Normen
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §24 Abs1 Z2;
FSG 1997 §24;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG 1997 §8 Abs3;
FSG-GV 1997 §2 Abs1;
FSG-GV 1997 §2 Abs3;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §24 Abs1 Z2;
FSG 1997 §24;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG 1997 §8 Abs3;
FSG-GV 1997 §2 Abs1;
FSG-GV 1997 §2 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Klassen A und B gemäß § 24 Abs. 1 Z. 2 FSG "auf Grund des ärztlichen Gutachtens (§ 8 Abs. 3 FSG)" bis zum 8. September 2012 befristet. Weiters wurden gemäß § 2 Abs. 3 letzter Satz FSG-GV ärztliche Kontrolluntersuchungen im Zeitabstand von drei Monaten als Auflage vorgeschrieben.
In der Begründung stellte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und der maßgebenden Rechtsvorschriften fest, dass der Beschwerdeführer bei seiner Beschuldigtenvernehmung "auf Grund Straßenbezuges einer kleinen Menge Cannabis" am 13. November 2010 auf die Frage nach dem Suchtmittelkonsum angegeben habe, dass er seit zwölf Jahren alle drei Tage Cannabis rauche.
Die Amtsärztin der Bundespolizeidirektion Wien Dr. S. habe am 14. Juni 2011 vermerkt , dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben im November 2010 letztmalig THC konsumiert habe und dass eine Harnprobe nicht eindeutig negativ gewesen sei, dies mit der Bemerkung, dass der Harn stark verdünnt gewesen sei. Die Amtsärztin habe sodann eine Frist von vier Wochen für "Harn auf alle Drogen ausgesprochen".
Weiters stellte die belangte Behörde fest, eine vom Beschwerdeführer vorgelegte Stellungnahme eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 6. September 2011 bescheinige "gelegentlich hedonistischen Konsum von Cannabis, der mittlerweile aufgegeben worden" sei.
Nach Vorliegen dieser Stellungnahme habe der Amtsarzt der Bundespolizeidirektion Wien Dr. D. am 8. September 2011 "Kontrolluntersuchungen für ein Jahr, alle drei Monate auf Drogen im Harn, und eine Befristung auf ein Jahr als indiziert erachtet".
Im Berufungsverfahren sei dem Beschwerdeführer durch Ladung zum amtsärztlichen Dienst die Möglichkeit "zur Devianz im Hinblick auf einen regelmäßigen Drogenkonsum" eingeräumt worden, was der Beschwerdeführer jedoch mit Schreiben vom 10. Februar 2012 mit dem Hinweis auf die fachärztliche Stellungnahme vom 6. September 2011 zurückgewiesen habe. Zur mündlichen Verhandlung vom 18. April 2012 sei der Beschwerdeführer nicht erschienen.
In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei nach dem amtsärztlichen Gutachten vom 8. September 2011 zwar derzeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B gesundheitlich geeignet. Auf Grund der "gegebenen Rückfallgefahr" bei aktenkundigem Drogenkonsum erwiesen sich aber eine amtsärztliche Nachuntersuchung nach einem Jahr sowie ärztliche Kontrolluntersuchungen auf Drogenharn alle drei Monate als erforderlich. Die reale Gefahr eines Rückfalles erweise sich im Fall des Beschwerdeführers als schlüssig und nachvollziehbar, habe dieser doch im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung vom 13. November 2010 das Rauchen von Cannabis über zwölf Jahre in einem Abstand von drei Tagen angegeben. Laut neurologisch-psychiatrischer Stellungnahme verfüge der Beschwerdeführer zwar über ein beginnendes Problembewusstsein und befinde sich in einer konstant gefestigten Lebenssituation. Dem stehe jedoch die Beurteilung der Amtsärztin gegenüber, wonach die Veränderungen erst als "beginnend zeitlich stabilisiert" angesehen werden können, dies auch im Hinblick auf negative Drogenharnbefunde vom 1. Dezember 2011 und vom 6. März 2012. Somit stellten sich "auf Grund der nicht als nur gering zu erachtenden Rückfallgefahr bei phasenweise gehäuftem Missbrauch von Cannabis in der nahen Vergangenheit" die Befristung als auch die Anordnung von ärztlichen Nachkontrollen als erforderlich dar. Der Drogenkonsum des Beschwerdeführers liege nämlich "noch nicht so lange zurück, dass die Gefahr eines Rückfalls" als gering angesehen werden könne. Dabei ergebe sich die "Möglichkeit einer
sich verschlechternden Suchterkrankung ... hauptsächlich aus dem
über mehr als einem Jahrzehnt eingestandenen jedenfalls wöchentlichen Cannabiskonsum", der schon in jungen Jahren des Beschwerdeführers begonnen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und auf eine Gegenschrift verzichtet hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde zusammengefasst geltend, dass die belangte Behörde entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Befristung der Lenkberechtigung und Kontrolluntersuchungen verfügt hat, ohne konkrete Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, ob beim Beschwerdeführer mit einer "lenkberechtigungsrelevanten Verschlechterung" seiner gesundheitlichen Eignung gerechnet werden müsse.
Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FSG
idF BGBl. I Nr. 61/2011, lauten:
"§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
...
