Normen
AVG §56;
AVG §8;
FlVfLG Tir 1952 §44 Abs2 ;
FlVfLG Tir 1952 §47 Abs1;
FlVfLG Tir 1952 §60 Abs2;
FlVfLG Tir 1952 §65 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
AVG §56;
AVG §8;
FlVfLG Tir 1952 §44 Abs2 ;
FlVfLG Tir 1952 §47 Abs1;
FlVfLG Tir 1952 §60 Abs2;
FlVfLG Tir 1952 §65 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 27. Juli 2011 stellte das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) auf Antrag der mitbeteiligten Agrargemeinschaft fest, dass das in ihrem Eigentum stehende Grundstück 1753 in EZ 268 kein Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 in der Fassung LGBl. Nr. 7/2010 darstellt. Der Erstbescheid stützt sich vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darauf, dass während des Regulierungsverfahrens mit mehreren, näher genannten agrarbehördlichen Bescheiden rechtskräftig festgestellt worden sei, dass es sich beim Regulierungsgebiet um ein agrargemeinschaftliches Grundstück nach § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 handle.
Dagegen erhob die Gemeinde Berufung, in der sie sich vor allem gegen die dieser Rechtsansicht zu Grunde gelegene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wandte.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 24. Oktober 2012 wurde die Berufung der Gemeinde als unbegründet abgewiesen.
Die belangte Behörde gründete ihre entscheidungswesentlichen Feststellungen darauf, dass mit Schreiben vom 8. Juni 1956 die sogenannten "F" bei der AB eine Entscheidung beantragt hätten, welches Guthaben sie im sogenannten S-Wald hätten und welche Bezugsbedingungen in diesem Wald bestünden. Anlässlich der agrarbehördlichen Verhandlung am 17. November 1956 sei von den Parteien einhellig festgestellt worden, dass der S-Wald ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des § 36 TFLG 1952 darstelle, welches ausschließlich von den Eigentümern von 41 Liegenschaften genützt werde. Festgestellt worden sei auch, dass auf diesem Wald weiters die Dienstbarkeit des Bezuges von Brennholz für die jeweiligen Eigentümer von sechs Liegenschaften in der Höhe von jährlich je zwei Wiener Klaftern laste. Unter einem sei anlässlich dieser Verhandlung die Regulierung des S-Waldes beantragt worden, welchem Antrag sich auch der Bürgermeister der Gemeinde angeschlossen habe.
Mit Bescheid der AB vom 8. Jänner 1957 sei das Verfahren zur Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte des Waldes eingeleitet und darauf hingewiesen worden, dass der S-Wald ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des § 36 Abs. 1 lit. b FLG 1952 sei. Mit Bescheid "Liste der Parteien und Verzeichnis der Anteilsrechte" vom 14. März 1957 sei das Regulierungsgebiet als ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952, LGBl. Nr. 32, und als im Eigentum der Agrargemeinschaft stehend qualifiziert worden. Mit Bescheid vom 27. Juli 1957 sei schließlich der Regulierungsplan für den S-Wald ergangen, mit welchem das gemeinschaftlich genutzte Gebiet neuerlich als agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des § 36 Abs. 1 lit. b FLG 1952 und als im Eigentum der Agrargemeinschaft stehend qualifiziert worden sei. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Schwaz vom 11. Dezember 1957 sei das Grundstück 1753 einer neu eröffneten Einlagezahl unter Einverleibung des Eigentumsrechts für die Agrargemeinschaft zugeschrieben worden.
Nach Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass dann, wenn eine agrargemeinschaftliche Liegenschaft als solche nach § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 qualifiziert werde, damit nicht das Gemeindegut der politischen Gemeinde, sondern das Gut einer Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten gemeint sei. Eine rechtskräftige Feststellung dieser Art binde in der weiteren Folge die Agrarbehörden, aber auch den Verwaltungsgerichtshof. Aus dieser Rechtsprechung lasse sich unzweifelhaft erschließen, dass das Grundstück Nr. 1753 in EZ 268 nicht als Gemeindegut der politischen Gemeinde, sondern vielmehr im Gegenteil als Gut einer agrarischen Gemeinschaft rechtskräftig festgestellt worden sei. Hätte die Agrarbehörde Gemeindegut im Sinne der Tiroler Gemeindeordnung feststellen wollen, hätte sie dies mit einer entsprechenden bescheidmäßigen Qualifizierung nach § 36 Abs. 2 lit. d TFLG 1952 tun können.
Infolge der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse unbeachtet bleiben, dass vor der Durchführung des Regulierungsverfahrens in Bezug auf die Liegenschaft EZ 89 das Eigentumsrecht für die Gemeinde, dies auf Grund des Vergleiches der k.k. Waldservituten-Ausgleichungs-Kommission vom 24. Mai 1849 einverleibt gewesen sei. Die Bindungswirkung der im Regulierungsverfahren mehrfach erlassenen rechtskräftigen Bescheide und die Qualifizierung als ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 dürfe nicht vernachlässigt werden. Ein Eingehen auf das Vorbringen der Gemeinde zu historischen Umständen, welche zeitlich vor dem Regulierungsverfahren gelegen seien, erübrige sich daher.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.
