VwGH 2005/14/0046

VwGH2005/14/004618.10.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des Z D in S, vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 20, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz vom 17. März 2005, Zl. RV/0106-L/05, betreffend Einkommensteuer 2002, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §16 Abs1;
EStG §20 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 lita;
EStG §20 Abs1;
EStG §16 Abs1;
EStG §20 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 lita;
EStG §20 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erzielte in Österreich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als Forstarbeiter. In der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2002 beantragte er die Berücksichtigung von Aufwendungen in Höhe von EUR 2.100,-- für Familienheimfahrten an seinen Familienwohnsitz in Bosnien-Herzegowina, wo seine Frau und zwei seiner Kinder lebten, als Werbungskosten. Zur Begründung verwies er u.a. auf ein im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung (AÖF) für das Jahr 2003, Nr. 181, wiedergegebenes Protokoll über die Lohnsteuertagung 2003, in welchem wörtlich ausgeführt wird:

"1.3.3 Familienheimfahrten - Kein Familienwohnsitz am Arbeitsort (Rz 345 LStR 2002)

Zahlreiche Familien haben den Familienwohnsitz in Gebieten mit einem geringen Arbeitsplatzangebot. Ein (Ehe-)Partner geht einer Beschäftigung in einem Ballungszentrum nach und hat eine Schlafstelle (kleine Wohnung) am Arbeitsort, der andere (Ehe-)Partner wohnt ganzjährig am Familienwohnsitz, erzielt keine Einkünfte und widmet sich der Kindererziehung. Die Kinder besuchen die Schule am Familienwohnsitz.

Stehen Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung zu, obwohl diese nicht nur vorübergehend vorliegt, aber auf Grund der erheblichen wirtschaftlichen Nachteile ein Wohnsitzwechsel nicht zugemutet werden kann?

Im gegenständlichen Fall ist die Wohnung am Arbeitsort (im Ballungszentrum) als Familienwohnsitz nicht geeignet. Die Kinder besuchen die Schule am Familienwohnsitz, der (Ehe-)Partner widmet sich der Kindererziehung und erzielt keine Einkünfte. Der Familienwohnsitz stellt den Mittelpunkt der Lebensinteressen dar und ist kein "Wochenenddomizil" oder "Zweitwohnsitz". Die Wohnsitzverlegung von strukturschwachen Regionen in ein Ballungszentrum ist mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden und daher nicht zumutbar. Ein Werbungskostenabzug auf Grund der doppelten Haushaltsführung ist für die Dauer des Vorliegens der Voraussetzungen möglich. Rz 345 LStR 2002 wird ergänzt.

1.3.4 Familienheimfahrten - Firmenunterkunft (Rz 354 LStR 2002)

Von einem Steuerpflichtigen werden Familienheimfahrten an den Familienwohnsitz in der Slowakei geltend gemacht. Die Gattin ist nicht berufstätig. Am Beschäftigungsort wohnt der Anragsteller in einer Firmenunterkunft.

Stehen Werbungskosten für Familienheimfahrten auf Grund des Fehlens einer familiengerechten Unterkunft am Dienstort zu Muss eine Verpflichtung durch den Arbeitgeber zur Benützung dieser Firmenunterkunft bestehen?

Aufwendungen für Familienheimfahrten stehen unabhängig davon zu, ob der Arbeitnehmer das Firmenquartier freiwillig oder über Auftrag des Arbeitsgebers benützt. Die allgemeinen Aussagen zu Familienheimfahrten (Rz 354 ff LStR 2002) sind zu beachten."

Im gegenständlichen Fall sei die Wohnsitzverlegung von der Heimatgemeinde des Beschwerdeführers in Bosnien-Herzegowina, einer strukturschwachen Region, in ein Ballungszentrum in Österreich mit den in AÖF 2003, Nr. 181, angesprochenen erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden und daher grundsätzlich nicht zumutbar. Der Beschwerdeführer habe an seinem Arbeitsort ein Firmenquartier des Arbeitsgebers bewohnt. Wesentlich sei weiters, dass seine Ehefrau für die Zeit seiner berufsbedingten Abwesenheit seinen landwirtschaftlichen Besitz in Bosnien-Herzegowina habe bewirtschaften müssen; auch aus diesem Grund sei eine Wohnsitzverlegung nach Österreich nicht möglich und nicht zumutbar gewesen.

Im weiteren Berufungsverfahren brachte der Beschwerdeführer vor, zwei seiner vier Kinder lebten mangels eigenen Einkommens und Vermögens an seinem Familienwohnsitz im Haushalt in Bosnien-Herzegowina. Diese beiden Kinder seien bereits volljährig, müssten aber dennoch nach den gesetzlichen Unterhaltsbestimmungen von ihm erhalten werden. Wegen der Volljährigkeit seien diese Kinder in Österreich von der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bzw. einer Erstniederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft ausgeschlossen. Da sich diese Kinder auf Grund der fremdenrechtlichen Bestimmungen sohin nicht in Österreich niederlassen dürften, andererseits jedoch über kein eigenes Einkommen und Vermögen verfügten und deshalb noch in seinem Haushalt in Bosnien-Herzegowina lebten, müsste der Beschwerdeführer selbst auch bei Annahme eines allenfalls möglichen Nachzuges seiner Ehefrau nach Österreich einen zweiten Haushalt in Bosnien-Herzegowina aufrecht erhalten.

