Familienheimfahrten eines ausländischen Gastarbeiters (Bosnien)
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2005/14/0046 eingebracht. Mit Erk. v. 18.10.2005 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/1015-L/05 erledigt.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Weihburggasse 20, gegen den Bescheid des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2002 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der im angefochtenen Bescheid angeführten Abgabe betragen:
Bemessungsgrundlage | Abgabe | |||
Jahr | Art | Höhe | Art | Höhe |
2002 | Einkommen | 17.161,00 € | Einkommensteuer | 2.833,35 € |
festgesetzte Einkommensteuer (Abgabenschuld) | 908,65 € |
Die Berechnung der Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) bezog im berufungsgegenständlichen Jahr 2002 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Entgegen der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung gewährte das Finanzamt bei der Veranlagung den Alleinverdienerabsetzbetrag nicht und ermittelte den Steuersatz unter Berücksichtigung eines Progressionsvorbehaltes (Bescheid vom 28. März 2003).
In weiterer Folge nahm das Finanzamt das Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf, weil vom Arbeitgeber ein berichtigter Lohnzettel übermittelt worden war (Bescheid vom 4. September 2003).
Gegen diesen Bescheid erhob der Bw. durch seinen steuerlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2003 (eingelangt beim Finanzamt am 9. Oktober 2003) Berufung und machte erstmals Kosten für doppelte Haushaltsführung (Familienheimfahrten nach Bosnien-Herzegowina) in Höhe von 2.100,00 € als Werbungskosten geltend.
Begründend führte er unter Hinweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 27.5.2003, 2001/14/0121, und den Erlass des BMfF vom 26. Juni 2003 im Wesentlichen aus, Familienheimfahrten stünden jedenfalls - dh. auch wenn die Ehefrau am Familienwohnsitz nicht berufstätig sei - zu, wenn der Steuerpflichtige am Beschäftigungsort wohne und die Wohnsitzverlegung von einer strukturschwachen Region in ein Ballungszentrum mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden wäre und daher grundsätzlich nicht zumutbar sei.
Der Bw. habe ein Firmenquartier seines Arbeitgebers bewohnt. Seine Ehefrau müsse in seiner Abwesenheit den landwirtschaftlichen Besitz in Bosnien-Herzegowina bewirtschaften (vgl. Bescheinigung der Heimatgemeinde des Bw.), weshalb auch aus diesem Grund eine Wohnsitzverlegung unzumutbar sei.
In Beantwortung des Vorhaltes vom 8. Jänner 2004 führte der steuerliche Vertreter ergänzend aus, zwei der insgesamt vier Kinder (Em., Sn.) lebten noch mangels eigenen Einkommens und Vermögens am Familienwohnsitz im Haushalt des Bw. Die beiden Töchter Sa. und Mi. seien bereits verheiratet und lebten nicht mehr zu Hause.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 27. Oktober 2004 anerkannte das Finanzamt die geltend gemachten Kosten für die Familienheimfahrten nicht als Werbungskosten.
Mit Schriftsatz vom 26. November 2004 (eingelangt beim Finanzamt am 30. November 2004) beantragte der Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde II. Instanz und führte ergänzend aus:
Er sei bis 23. November 2001 am Beschäftigungsort in Österreich in diversen Firmenquartieren seines Dienstgebers untergebracht gewesen; die Unterbringung seiner Ehefrau sei dort nicht möglich gewesen. Im Haushalt des Bw. lebten nach wie vor zwei Kinder, die mangels eigenen Einkommens und Vermögens von ihm entsprechend den gesetzlichen Unterhaltsbestimmungen erhalten werden müssten. Die beiden Kinder seien bereits volljährig, sodass die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bzw. einer Erstniederlassungsbewilligung in Österreich ausgeschlossen sei. Selbst für den allenfalls möglichen Nachzug seiner Ehefrau nach Österreich müsse er für seine unterhaltsberechtigten Kinder in Bosnien-Herzegowina eine Wohnmöglichkeit zur Verfügung stellen.
Die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich sei aus den dargelegten Gründen nicht zumutbar bzw. möglich.
Der Bw. legte anlässlich einer persönlichen Vorsprache am 26. Jänner 2005 seinen Behindertenpass vor und beantragte die Berücksichtigung des Pauschbetrages.
Aus den vom Bw. vorgelegten Unterlagen geht Folgendes hervor:
Laut Bescheinigung des Sekretariats für Wirtschaft, gesellschaftliche Tätigkeiten und allgemeine Verwaltung, Kanton von Zentralbosnien, vom 28. September 2001 hat der Bw. einen landwirtschaftlichen Besitz im Dorf G., Gemeinde V., der von seiner Ehefrau Dz. D., während seiner Beschäftigung in Österreich bewirtschaftet werden muss (vgl. auch Bescheinigung der Dienststelle für vermögensrechtliche Angelegenheiten und Kataster vom 12. März 2004).
Aus der Familienstandsbescheinigung vom 12. März 2004 geht hervor, dass folgende Kinder des Arbeitnehmers zu seinem Haushalt gehören oder von ihm erhalten werden (vgl. dazu auch die beiden Unterhaltsbescheinigungen vom 8. Dezember 2004):
Em. D., geb. 26. Juni 1978
Sn. D., geb. 18. Februar 1976
Anlässlich einer persönlichen Vorsprache beim FA am 26. April 2004 teilte der Bw. mit, seine Frau wohne beim Bruder in Bosnien, da das eigene Haus abgebrannt sei.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2003 bestätigte die Firma K. KEG, dass der Bw. vom 22. Juli 1992 bis 23. November 2001 im Betrieb als Forstarbeiter beschäftigt gewesen sei und immer in den jeweiligen Firmenunterkünften der Firma K. bzw. der Firma K. KEG gewohnt habe.
Laut Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom 24. September 2003 erhält der Bw. zur Invaliditätspension in Höhe von 254,31 € wegen dauernder Invalidität eine Ausgleichszulage in Höhe von 6,65 € (ab 1. September 2003) bzw. 389,23 € (ab 1. Oktober 2003) monatlich.
Mit Schreiben vom 18. Mai 2004 teilte das Bundessozialamt, Landesstelle OÖ, mit, dass aufgrund des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens vom 12. Mai 2004 der Grad der Behinderung mit 80 % festgesetzt wird; weiters werden in den Behindertenpass die Zusatzeintragungen "gehbehindert" und "Diabetiker" erfolgen.
Aus dem Behindertenpass ist ersichtlich, dass mit Datum 23. Jänner 2001 der Grad der Behinderung mit 60 % angegeben ist.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind auch:
Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:
Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit. b folgende Pauschbeträge berücksichtigt: Bei einer einfachen Fahrtstrecke von 2 km bis 20 km 210 € jährlich, 20 km bis 40 km 840 € jährlich, 40 km bis 60 km 1.470 € jährlich, über 60 km 2.100 € jährlich (Z 6 lit. c).
Gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden:
Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge (Z 1).
Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen (Z 2 lit. e).
Die Frau des Bw. wohnt mit zwei großjährigen Kindern in Bosnien-Herzegowina. Der Bw. arbeitet seit Jahren in Österreich und besucht regelmäßig seine Familie in Bosnien.
Strittig ist, ob der doppelten Haushaltsführung eine berufliche Veranlassung zugrunde liegt und die Kosten für Familienheimfahrten daher als Werbungskosten abzugsfähig sind.
Liegt nämlich der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen aus privaten Gründen außerhalb der üblichen Entfernung vom Arbeitsplatz, dann können die Aufwendungen für die Wohnung am Arbeitsplatz sowie die Kosten für Familienheimfahrten steuerlich nicht berücksichtigt werden (VwGH 26.4.1989, 86/14/0030; VwGH 19.9.1989, 89/14/0100); die Aufwendungen sind nur dann abzugsfähig, wenn der Doppelwohnsitz (die doppelte Haushaltsführung) berufsbedingt ist (Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar Band I, § 16 Tz 220, § 4 Tz 346; VwGH 29.1.1998, 96/15/0171).
Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in unüblicher Entfernung ist niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen (VwGH 3.8.2004, 2000/13/0083, 2001/13/0216). Der Grund, warum Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung dennoch als Werbungskosten berücksichtigt werden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als eine Wohnsitzverlegung nicht zugemutet werden kann (zB VwGH 28.5.1997, 96/13/0129). Das bedeutet aber nicht, dass zwischen der Unzumutbarkeit und der Erwerbstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen müsste. Die Unzumutbarkeit kann unterschiedliche Ursachen haben. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. VwGH 20.4.2004, 2003/13/0154; VwGH 26.5.2004, 2000/14/020).
Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Ababenbehörde Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht, ohne dass die Abgabenbehörde in einem solchen Fall verhalten ist, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen (VwGH 20.4.2004, 2003/13/0154).
Bei ausländischem Familienwohnsitz gelten für die Frage der Anerkennung von Kosten der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten dieselben Kriterien wie bei inländischem Familienwohnsitz (LStR 2002, Rz 345).
Nach Ansicht des Bw. sei eine Verlegung des Familienwohnsitzes von seiner Heimatgemeinde in Bosnien-Herzegowina, einer strukturschwachen Region, in ein Ballungszentrum unzumutbar, da dies für ihn mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden wäre. Im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz wohnten neben seiner Frau, die selbst keine Einkünfte beziehe, zwei Kinder, die zwar großjährig seien, für die er jedoch mangels eigenen Einkommens oder Vermögens unterhaltspflichtig sei. Zudem müsse seine Frau während seiner Abwesenheit den landwirtschaftlichen Besitz bewirtschaften. In den von ihm bewohnten Firmenquartieren, sei eine Unterbringung seiner Frau nicht möglich gewesen. Selbst für den allenfalls möglichen Nachzug seiner Ehefrau nach Österreich müsse er für seine unterhaltsberechtigten Kinder in Bosnien-Herzegowina eine Wohnmöglichkeit zur Verfügung stellen, da für volljährige Kinder die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bzw. einer Erstniederlassungsbewilligung in Österreich ausgeschlossen sei.
Der Unabhängige Finanzsenat vertritt hiezu folgende Auffassung:
Es ist zwar richtig, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort unzumutbar ist, wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder wohnen und eine (Mit-)Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Die Unterhaltsverpflichtung für Kinder reicht jedoch als alleiniges Kriterium für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familenwohnsitzes nicht aus. Es ist davon auszugehen, dass bei volljährigen Kindern (ausgenommen zB bei Pflegebedürftigkeit des Kindes) grundsätzlich keine Ortsgebundenheit des haushaltsführenden Elternteils mehr besteht. Der bloße Umstand eines wirtschaftlichen Nachteils ist für sich allein kein Grund für die Anerkennung von Aufwendungen im Zusammenhang mit doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten.
Auch die Versorgung einer Landwirtschaft bietet keinen ausreichenden Grund, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar wäre.
Die Argumente des Bw. hinsichtlich der Firmenunterkunft können nicht auf das berufungsgegenständliche Jahr 2002 angewendet werden; laut Bestätigung des Arbeitgebers ist der Bw. bis 23. November 2001 dort beschäftigt gewesen und hat die jeweiligen Firmenquartiere bewohnt.
Die Verlegung des Familienwohnsitzes war aus den dargelegten Gründen dem Bw. durchaus zumutbar. Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Bosnien-Herzegowina ist daher privat veranlasst.
Der angefochtene Bescheid entspricht somit der bestehenden Rechtslage. Es war daher abweisend zu entscheiden.
Die weiteren Änderungen entsprechen der Berufungsvorentscheidung.
Aufgrund des vorgelegten Behindertenpasses ist zusätzlich für das berufungsgegenständliche Jahr 2002 der Freibetrag für Behinderte gemäß § 35 EStG 1988 (60 %) zu gewähren.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Linz, am 17. März 2005
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Familienheimfahrten, doppelte Haushaltsführung, ausländischer Familienwohnsitz |
Verweise: | VwGH 27.05.2003, 2001/14/0121 |