VwGH 2013/07/0024

VwGH2013/07/002426.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenwarter, über die Beschwerde der A GmbH & Co KG in G, vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberger und Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 27/IV, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 20. November 2012, Zl. ABT13- 39.40 35/2011-9, betreffend Feststellung gemäß § 10 Abs. 1 Altlastensanierungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Bund, vertreten durch das Zollamt Graz in 8010 Graz, Conrad von Hötzendorf-Straße 14-18), zu Recht erkannt:

Normen

ALSAG 1989 §10 Abs1 Z2;
ALSAG 1989 §3 Abs1 Z2;
ALSAG 1989 §3 Abs1a Z6;
AWG 2002 §2 Abs1;
AWG 2002 §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ALSAG 1989 §10 Abs1 Z2;
ALSAG 1989 §3 Abs1 Z2;
ALSAG 1989 §3 Abs1a Z6;
AWG 2002 §2 Abs1;
AWG 2002 §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 20. November 2012 stellte die belangte Behörde gemäß § 10 Abs. 1 Altlastensanierungsgesetz (AlSAG) fest, dass die auf dem Grundstück Nr. 385/1, KG K., im Zeitraum vom dritten Quartal 2005 bis ersten Quartal 2008 vorgenommene Geländeanpassung mit Baurestmassen eine altlastenbeitragspflichtige Tätigkeit darstelle.

Zur Begründung führte die belangte Behörde - nach Wiedergabe der anzuwendenden Bestimmungen - im Wesentlichen aus, die beschwerdeführende Partei sei, da sie den Auftrag zur Durchführung der gegenständlichen Geländeanpassungsmaßnahmen erteilt habe, als in Betracht kommende Beitragsschuldnerin im Sinne des § 4 AlSAG anzusehen.

Unstrittig sei, dass die Geländeanpassung mit Baurestmassen erfolgt sei.

Für das gegenständliche Grundstück lägen im fraglichen Zeitraum drei baurechtliche Bewilligungen vor, nämlich die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft L (BH) vom 16. Dezember 2003 und vom 23. Oktober 2010 sowie ein Bescheid der Gemeinde W vom 25. März 2009 betreffend die "Baufreistellung der am 13.3.2008 eingebrachten Bauanzeige (Geländeveränderung)".

Aus den Bescheiden der BH gehe nicht hervor, dass damit auch eine Geländeveränderung bewilligt worden sei, dies folge "sowohl aus den Bescheiden als auch aus der gesonderten Anzeige bei der Gemeinde W" (durch die beschwerdeführende Partei); "die gesonderte Anzeige der Geländeveränderung bei der Gemeinde W wäre sinnlos, wenn diese Geländeveränderung bereits im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft L vom 16.12.2003 enthalten wäre".

Die beschwerdeführende Partei gehe selbst von einer Anzeigepflicht der durchgeführten geländeverändernden Maßnahmen nach dem Steiermärkischen Baugesetz aus; eine derartige Anzeige sei erst mit Schreiben vom 6. März 2008 erfolgt und mit Bescheid vom 25. März 2009 zur Kenntnis genommen worden.

Darüber hinaus sei nach Angabe der BH, Wirtschaftsreferat, vom 12. März 2009 "für die Errichtung und den Betrieb" des mit Bescheid der BH vom 16. Dezember 2003 baubewilligten Verkaufsmarktes samt Nebenräumen und Ausstellungsbereich "grundsätzlich" eine gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung erforderlich; eine solche sei zumindest bis 12. März 2009 nicht beantragt worden.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Beitragsbefreiung nach dem AlSAG das Vorliegen von allenfalls erforderlichen Bewilligungen, Anzeigen, Nichtuntersagungen etc.; dieses Erfordernis bestehe nicht nur für die Vornahme der Verfüllung oder Anpassung selbst, sondern auch für die übergeordnete Baumaßnahme.

Da in dem vom Feststellungsantrag der mitbeteiligten Partei erfassten Zeitraum eine gewerberechtliche Genehmigung bzw. eine Kenntnisnahme (Baubewilligung) der Geländeveränderung nicht vorgelegen sei, könnten weitere aufgeworfene Fragen zum Vorliegen eines Qualitätssicherungssystems (im Sinn des § 3 Abs. 1a Z. 6 AlSAG) dahingestellt bleiben; zulässig im Sinn des § 3 Abs. 1a Z. 6 AlSAG sei die Geländeveränderung nämlich erst mit Kenntnisnahme durch die Gemeinde W vom 25. März 2009 bzw. "für den Fall der Errichtung einer gewerblichen Betriebsanlage auf der Geländeanpassung" zumindest bis 12. März 2009 gar nicht gewesen.

Ausgehend von diesen Erwägungen ging die belangte Behörde mangels Vorliegen des Ausnahmetatbestandes gemäß § 3 Abs. 1a Z. 6 AlSAG von einer Beitragspflicht der gegenständlichen Geländeanpassungen nach § 3 Abs. 1 AlSAG aus.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

2. Auf den beitragspflichtigen Sachverhalt sind (angesichts des unstrittigen Zeitraumes zwischen dem dritten Quartal 2005 und dem ersten Quartal 2008) folgende Bestimmungen anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2012, Zl. 2010/07/0215, mwN):

Altlastensanierungsgesetz (bis 31. Dezember 2005):

"Altlastenbeitrag

Gegenstand des Beitrags

§ 3. (1) Dem Altlastenbeitrag unterliegen:

(...)

2. das Verfüllen von Geländeunebenheiten oder das Vornehmen von Geländeanpassungen mit Abfällen einschließlich deren Einbringung in geologische Strukturen, ausgenommen jene Geländeverfüllungen oder -anpassungen, die im Zusammenhang mit einer übergeordneten Baumaßnahme eine konkrete bautechnische Funktion erfüllen (zB Dämme und Unterbauten für Straßen, Gleisanlagen oder Fundamente, Baugruben- oder Künettenverfüllungen);

(...)"

Altlastensanierungsgesetz (ab 1. Jänner 2006):

"Altlastenbeitrag

Gegenstand des Beitrags

§ 3. (1) Dem Altlastenbeitrag unterliegen

1. das Ablagern von Abfällen oberhalb oder unterhalb (dh. unter Tage) der Erde; als Ablagern im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt auch

(...)

c) das Verfüllen von Geländeunebenheiten (ua. das Verfüllen von Baugruben oder Künetten) oder das Vornehmen von Geländeanpassungen (ua. die Errichtung von Dämmen oder Unterbauten von Straßen, Gleisanlagen oder Fundamenten) oder der Bergversatz mit Abfällen,

(...)

(1a) Von der Beitragspflicht ausgenommen sind

(...)

6. mineralische Baurestmassen, wie Asphaltgranulat, Betongranulat, Asphalt/Beton-Mischgranulat, Granulat aus natürlichem Gestein, Mischgranulat aus Beton oder Asphalt oder natürlichem Gestein oder gebrochene mineralische Hochbaurestmassen, sofern durch ein Qualitätssicherungssystem gewährleistet wird, dass eine gleichbleibende Qualität gegeben ist, und diese Abfälle im Zusammenhang mit einer Baumaßnahme im unbedingt erforderlichen Ausmaß zulässigerweise für eine Tätigkeit gemäß Abs. 1 Z. 1 lit. c verwendet werden,

(...)"

3. Zwischen den Parteien des von der belangten Behörde zu erledigenden Berufungsverfahrens war unstrittig, dass die gegenständlichen Baurestmassen Abfälle im Sinn des § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind und gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 bzw. § 3 Abs. 1 Z. 1 lit. c AlSAG grundsätzlich dem Altlastenbeitrag unterliegen.

Bei der Beurteilung, ob diese Baurestmassen gemäß § 3 Abs. 1a Z. 6 AlSAG von der Beitragspflicht ausgenommen sind, ist die belangte Behörde zutreffend von der hg. Rechtsprechung ausgegangen, wonach eine zulässige Verwendung von Abfällen im Sinn des AlSAG auch nach dieser Bestimmung u.a. voraussetzt, dass die für diese Verwendung allenfalls erforderlichen behördlichen Bewilligungen, Anzeigen, Nichtuntersagungen etc. vorliegen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Mai 2015, Zl. 2012/07/0272, mwN, und vom 22. April 2004, Zl. 2003/07/0173 = VwSlg 16.353A; zu dem damit übereinstimmenden Erfordernis auch für das Abfallende nach § 5 Abs. 1 AWG vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 2015, Zl. 2012/07/0047).

Dieses Erfordernis des Vorliegens der behördlichen Bewilligungen, Anzeigen, Nichtuntersagungen etc. gilt sowohl für die Verfüllung bzw. Anpassung selbst als auch für die damit verbundene Baumaßnahme (vgl. etwa zur Rechtslage bis zum 31. Dezember 2005 wiederum das hg. Erkenntnis zur Zl. 2003/07/0173 sowie das hg. Erkenntnis vom 25. September 2014, Zl. 2011/07/0099, mwN).

4. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung sei es unerheblich, ob die beschwerdeführende Partei selbst von einer Anzeigepflicht der durchgeführten geländeverändernden Maßnahmen nach dem Steiermärkischen Baugesetz ausgegangen sei und deswegen eine gesonderte Anzeige an die Gemeinde W erstattet habe; vielmehr hätte die belangte Behörde selbst anhand der baurechtlichen Bescheide der BH beurteilen müssen, ob die Geländeveränderungen vom Baukonsens umfasst seien. Dies sei nach Auffassung der beschwerdeführenden Partei der Fall, was sich etwa aus dem Einreichplan des mit Bescheid der BH vom 16. Dezember 2003 bewilligten Projektes ergebe.

Hinsichtlich der von der belangten Behörde angenommenen Notwendigkeit einer gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung hätte die belangte Behörde richtigerweise prüfen müssen, welche übergeordnete Baumaßnahme mit den gegenständlichen Geländeanpassungen verfolgt werde; so sei für die Errichtung einer Ausstellungshalle für Kraftfahrzeuge samt einem Bereich für zwei Büros und Nebenräume eine gewerberechtliche Genehmigung nicht erforderlich.

In diesem Zusammenhang habe die belangte Behörde auch ein Schreiben der beschwerdeführenden Partei vom 10. Juni 2009 - mit dem diese auf das Schreiben der BH vom 12. März 2009 geantwortet habe - nicht berücksichtigt, dem zufolge beabsichtigt gewesen sei, aufgrund der geänderten Marktbedingungen lediglich die Ausstellungsflächen des genehmigten Projekts zu realisieren.

5. Mit diesem Vorbringen gelingt es der beschwerdeführenden Partei, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun:

5.1. Soweit die belangte Behörde - wie oben wiedergegeben (vgl. I.1.) - letztlich aus dem bloßen Umstand, dass die beschwerdeführende Partei selbst eine Anzeige über geländeverändernde Maßnahmen an die Gemeinde W erstattet habe, schließt, dass derartige Maßnahmen vom bereits bestehenden Baukonsens, etwa aufgrund des Bescheides der BH vom 16. Dezember 2003, nicht umfasst wären, macht sie sich lediglich den von der beschwerdeführenden Partei zu einem bestimmten Zeitpunkt (und sei es auch bloß vorsichtshalber) vertretenen Rechtsstandpunkt zu eigen; ein derartiger Schluss ist nicht geeignet, an die Stelle der von der belangten Behörde selbst zu treffenden Beurteilung der Reichweite des Baukonsenses aufgrund der vorliegenden Bescheide zu treten.

Die darauf Bezug nehmenden Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde vermögen die insoweit fehlenden Erörterungen und Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 2006, Zl. 2005/12/0224, mwN).

5.2. Insofern die belangte Behörde die von ihr vertretene Auffassung, für die gegenständlichen Maßnahmen sei - zumindest "für den Fall der Errichtung einer gewerblichen Betriebsanlage auf der Geländeanpassung" - "grundsätzlich eine gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung" erforderlich, ausschließlich auf ein Schreiben der BH, Wirtschaftsreferat, vom 12. März 2009 stützt, lässt der angefochtene Bescheid in diesem Zusammenhang - mit Blick auf das im Akt ersichtliche Schreiben der beschwerdeführenden Partei vom 10. Juni 2009 an die BH, in dem mitgeteilt wurde, dass lediglich die Ausstellungsflächen des genehmigten Projektes realisiert würden, weshalb bis dato eine gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung für den Verkaufsmarkt noch nicht beantragt worden sei - Feststellungen zu dem mit den gegenständlichen Geländeanpassungen verfolgten Zweck, also zu der damit verbundenen Baumaßnahme, vermissen.

5.3. Nach dem Gesagten enthält der angefochtene Bescheid weder die notwendigen Feststellungen noch eine ausreichende Begründung für die ihm im Kern zugrunde liegende Auffassung, dass für die gegenständlichen Geländeanpassungen mit Baurestmassen mangels Vorliegen des erforderlichen Baukonsenses und der erforderlichen gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 1a Z. 6 AlSAG nicht in Betracht komme.

6. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 26. November 2015

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