In der Folge legte der Beschwerdeführer einen Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 24. September 2003 vor, in welchem ausgesprochen wird, dass ihm ab 1. September 2003 zur Invaliditätspension (monatlich EUR 254,31) eine Ausgleichszulage (monatlich EUR 389,23) gewährt werde. Weiters legte er ein Schreiben des Bundessozialamtes vom 18. Mai 2004 vor, in welchem zum Ausdruck gebracht wird, dass auf Grund eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom 12. Mai 2004 der Grad seiner Behinderung mit 80 % "festgesetzt" werde. Ergänzend brachte der Beschwerdeführer vor, die Pensionsbezüge reichten zur Finanzierung der Lebenshaltungskosten in Österreich kaum für ihn allein, geschweige denn für seine Ehefrau und seine beiden volljährigen Kinder aus. Der Beschwerdeführer müsse daher nach erfolgter Pensionierung wiederum an den Familienwohnsitz in Bosnien-Herzegowina zurückkehren, zumal dort auf Grund der wesentlich geringeren Lebenshaltungskosten die Finanzierung des Lebensunterhaltes für mehrere Personen möglich sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers ab und versagte dabei den Aufwendungen für die Familienheimfahrten die Anerkennung als Werbungskosten. Zur Begründung wird ausgeführt, die Frau des Beschwerdeführers wohne mit zwei großjährigen Kindern in Bosnien-Herzegowina. Er arbeite seit Jahren in Österreich und besuche seine Familie regelmäßig. Seiner Ansicht nach sei die Verlegung des Familienwohnsitzes von seiner Heimatgemeinde in Bosnien-Herzegowina, einer strukturschwachen Region, in ein Ballungszentrum in Österreich unzumutbar, da dies für ihn mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden wäre. In seinem Haushalt wohnten neben seiner Frau auch zwei großjährige Kinder, für die er unterhaltspflichtig sei, weil sie nicht über eigenes Einkommen bzw. Vermögen verfügten. Seinem Vorbringen zufolge sei die Verlegung des Familienwohnsitzes auch deshalb unzumutbar, weil seine Frau während seiner Abwesenheit seinen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaften müsse. Er verweise auch darauf, dass in dem von ihm bewohnten Firmenquartier die Unterbringung seiner Frau nicht möglich gewesen sei und zudem für volljährige Kinder die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bzw. einer Erstniederlassungsbewilligung in Österreich nicht zu erreichen sei.

Die belangte Behörde halte dem Vorbringen des Beschwerdeführers entgegen, dass die Unterhaltsverpflichtung für Kinder als alleiniges Kriterium für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nicht ausreiche. Bei volljährigen Kindern bestehe grundsätzlich keine Ortsgebundenheit des haushaltsführenden Elternteiles, es sei denn, es würde sich um pflegebedürftige Kinder handeln. Der bloße Umstand eines wirtschaftlichen Nachteils bilde für sich allein ebenfalls keinen Grund für die Anerkennung von Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung. Auch die Versorgung einer Landwirtschaft biete keinen ausreichenden Grund für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes. Dem Argument des Beschwerdeführers betreffend das Bewohnen von Firmenquartieren sei entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer zwar eine entsprechende Bestätigung eines konkreten Arbeitgebers vorgelegt habe, aus der Bestätigung sei jedoch zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer bei diesem Arbeitergeber lediglich bis zum 23. November 2001 beschäftigt und in Firmenquartieren wohnhaft gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht jener Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch diese Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit der doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegen nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung kann ihre Ursache auch in weiteren Erwerbstätigkeiten des Steuerpflichtigen haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. September 2004, 2001/14/0178).

Wie der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren u.a. aufgezeigt hat, bewirtschaftet seine Frau am Familienwohnsitz in Bosnien-Herzegowina für ihn seinen landwirtschaftlichen Betrieb, welcher in erster Linie der Eigenversorgung der Familie mit landwirtschaftlichen Produkten dient. Der Beschwerdeführer hat weiters dargetan, dass er nicht nur für seine Frau, sondern auch für zwei seiner Kinder - diese wohnen am Familienwohnsitz - unterhaltspflichtig ist, weil sie einkommens- und vermögenslos sind. Schließlich konnte er aufzeigen, dass er ab seiner krankheitsbedingten Pensionierung per 1. September 2003 lediglich eine Pension von monatlich ca 600 Euro bezieht und mit dieser Pension in Österreich für sich und seine Familie nicht das Auslangen finden kann. Bei dieser Sachlage erweist sich die im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachte Ansicht der belangten Behörde, die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Arbeitsort des Beschwerdeführers in Österreich sei zumutbar gewesen, als unzutreffend.

Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II 333/2003.

Wien, am 18. Oktober 2005

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