Gesundheitliche Eignung
§ 8. ...
...
(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:
'geeignet', 'bedingt geeignet', 'beschränkt geeignet' oder 'nicht geeignet'. Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund
1. gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen ohne Einschränkung geeignet, so hat das Gutachten 'geeignet' für diese Klassen zu lauten;
2. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Voraussetzung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten 'bedingt geeignet' für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind;
...
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
- 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
- 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
..."
Die Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung, BGBl. II Nr. 322/1997 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. II Nr. 280/2011, lauten auszugsweise:
"§ 2. (1) Das ärztliche Gutachten hat gegebenenfalls auszusprechen:
1. ob und nach welchem Zeitraum eine amtsärztliche Nachuntersuchung erforderlich ist,
2. ob und in welchen Zeitabständen ärztliche Kontrolluntersuchungen erforderlich sind,
...
(3) Im Falle, dass das ärztliche Gutachten eine amtsärztliche Nachuntersuchung oder ärztliche Kontrolluntersuchungen oder die Verwendung von bestimmten Körperersatzstücken oder Behelfen vorschreibt, ist die Lenkberechtigung nur bis zu dem Zeitpunkt der nächsten amtsärztlichen Nachuntersuchung befristet, erforderlichenfalls unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen, oder unter der Auflage der Verwendung dieser Körperersatzstücke oder Behelfe zu erteilen. Die Befristung oder Auflage ist gemäß § 13 Abs. 2 FSG in den Führerschein einzutragen. Werden ärztliche Kontrolluntersuchungen als Auflage vorgeschrieben, so ist der Befund oder das Gutachten in den vorgeschriebenen Zeitabständen gemeinsam mit dem Führerschein der Behörde vorzulegen.
..."
Zur Rechtmäßigkeit von Kontrolluntersuchungen hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24. Mai 2011, Zl. 2010/11/0001, unter Bezugnahme auf die Vorjudikatur wie folgt ausgeführt:
"Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Z. 2 FSG ist nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann gegeben, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen in diesem Sinne anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 24. April 2001, Zl. 2000/11/0337, vom 13. August 2003, Zl. 2001/11/0183, 13. August 2003, Zl. 2002/11/0228, vom 25. April 2006, Zl. 2006/11/0042, vom 15. September 2009, Zl. 2007/11/0043, und vom 22. Juni 2010, Zl. 2010/11/0067).
Ebenfalls in ständiger Judikatur vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass es für die Annahme einer eingeschränkten gesundheitlichen Eignung im oben genannten Sinn nicht ausreicht, wenn eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 13. August 2003, Zl. 2002/11/0228, und vom 25. April 2006, Zl. 2006/11/0042)."
Ähnliche Ausführungen finden sich in der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 22. Juni 2010, Zlen. 2010/11/0067, 0068, unter Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 15. September 2009, Zl. 2009/11/0084) zu den Voraussetzungen der Befristung einer Lenkberechtigung:
"Um eine bloß eingeschränkte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung, und zwar in ausreichendem Maß, für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art nach Ablauf der von der Behörde angenommenen Zeit mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder in relevantem Ausmaß einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 2008, Zl. 2008/11/0091, mwN)."
Auch im zitierten Erkenntnis, Zlen. 2010/11/0067, 0068, hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass für die Einschränkung der Gültigkeit einer Lenkberechtigung nicht ausreiche, wenn eine Verschlechterung (bloß) nicht ausgeschlossen werden könne.
Im vorliegenden Beschwerdefall hat die belangte Behörde sowohl die Befristung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers als auch die Vorschreibung von ärztlichen Kontrolluntersuchungen im Dreimonatsabstand mit der "Rückfallgefahr" bzw. der "Möglichkeit einer sich verschlechternden Suchterkrankung" begründet und diese Gefahr deshalb als gegeben angenommen, weil der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben zwölf Jahre lang in einem Abstand von drei Tagen Cannabis konsumiert habe.
Voranzustellen ist, dass sich die Annahme einer beim Beschwerdeführer bestehenden Rückfallgefahr durch die belangte Behörde nicht auf die im angefochtenen Bescheid genannten ärztlichen Stellungnahmen stützen lässt, weil diese nicht von einer Rückfallgefahr sprechen. Die diesbezüglichen Überlegungen der belangten Behörde sind aber auch nicht offenkundig, weil das Eingeständnis des Beschwerdeführers über einen in der Vergangenheit erfolgten Cannabiskonsum bereits aus dem Jahr 2010 stammt und der Beschwerdeführer für den daran anschließenden Zeitraum mehrere Drogenharnbefunde vorgelegt hat (stammend vom Juni und Dezember 2011 und vom März 2012), die allesamt ein negatives Ergebnis erbracht haben.
Ungeachtet dessen übersieht die belangte Behörde, dass die (bloße) Möglichkeit der Verschlechterung des Gesundheitszustandes nach der zitierten Judikatur für die Befristung der Lenkberechtigung und für die Vorschreibung von Auflagen nicht genügt.
Da die belangte Behörde somit die Voraussetzungen für die Befristung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers und für die Vorschreibung von Nachuntersuchungen verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 20. November 2012
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