Normen
AVG §45 Abs1;
AVG §59 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs1 Z2;
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §8 Abs3 Z2;
FSG-GV 1997 §11;
AVG §45 Abs1;
AVG §59 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs1 Z2;
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §8 Abs3 Z2;
FSG-GV 1997 §11;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 29. Oktober 1999 wurde die Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin für die Klassen A und B gemäß § 24 Abs. 1 Z. 2 Führerscheingesetz - FSG bis 27. September 2000 befristet und die Bedingung ausgesprochen, dass die Lenkberechtigung nur bei "regelmäßigen 3- monatlichen fachärztlichen Blutzucker- sowie HbA1C-Kontrollen bei Dr. K., regelmäßigen Kontrollen bei Dr. B und gewissenhafter Einnahme der verordneten Medikamente gültig ist". In der Begründung dieses Bescheides stützte sich die Erstbehörde auf das amtsärztliche Gutachten vom 27. September 1999, nach welchem die Beschwerdeführerin bedingt geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B sei. Eine Nachuntersuchung durch den Amtsarzt sei in 12 Monaten notwendig. Regelmäßige 3-monatige fachärztliche Blutzucker- und HbA1C-Kontrollen bei Dr. K. mit Vorlage einer neuerlichen fachärztlichen Stellungnahme bei der Nachuntersuchung, regelmäßige Kontrollen bei Dr. B. und die gewissenhafte Einnahme der verordneten Medikamente seien notwendig. Dies sei mit "Diabetes mit erhöhter HbA1C, MDK, Kontrolle des Gesundheitszustandes und des Fahrverhaltens begründet". Das amtsärztliche Gutachten stütze sich auf die fachärztliche Stellungnahme Dris. B. aus dem Sonderfach Psychiatrie sowie die fachärztliche Stellungnahme Dris. K. aus dem Sonderfach Innere Medizin.
Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass die Wortfolgen "bei Dr. K." und "bei Dr. B." zu entfallen haben.
In der Begründung dieses Bescheides stützte sich die belangte Behörde auf das von ihr eingeholte amtsärztliche Sachverständigengutachten vom 20. Jänner 2000. Demnach sei die Äußerung des Facharztes Dr. B., dass einer unbefristeten Erteilung der Lenkberechtigung nichts entgegen stehe, nur auf sein Sonderfach bezogen. Kontrollen seien aber auch nach dessen Auffassung erforderlich. Die Befristung der Lenkberechtigung sei aber aus internistischen Gründen dringend erforderlich. Dies sei auch im Befund Dris. K. angeführt. Anlässlich der nächsten amtsärztlichen Untersuchung sei zu überprüfen, ob die von den Fachärzten vorgeschriebenen Kontrolluntersuchungen in den notwendigen Abständen auch eingehalten worden seien und ob die fachlichen Befunde für eine weitere Lenkberechtigung ausreichend seien. Bei der Beschwerdeführerin liege ein manisch-depressives Krankheitsbild und eine Zuckerkrankheit vor. Diese habe sich im Laufe des letzten Jahres progredient verschlechtert. Sowohl seitens des Psychiaters als auch des Internisten seien regelmäßige und massive Kontrollen erforderlich. Aus internistischer Sicht sei nach Ablauf eines Jahres neu zu beurteilen, ob es unter entsprechender Medikamenteneinnahme und Diät gelinge, den HbA1C-Wert auf den von der WHO geforderten Wert zu senken.
Die Beschwerdeführerin habe im Rahmen des Parteiengehörs vorgebracht, die einschlägigen Werte hätten sich seit der Untersuchung durch Dr. K. am 23. September 1999 wesentlich verbessert, weshalb beantragt werde, die letzten Werte bei Dr. K. anzufordern.
Die amtsärztliche Sachverständige habe in ihrer abschließenden Stellungnahme vom 5. April 2000 ausgeführt, dass es bei dem vorliegenden Krankheitsbild unbedingt erforderlich sei, einen Längsschnitt des Verlaufes über mehrere Monate und Jahre zu beobachten, um die gesundheitliche Entwicklung beurteilen zu können. Deshalb sei die Lenkberechtigung vorerst auf ein Jahr zu befristen. Daran ändere sich auch nichts, wenn die letzten Blutzuckerwerte im Normbereich lägen.
Das amtsärztliche Gutachten sei schlüssig und nachvollziehbar. Die Beschwerdeführerin sei ihm nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten. Die Notwendigkeit der vorgeschriebenen Untersuchungen werde von ihr grundsätzlich nicht in Abrede gestellt. Die belangte Behörde schließe sich daher den Ausführungen der Amtsärztin an und lege deren Gutachten dem Bescheid zu Grunde. Die von der Erstbehörde für erforderlich erachteten Bedingungen und die Befristung der Lenkberechtigung seien deshalb zu Recht vorgeschrieben worden. Der Spruch des Erstbescheides sei zu modifizieren gewesen, weil es der Beschwerdeführerin frei stehe, welche Fachärzte sie aufsuchen wolle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des FSG von
Bedeutung:
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
..."
