VwGH 2012/22/0221

VwGH2012/22/022119.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde 1. des M, 2. der M, 3. des A und

4. des F, sämtliche in W, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien je vom 6. Oktober 2010, Zl. E1/121.018/2010 (ad. 1., protokolliert zu hg. 2012/22/0221), Zl. E1/217.925/2010 (ad. 2., protokolliert zu hg. 2012/22/0222), Zlen. E1/217.904/2010 und E1/217.932/2010 (ad. 3. und 4., protokolliert zu hg. 2012/22/0223), jeweils betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 idF 2009/I/029;
MRK Art8;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 idF 2009/I/029;
MRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je EUR 567,55 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde die beschwerdeführenden Parteien (ein Ehepaar und ihre Kinder, alle mazedonische Staatsangehörige) aus dem Bundesgebiet aus.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen gleichlautend aus, dass der Erstbeschwerdeführer am 11. März 2002 illegal eingereist sei und einen Asylantrag gestellt habe, der am 4. Jänner 2010 zweitinstanzlich rechtskräftig abgewiesen worden sei.

Die übrigen beschwerdeführenden Parteien seien am 19. August 2003 illegal eingereist und hätten Asylerstreckungsanträge gestellt. Auch diese Asylverfahren seien schlussendlich mit 4. Jänner 2010 rechtskräftig "negativ" abgeschlossen worden. Der Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien sei seither unrechtmäßig.

Der Erstbeschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16. Juni 2005 nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB sowie § 50 Abs. 1 Z 3 und 4 Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt nachgesehen, verurteilt worden, nachdem er am 23. November 2005 in Wien mit einer funktionstüchtigen Handgranate, einer Gaspistole und einem Einhandmesser bewaffnet gefasst worden sei. Am 3. März 2005 habe er mit einer Gaspistole in Richtung eines Lokalinhabers geschossen, um diesen einzuschüchtern.

Gegen den Erstbeschwerdeführer sei mit Bescheid vom 16. Mai 2006 ein auf zehn Jahre befristetes Rückkehrverbot erlassen worden.

Da die gesamte Familie ausgewiesen werde, finde auch keine Trennung der Familienmitglieder statt. Kein Familienmitglied habe mit einem dauernden Aufenthalt in Österreich rechnen können.

Der Erstbeschwerdeführer sei am heimischen Arbeitsmarkt nicht integriert, weil er nur jeweils kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse aufweisen könne, die allesamt unrechtmäßig ausgeübt worden seien. Er sei nicht selbsterhaltungsfähig, sein "Auslangen" werde allein durch die Grundversorgung gewährleistet.

Die Kinder seien nicht von klein auf in Österreich aufgewachsen, weil sie bei der illegalen Einreise neun bzw. sieben Jahre alt gewesen seien. Ihre "maßgebliche Prägung" hätten sie in ihrer Heimat erfahren. Im Heimatland würden sich Eltern und Geschwister der Zweitbeschwerdeführerin aufhalten. Somit finde die gesamte Familie ein soziales bzw. familiäres Umfeld vor, welches ihre Reintegration im Herkunftsstaat wohl entscheidend erleichtere. Es sei nicht einmal behauptet worden, dass die Dritt- und Viertbeschwerdeführer die Muttersprache nicht sprächen.

Von einem Überwiegen etwaiger privater Interessen der Fremden könne in Gesamtheit nicht gesprochen werden. Darüber hinaus sei der Erstbeschwerdeführer vorbestraft und weise mehrere schwerwiegende Verwaltungsübertretungen auf. Es sei kein Grund ersichtlich, warum die beschwerdeführenden Parteien nicht gemeinsam das Bundesgebiet verlassen könnten. Auch die Eltern und Geschwister des Erstbeschwerdeführers befänden sich im Herkunftsland. Auch wenn das Asylverfahren "Jahre anhängig war", stünden erhebliche öffentliche Interessen einem Verbleib der Beschwerdeführer im Bundesgebiet gegenüber, komme doch der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens ein sehr hoher Stellenwert zu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschriften durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass angesichts der Zustellung der angefochtenen Bescheide im Oktober 2010 die Bestimmungen des FPG idF BGBl. I Nr. 135/2009 anzuwenden sind und sich nachfolgende Zitierungen auf diese Rechtslage beziehen.

Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass ihre Asylanträge rechtskräftig abgewiesen wurden und behaupten auch nicht, sonst über eine Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet zu verfügen. Somit bestehen keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt ist.

Es kann aber auch das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung nach § 66 FPG nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Zum einen findet kein Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführer statt, weil diese gemeinsam ausgewiesen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2010, 2010/22/0013, mwN).

Zum anderen wird eine Integration des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin am österreichischen Arbeitsmarkt nicht behauptet. Gegen den weiteren Verbleib des Erstbeschwerdeführers im Bundesgebiet spricht neben dem immer noch aufrechten Rückkehrverbot auch dessen strafgerichtliche Verurteilung, wobei das dieser Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten trotz der bereits erfolgten Tilgung berücksichtigt werden durfte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, 2006/21/0113). Weiters ist der belangten Behörde darin Recht zu geben, dass ein großes öffentliches Interesse in Ansehung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit an der Befolgung fremdenrechtlicher Vorschriften besteht. Dieses Interesse verlangt grundsätzlich, dass Fremde nach Ablehnung ihrer Asylanträge den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wieder herstellen.

Zweifellos ist mit der Ausweisung der Dritt- und Viertbeschwerdeführer ein massiver Eingriff in deren Privatleben verbunden, haben diese doch jahrelang in Österreich die Schule besucht. Sie sind allerdings erst im Alter von ca. sieben und neun Jahren eingereist. Somit hat ein Teil ihrer Sozialisation bereits im Herkunftsland stattgefunden. Weiters sind sie bei einer Rückkehr in ihr Heimatland nicht auf sich allein gestellt, sondern bleiben im Verband ihrer Familie und es halten sich auch weitere Familienmitglieder, nämlich die Eltern des Erstbeschwerdeführers und die Eltern der Zweitbeschwerdeführerin im Heimatland auf. Der Umstand, dass sowohl die ausgewiesenen Eltern als auch ihre Kinder im Heimatland neue soziale Beziehungen aufbauen müssen, greift wegen des fortdauernden familiären Zusammenhalts nicht so schwerwiegend in ihr Privatleben ein, dass die Ausweisung unzulässig wäre.

Auch wenn der behördlichen Ansicht nicht zu folgen ist, dass den Dritt- und Viertbeschwerdeführern die illegale Einreise und das Stellen erfolgloser Asylerstreckungsanträge gleichsam zum Vorwurf gemacht werden könne, ist in Gesamtbetrachtung der vorliegenden Umstände die Ausweisung als zulässig zu beurteilen.

Soweit die beschwerdeführenden Parteien auf Ausführungen des Asylgerichtshofes verweisen, wonach dieser zwar nicht über eine Ausweisung zu entscheiden hätte, einer solchen aber berücksichtigungswürdige Aspekte entgegenstehen würden, haben diese in keiner Weise rechtliche Bedeutung.

Auch der Beschwerdehinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Oktober 2010, B 950-954/10, muss erfolglos bleiben, unterscheidet sich doch die Situation der jeweils betroffenen Familien dadurch, dass dort ein Kind in Österreich geboren und aufgewachsen ist und weiters eines der Kinder bereits im Alter von fünf Jahren eingereist ist, weshalb seine Sozialisation im Heimatland bedeutend schwächer war als bei den hier zu beurteilenden Kindern. Als im Besonderen wesentlich stellte sich dort auch dar, dass der besondere Ablauf der Asylverfahren in den dortigen Fällen die Erwartung wecken durfte, dass nicht zwangsläufig mit einer negativen Entscheidung zu rechnen war.

Insgesamt gesehen führt somit auch nicht die Situation der minderjährigen Beschwerdeführer dazu, dass die Ausweisung in unzulässiger Weise in das Privatleben der beschwerdeführenden Parteien eingreifen würde und daher unzulässig wäre.

Da somit den Bescheiden die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Vorlageaufwand nur einmal zuzusprechen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1992, 91/02/0105, 0106, mwN).

Wien, am 19. Dezember 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte