VwGH 2011/23/0651

VwGH2011/23/065124.4.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Mai 2008, Zl. E1/133.135/2008, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs4 Z3;
SMG 1997 §28 Abs6;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs4 Z3;
SMG 1997 §28 Abs6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein kolumbianischer Staatsangehöriger, reiste am 5. April 2003 illegal in das Bundesgebiet ein. Am 5. Dezember 2003 heiratete er (in Wien) die slowenische Staatsangehörige J. Auf Grund des daraufhin gestellten Antrags wurde ihm eine Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter DrittSta. - EWR, § 47 Abs. 3 FrG", gültig vom 4. Juni 2004 bis zum 10. Juni 2009, erteilt. In weiterer Folge wurde seiner Ehefrau die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. September 2007 wurde der Beschwerdeführer wegen des versuchten Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall und Abs. 4 Z 3 des Suchtmittelgesetzes (SMG) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt. Dem gerichtlichen Schuldspruch zufolge habe der Beschwerdeführer versucht, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit drei Mittätern (§ 12 StGB) Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs. 6 SMG) übersteigenden Menge, nämlich Kokain mit einem Reinheitsgrad von 54% im Ausmaß von knapp über einem Kilogramm, durch die Übergabe zum Ankauf an einen verdeckten Ermittler in Verkehr zu setzen.

Im Hinblick auf diese Verurteilung und das zu Grunde liegende strafbare Verhalten erließ die belangte Behörde mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 30. Mai 2008 gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 87 in Verbindung mit § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG).

Die belangte Behörde stellte fest, dass das dargestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers öffentliche Interessen tatsächlich, gegenwärtig und erheblich beeinträchtige und ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - gegeben seien.

In Ansehung des § 66 FPG wies die belangte Behörde darauf hin, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und bis zu seiner Inhaftierung ordnungsgemäß beschäftigt gewesen sei. Im Hinblick darauf sei mit dem Aufenthaltsverbot zwar ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden, dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - nämlich zur Verhinderung weiterer Straftaten, insbesondere der Suchtgiftkriminalität, und zum Schutz der Gesundheit Dritter - dringend geboten und somit zulässig. Die belangte Behörde verwies in diesem Zusammenhang auf die hohe Sozialschädlichkeit der Suchtgiftkriminalität, auf die damit verbundene große Wiederholungsgefahr sowie auf die erhebliche Menge (von über einem Kilogramm) an Kokain, die verkauft werden sollte. Im Ergebnis würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Gattin keinesfalls schwerer wiegen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem in Zukunft fernbleibe. Daraus resultierende Einschränkungen im Kontakt zu seiner Ehefrau habe der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände sah die belangte Behörde auch keinen Grund, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Auch die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes sei gerechtfertigt, weil nicht vorhergesehen werden könne, ob jemals und gegebenenfalls wann die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Juni 2008 geltende Fassung.

In Anbetracht der Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin prüfte die belangte Behörde die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zutreffend gemäß § 87 FPG am Maßstab des § 86 Abs. 1 FPG. Nach dieser Bestimmung ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Der Beschwerdeführer weist unstrittig die dargestellte strafgerichtliche Verurteilung auf. Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang, allein die Tatsache seiner Verurteilung könne nicht ohne weiteres die Annahme rechtfertigen, sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde die Annahme der in § 86 Abs. 1 FPG umschriebenen, erhöhten Gefährdung nicht auf den bloßen Umstand der Verurteilung, sondern auf das dieser Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers gestützt hat. Der Beschwerdeführer war am Versuch beteiligt, eine Menge an Kokain in Verkehr zu setzen, die das 25-fache der Grenzmenge im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG (nämlich 15 g) bei weitem überstieg, weshalb ihm im Rahmen der strafgerichtlichen Verurteilung auch die Qualifikation des § 28 Abs. 4 Z 3 SMG zur Last gelegt wurde. Angesichts dieses Fehlverhaltens kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegen getreten werden, wenn sie annahm, vom Beschwerdeführer gehe eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer vor seiner (einzigen) Verurteilung unbescholten war. Die belangte Behörde hat nämlich zutreffend auf die hohe Sozialschädlichkeit der Suchtgiftkriminalität und die damit verbundene große Wiederholungsgefahr hingewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof ist in Bezug auf die Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt davon ausgegangen, diese stelle ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse bestehe (vgl. das Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0474).

Soweit der Beschwerdeführer auf sein Wohlverhalten in der Haft verweist, ist ihm zu erwidern, dass auf einen allfällig durch Haft erfolgten Gesinnungswandel in derartigen Fällen erst nach einer entsprechend langen Zeit des Wohlverhaltens nach der Entlassung aus der Strafhaft geschlossen werden kann (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zl. 2008/21/0200, mwN). Einen Wegfall der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers musste die belangte Behörde demzufolge schon deshalb nicht annehmen, weil sich dieser zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch in Haft befand.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, dass er am 14. Juli 2008 bedingt entlassen und somit ein Strafrest in der Dauer von acht Monaten bedingt nachgesehen worden sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass zum einen die belangte Behörde das Fehlverhalten des Fremden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen zu beurteilen hat und zum anderen sich schon den Tatbeständen des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG die gesetzgeberische Wertung entnehmen lässt, dass die bedingte Strafnachsicht einem Aufenthaltsverbot nicht entgegensteht (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom 29. September 2011, Zl. 2009/21/0138).

Soweit der Beschwerdeführer eine mangelhafte Sachverhaltsermittlung durch die belangte Behörde rügt, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen, welche weiteren, zu seinen Gunsten sprechenden Umstände die Behörde hätte ermitteln sollen. Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die belangte Behörde habe weder ihn selbst noch seine Ehefrau zur beabsichtigten Verhängung eines Aufenthaltsverbotes einvernommen. Diesbezüglich ist ihm zu erwidern, dass er im Verwaltungsverfahren ausreichend Gelegenheit hatte, angehört zu werden. Zu welchem Thema eine (weitere) Einvernahme seiner Ehefrau hätte erfolgen sollen, wird in der Beschwerde nicht ausgeführt. Darüber hinaus lässt sich dem Verwaltungsakt entnehmen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers von der Bundespolizeidirektion Wien ohnedies am 27. Februar 2008 einvernommen wurde. Schließlich ist diesem Beschwerdevorbringen noch entgegenzuhalten, dass im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom 29. März 2012, Zl. 2011/23/0280).

Wenn der Beschwerdeführer behauptet, auf Grund der vorliegenden Umstände würde sein Weiterverbleib im Bundesgebiet keineswegs den im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwider laufen, ist dies schon angesichts der sich in seinem Tatverhalten manifestierenden Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht zu teilen.

Der Beschwerdeführer wendet sich schließlich gegen die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung. Er verweist diesbezüglich auf seine starke familiäre Bindung in Österreich sowie auf die fehlende Bindung zum Heimatland Kolumbien.

Der Umstand der aufrechten Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin wurde von der belangten Behörde ausreichend in ihre Interessenabwägung einbezogen. Es ist diesbezüglich nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die Auffassung vertrat, der Beschwerdeführer habe Einschränkungen hinsichtlich des Kontaktes zu seiner Ehefrau im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Es entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei solchen Verbrechen gegen das SMG weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einem Aufenthaltsverbot entgegenstehen (vgl. das Erkenntnis vom 28. Mai 2008, Zl. 2008/21/0339). Auch fehlende Bindungen zum Herkunftsland des erst im Alter von 31 Jahren nach Österreich gekommenen Beschwerdeführers vermögen nichts daran zu ändern, dass die belangte Behörde zutreffend davon ausging, die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation würden nicht schwerer wiegen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. April 2012

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