"Verfahren bei der Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 5. ...
(5) Die Lenkberechtigung ist, soweit dies auf Grund des ärztlichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Bedingungen, Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen (§ 8 Abs. 3 Z 2); Personen, die nach dem ärztlichen Gutachten 'beschränkt geeignet' sind, darf nur eine eingeschränkte Lenkberechtigung erteilt werden, die ausschließlich zum Lenken eines oder mehrerer, auf Grund der Beobachtungsfahrt bestimmter Ausgleichkraftfahrzeuge berechtigt (§ 9 Abs. 5)."
"Gesundheitliche Eignung
§ 8. ...
(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.
(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:
'geeignet', 'bedingt geeignet', 'beschränkt geeignet' oder 'nicht geeignet'. Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund
...
2. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Bedingung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten 'bedingt geeignet' für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Bedingungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind;
...
(4) Wenn das ärztliche Gutachten die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen von der Erfüllung bestimmter Bedingungen, wie insbesondere die Verwendung von bestimmten Behelfen oder die regelmäßige Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme abhängig macht, so ist bei der Erteilung der Lenkberechtigung deren Gültigkeit von der Erfüllung dieser Bedingung abhängig zu machen."
"§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen
oder
2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.
...
(4) Vor der Entziehung der Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen."
Weiters ist folgende Bestimmung der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV maßgebend:
"Zuckerkrankheit
§ 11. (1) Zuckerkranken darf eine Lenkberechtigung nur nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme erteilt oder belassen werden.
(2) Zuckerkranken, die mit Insulin behandelt werden müssen, darf eine Lenkberechtigung der Gruppe 2 nur in außergewöhnlichen, durch die Stellungnahme eines zuständigen Facharztes begründeten Fällen und unter der Bedingung ärztlicher Kontrolluntersuchungen und amtsärztlicher Nachuntersuchungen erteilt oder belassen werden."
Die amtsärztliche Sachverständige, der die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gefolgt ist, begründet die Befristung im Wesentlichen mit der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Zuckerkrankheit und der Notwendigkeit der amtsärztlichen Nachuntersuchung.
Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Z. 2 FSG ist dann gegeben, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen in diesem Sinne anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (siehe dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 18. Jänner 2000, Zl. 99/11/0266, vom 14. März 2000, Zl. 99/11/0254, und vom 23. Mai 2000, Zl. 99/11/0368).
Ausführungen im dargelegten Sinn fehlen im amtsärztlichen Gutachten, auf das sich der angefochtene Bescheid stützt. Dass auf Grund der Art der Zuckerkrankheit der Beschwerdeführerin mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss, wird nicht dargelegt. Es besteht auch keine allgemeine Notorietät dahin gehend, dass bei jeder Art der Zuckerkrankheit mit einer solchen Verschlechterung gerechnet werden muss. Davon geht auch § 11 FSG-GV nicht aus. Der angefochtene Bescheid leidet demnach in Ansehung der durch ihn verfügten Befristung der Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin an einem Feststellungs- und Begründungsmangel.
Der Bescheid ist aber auch inhaltlich rechtswidrig, weil den durch ihn der Lenkberechtigung beigefügten Bedingungen der "regelmäßigen Kontrollen" - die sich im Zusammenhang mit der Begründung des angefochtenen Bescheides auf Kontrolluntersuchungen bei einem Facharzt der Psychiatrie beziehen - und der "gewissenhaften Einnahme der verordneten Medikamente" die ausreichende Bestimmtheit fehlt. Der von der Erstbehörde gewählten und von der belangten Behörde übernommenen Formulierung lässt sich nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnehmen, was unter "regelmäßigen Kontrollen" und der "gewissenhaften Einnahme der verordneten Medikamente" im gegebenen Zusammenhang zu verstehen ist. Bedingungen der hier zu beurteilenden Art müssen so klar umschrieben sein, dass ihnen der Besitzer der Lenkberechtigung entsprechen kann, ohne erst im Auslegungsweg den Inhalt der Nebenbestimmungen ergründen zu müssen und im Falle einer Fehlinterpretation Gefahr zu laufen, die Lenkberechtigung wegen Nichteinhaltung der Bedingung zu verlieren. Im Falle der Bedingung von Kontrolluntersuchungen ist jedenfalls erforderlich, die Fristen, innerhalb der sie vorzunehmen sind, exakt zu umschreiben. Kann die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nur unter der Annahme, dass die erforderliche Medikation eingehalten wird, bejaht werden, wird ein - durch die Kontrolluntersuchungen festzustellendes - eigenmächtiges Abweichen von der Medikation dazu führen können, dass die gesundheitliche Eignung nicht mehr angenommen werden kann. Die Einnahme von Medikamenten, deren Bezeichnung und Menge im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht feststehen muss, wird hingegen regelmäßig nicht in die Nebenbestimmung einer Bedingung gekleidet werden können.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen - der gegenüber der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgehenden - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. April 2001
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