VwGH 2012/08/0231

VwGH2012/08/023110.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der L Z in S, vertreten durch Mag. Bernd Moser, Rechtsanwalt in 5760 Saalfelden, Mühlbachweg 2, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom 4. September 2012, Zl 20305-V/15.013/4-2012, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 113 ASVG (mitbeteiligte Partei:

Salzburger Gebietskrankenkasse in 5020 Salzburg, Engelbert-Weiß-Weg 10), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §113 Abs1 Z1;
ASVG §113 Abs1 Z3;
ASVG §113 Abs1 Z4;
ASVG §113 Abs2;
ASVG §113 Abs3;
ASVG §5 Abs1 Z2;
ASVG §5 Abs2;
AVG §66 Abs4;
ASVG §113 Abs1 Z1;
ASVG §113 Abs1 Z3;
ASVG §113 Abs1 Z4;
ASVG §113 Abs2;
ASVG §113 Abs3;
ASVG §5 Abs1 Z2;
ASVG §5 Abs2;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 24. Februar 2012 schrieb die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse der Beschwerdeführerin gemäß § 113 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 1.300,-- vor, weil anlässlich einer Kontrolle am 31. Dezember 2011 festgestellt worden sei, dass sie hinsichtlich der Beschäftigung des M. D. gegen die Meldepflicht iSd. § 33 Abs 1 ASVG verstoßen habe.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Einspruch. Sie räumte ein, dass bei der Anmeldung des M. D. ein Fehler unterlaufen sei, weil die tägliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten worden sei; mittlerweile sei eine Änderungsmeldung durchgeführt worden. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe die Vorschreibung des Beitragszuschlages aber damit begründet, dass die Beschwerdeführerin gegen die Meldepflicht des § 33 Abs 1 ASVG verstoßen hätte. Dies sei nicht richtig, da M. D. am 21. Dezember 2011, somit mehrere Tage vor Arbeitsbeginn, mittels ELDA bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zur Pflichtversicherung angemeldet worden sei. Auf Grund der falschen Anmeldung eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses könne nur nach § 113 Abs 1 Z 2 oder 4, nicht aber nach § 113 Abs 1 Z 1 ein Beitragszuschlag verhängt werden. Im Übrigen sei die Beschwerdeführerin ihren Verpflichtungen bisher immer zeitgerecht nachgekommen. Es werde beantragt, den Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs 1 Z 1 ASVG zu "widerrufen".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch als unbegründet ab. Sie stellte fest, dass am 31. Dezember 2011 um 9:20 Uhr an einem von der Beschwerdeführerin betriebenen Verkaufsstand für Feuerwerkskörper eine Kontrolle durch Organe des Finanzamtes S. stattgefunden habe, wobei M. D. als seit dem 29. Dezember 2012 entgeltlich tätiger Dienstnehmer der Beschwerdeführerin betreten worden sei. Er sei von der Beschwerdeführerin zwar vor Beschäftigungsbeginn, aber lediglich auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung zur Sozialversicherung gemeldet worden.

Die Pflichtvollversicherung des M. D. während des gesamten Tätigkeitszeitraumes stehe außer Streit. Er sei von der Beschwerdeführerin vor Beginn der Beschäftigung im Sinn des § 33 Abs 1 AVG und nicht "unter Abstellung auf die Regelungsvorgaben bzw Anmeldeoptionen des § 33 Abs 1a ASVG (Meldung in zwei Schritten)" zur Sozialversicherung gemeldet worden. Die Beschwerdeführerin habe dabei lediglich eine Meldung zur Teilversicherung vorgenommen. Auf Grund der nicht erfolgten Meldung zur Vollversicherung bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sei eine Meldung "zur Unfall- und Pensionsversicherung" nicht erfolgt. Der Wille des Gesetzgebers sei jedoch darin gelegen, bereits vor Beschäftigungsbeginn eine rechtskonforme Meldung zur Sozialversicherung von voll- oder eben nur teilversicherten Dienstnehmern vorzunehmen. Für eine - vor allem nach der Betretung - die Meldepflichtverletzung sanierende Änderungsmeldung bestehe kein gesetzlicher Rahmen. Die Meldung zur Sozialversicherung könne auch gemäß § 113 Abs 1 Z 1 ASVG als falsch beurteilt werden, sodass die Vorschreibung eines Beitragszuschlags nicht nur gemäß § 113 Abs 1 Z 2 oder Z 4 ASVG erfolgen könne.

Die Beschwerdeführerin habe daher als Dienstgeberin im Sinn des § 35 Abs 1 ASVG die ihr gemäß § 33 Abs 1 ASVG auferlegte Meldepflicht verletzt. Die rechtmäßige Anmeldung des der Vollversicherung nach § 4 Abs 1 und Abs 2 ASVG unterliegenden Dienstnehmers sei zum Kontrollzeitpunkt nicht vorgelegen.

Dem Antrag, den Beitragszuschlag (auch aus Gründen der Geringfügigkeit des Verstoßes) zu widerrufen, sei nicht zu folgen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Beschwerdeführerin hat repliziert, indem sie auf das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2012, Zl 2012/08/0143, hingewiesen hat. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass ein Beitragszuschlag nur gemäß § 113 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 ASVG vorgeschrieben werden hätte dürfen; dieser hätte nicht höher sein dürfen als das Doppelte des Unterschiedsbetrages zwischen den sich aus dem zu niedrig gemeldeten Entgelt ergebenden und den zu entrichtenden Beiträgen.

Damit ist die Beschwerdeführerin im Recht:

Unstrittig ist, dass im Beschwerdefall eine Anmeldung zur Pflichtversicherung vor Arbeitsbeginn erfolgt ist, wobei allerdings ein zu geringes Entgelt gemeldet wurde.

Der Tatbestand des § 113 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG stellt aber - insofern eindeutig - auf die Unterlassung einer Anmeldung "zur Pflichtversicherung" ab und nicht darauf, dass - insbesondere mit Blick auf die in § 5 Abs 1 Z 2 ASVG geregelte Ausnahme von der Vollversicherung - eine bestimmte Art der Pflichtversicherung korrekt gemeldet worden ist. Der Gesetzgeber hat die Vorschreibung von Beitragszuschlägen wegen Meldeverstößen betreffend das Entgelt dem Grunde und der Höhe nach in § 113 Abs 1 Z 3 und 4 iVm Abs 3 ASVG gesondert geregelt, woraus abzuleiten ist, dass er damit die Konsequenzen derartiger Meldeverstöße - auch soweit sie das Über- oder Unterschreiten der Geringfügigkeitsgrenze iSd § 5 Abs 2 ASVG und damit die Beurteilung der im konkreten Fall zutreffenden Art der Pflichtversicherung betreffen - einer abschließenden Regelung zugeführt hat. Für die Auffassung der belangten Behörde lässt sich entgegen ihren Ausführungen in der Gegenschrift auch nicht ins Treffen führen, dass - dem Gesetzgeber nicht zusinnbare - Umgehungsmöglichkeiten eröffnet würden: Denn die Möglichkeit einer Bestrafung wegen der Meldepflichtverletzung nach § 111 Abs 1 Z 1 ASVG bleibt unberührt, und der Umstand, dass überhaupt eine Meldung "zur Pflichtversicherung" erstattet wurde, ermöglicht - anders als die gänzliche Unterlassung einer Meldung - eine Überprüfung der Umstände einer Beschäftigung durch die zuständigen Organe. Wie der Fall eines nicht gemeldeten späteren Anstiegs des Anspruchslohnes (über die Geringfügigkeitsgrenze), so ist daher auch der Fall des schon ursprünglich zu niedrig gemeldeten Entgelts allein nach § 113 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 ASVG zu beurteilen (vgl zum Ganzen das hg Erkenntnis vom 17. Oktober 2012, Zl 2012/08/0143).

Die belangte Behörde hat somit die Rechtslage verkannt, indem sie wegen der Meldung eines zu geringen Entgelts einen Beitragszuschlag nach § 113 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG vorgeschrieben hat. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das die Eingabengebühr betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit nach § 110 ASVG abzuweisen.

Für das fortgesetzte Verfahren ist noch darauf hinzuweisen, dass Beitragszuschläge nach § 113 Abs 1 Z 1 ASVG einerseits und solche nach Z 4 leg cit andererseits jeweils unterschiedliche Verfahrensgegenstände darstellen (vgl das hg Erkenntnis vom 11. Juli 2012, Zl 2009/08/0091). Wurde daher von der erstinstanzlichen Behörde nur ein Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs 1 Z 1 ASVG vorgeschrieben, so überschreitet die Rechtsmittelbehörde die Sache des Verfahrens, wenn sie einen Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs 1 Z 4 ASVG vorschreibt.

Wien, am 10. April 2013

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