Die Beschwerde stützt sich auf den Umstand, dass dann, wenn ein Bescheid gegenüber einer Person nicht erlassen werde, dieser für sie ohne jede Wirkung sei. In Mehrparteienverfahren sei anzunehmen, dass ein Bescheid bereits mit der Erlassung gegenüber einer Partei rechtliche Existenz erlange, auch wenn er gegenüber den anderen Parteien - solange er ihnen gegenüber nicht erlassen worden sei - keine rechtlichen Wirkungen äußere. Auf Personen, die als Parteien beizuziehen gewesen wären, aber übergangen worden seien, bezögen sich die Bescheidwirkungen hingegen nicht. Auch eine Umdeutung des Bescheidadressaten komme nach Ansicht der Beschwerdeführerin nicht in Betracht.
Nun nenne aber weder der agrarbehördliche Bescheid vom 14. März 1957 (Liste der Parteien und Verzeichnis der Anteilsrechte) noch der Regulierungsplan vom 27. Juli 1957 die Beschwerdeführerin als Adressatin des Bescheides. Weder die Feststellung, dass es sich beim Grundstück Nr. 1753 um ein agrargemeinschaftliches Grundstück gemäß § 36 Abs. 1 lit. b FLG 1952 handle noch die Feststellung, dass dieses Grundstück im Eigentum der Agrargemeinschaft stehe, sei daher gegenüber der Gemeinde wirksam geworden.
Die belangte Behörde hätte somit der Berufung der Beschwerdeführerin Folge geben und feststellen müssen, dass es sich bei diesem Grundstück um Gemeindegut handle und dass es noch im Eigentum der Beschwerdeführerin stehe, weil die Beschwerdeführerin vor den ihr gegenüber nicht rechtswirksam gewordenen agrarbehördlichen Bescheiden vom 14. März 1957 und 27. Juli 1957 als Eigentümerin dieser Liegenschaft im Grundbuch eingetragen gewesen sei und diese Eintragung die nicht widerlegte Vermutung der Richtigkeit für sich habe. Die Unrichtigkeit der aktuellen Grundbuchseintragung ergebe sich hingegen aus dem Regulierungsakt, weil auch der Regulierungsplan vom 27. Juli 1957 der Gemeinde gegenüber niemals rechtswirksam erlassen worden sei.
Zumindest aber hätte die belangte Behörde jene Erhebungen durchführen und Feststellungen treffen müssen, die notwendig gewesen wären, um die Gemeindegutseigenschaft und das Eigentum am Grundstück Nr. 1753 unabhängig von den gegenüber der Beschwerdeführerin nicht wirksam gewordenen agrarbehördlichen Bescheiden beurteilen zu können.
Dem entgegnete die belangte Behörde damit, dass es sich beim Beschwerdevorbringen um eine unzulässige Neuerung handle.
Gemäß § 41 Abs. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen.
Nun stellt die Frage, ob ein Bescheid allen Verfahrensparteien zugestellt wurde oder nicht, nicht bloß eine Rechtsfrage, sondern aus nachstehenden Gründen auch eine Sachverhaltsfrage dar:
Die Gemeinde war im Einleitungsstadium und jedenfalls bis zur Erlassung des Bescheides der AB vom 14. Mai 1957 gemäß § 47 Abs. 1 in Verbindung mit § 44 Abs. 2 Punkt B Z. 1 TFLG 1952 als grundbücherliche Eigentümerin der agrargemeinschaftlichen Grundstücke Partei des Regulierungsverfahrens. Insbesondere der Bescheid der AB vom 14. Mai 1957, auf dessen Bindungswirkung sich die belangte Behörde u.a. beruft, spricht auch über Rechte der Gemeinde ab.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet die Übermittlung einer Bescheidausfertigung an eine Partei die Zustellung des Bescheides an diese, selbst wenn die Absicht der Behörde auf eine bloße Information gerichtet war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 10. November 2011, 2009/07/0204, mwN). Dies gilt gleichermaßen für Sonderformen der Bescheiderlassung (wie im vorliegenden Fall); auch dadurch kann eine von der Behörde fälschlicherweise nicht intendierte Bescheiderlassung gegenüber einer Verfahrenspartei bewirkt werden.
Die Bescheide im Regulierungsverfahren wurden - entsprechend den damaligen Vorschriften des TFLG 1952 über die Bescheiderlassung (vgl. dazu u.a. die §§ 60 Abs. 2 und 65 Abs. 2 leg. cit.) - durch zwei Wochen in der Gemeindekanzlei zur allgemeinen Einsicht aufgelegt. Der Ort und die Zeit des Aufliegens sowie eine Rechtsmittelbelehrung wurden in der Gemeinde kundgemacht; demnach stehe es jedem frei, innerhalb der Auflagefrist und weiterer zwei Wochen Berufung einzubringen.
Die Gemeinde hat weder während des erstinstanzlichen Verfahrens noch in der Berufung oder während des Berufungsverfahrens vorgebracht, ihr gegenüber wären die genannten Bescheide nicht durch die genannte Kundmachung und Auflage zur Einsicht erlassen worden. Das erstmals im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erstattete Vorbringen verstößt daher gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (vgl. in diesem Sinn die hg. Erkenntnisse vom 15. September 1995, 95/17/0054, und vom 26. März 1996, 95/19/0596), sodass darauf nicht näher einzugehen war.
Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Qualifikation von agrargemeinschaftlichen Grundstücken verletzt der angefochtene Bescheid aber keine Rechte der Gemeinde.
Die belangte Behörde ist nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Qualifikation von Grundstücken nach § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 abgewichen (vgl. dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 30. Juni 2011, 2011/07/0050, und vom 13. Oktober 2011, 2011/07/0163).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 23. Oktober 2014
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