gründung eines Familienwohnsitzes in Österreich nicht erforderlich sei. Nach der Rechtsprechung liege eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht schon deshalb vor, weil der Steuerpflichtige am Familienwohnsitz ein Eigenheim (errichtet) habe. Die Unzumutbarkeit müsse vielmehr die Folge von Umständen sein, die mit der Berufstätigkeit im Zusammenhang stünden, wie etwa der Umstand, dass an diesem Ort keine zur Begründung des Familienwohnsitzes geeignete Wohnung zu beschaffen sei oder der Umstand, dass keine dauernde Arbeitsstelle vorliege. Solche Umstände habe der Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch die ins Treffen geführten Lebenshaltungskosten seien irrelevant, weil der Beschwerdeführer nur für seine Ehefrau, nicht jedoch für Kinder zu sorgen habe.

16 Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

17 Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit der doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten sind nach ständiger Rechtsprechung nur dann anzunehmen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. etwa VwGH vom 15. November 2005, 2005/14/0039). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob einem Arbeitnehmer zuzumuten ist, seinen Wohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen, nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.

18 Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren darauf verwiesen, dass eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich auch aufgrund der restriktiven fremdenrechtlichen Bestimmungen nicht zumutbar sei. In der Beschwerde führt er ergänzend aus, dass hinsichtlich des Familiennachzugs von Drittstaatsangehörigen auch nach Inkrafttreten des Fremdenrechtspaketes 2005 keine wesentlichen Änderungen eingetreten seien. Den Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen, die sich berechtigterweise in Österreich aufhielten, sei zwar unter bestimmten Voraussetzungen eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen, dies aber nach wie vor unter der Bedingung, dass ein Quotenplatz vorhanden sei, wobei die Zahl solcher Quotenplätze weit unter der Zahl der Interessenten liege.

19 Er hat weiters im Verwaltungsverfahren aufgezeigt, dass er und seine Frau am Familienwohnsitz in Kroatien über ein Haus samt einem kleinen, der Eigenversorgung dienenden landwirtschaftlichen Grundbesitz verfügten, der während der beschäftigungsbedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers von seiner Frau bewirtschaftet werde. In diesem Zusammenhang brachte er u.a. vor, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes von Kroatien nach Österreich mit erheblichen wirtschaftlichen bzw. finanziellen Nachteilen verbunden sei, zumal die Lebenshaltungskosten in Kroatien weit unter jenen von Österreich lägen. In der Beschwerde spricht der Beschwerdeführer - unter Hinweis auf die in den Einkommensteuerbescheiden 2008, 2009 und 2010 ausgewiesenen geringen jährlichen Einkünfte sowie durchwegs langen Zeiten der Arbeitslosigkeit - auch eine daraus resultierende erhebliche Armutsgefährdung an.

20 Die belangte Behörde hat die - im Sachverhaltsbereich unbestrittenen - Umstände, dass die Ehefrau in Kroatien eine der Eigenversorgung dienende Landwirtschaft führt und die erheblich höheren Lebenshaltungskosten in Österreich der Verlegung des Familienwohnsitzes entgegenstehen, zu Unrecht als für die Unzumutbarkeit nicht ausreichend angesehen (vgl. in diesem Zusammenhang VwGH vom 15. November 2005, 2005/14/0039, vom 18. Oktober 2005, 2005/14/0046, vom 19. Oktober 2006, 2005/14/0127, und vom 21. Juni 2007, 2006/15/0313).

21 Wie der Verwaltungsgerichtshof in einer Reihe von Erkenntnissen (vgl. z.B. VwGH vom 30. März 2011, 2005/13/0150, mwN) zum Ausdruck gebracht hat, können (in Bezug auf das Recht auf Familiennachzug restriktive) fremdenrechtliche Bestimmungen eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung begründen. Daher kommt - entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung - allenfalls auch dem Einwand des Beschwerdeführers, dass der Zuzug seiner Ehefrau nach wie vor quotenpflichtig sei, Bedeutung zu. Inwieweit ein Familiennachzug im Streitzeitraum 2008 bis 2010 tatsächlich möglich war, ist für den Verwaltungsgerichtshof aber mangels entsprechender Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid (insbesondere zum Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers in Österreich) letztlich nicht beurteilbar.

22 Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtwidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

23 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

24 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 10. März 2016

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