VwGH 2011/15/0199

VwGH2011/15/019927.2.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Zorn, Hofrätin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Linz in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 16. November 2011, Zl. RV/1351-L/10, betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2008 (mitbeteiligte Partei: D GmbH in P), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art41 Abs1;
GewStG §7 Z1;
KStG §10;
KStG §11 Abs1 Z4;
KStG §12 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:2011150199.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Mitbeteiligte ist eine inländische GmbH. Sie ist Gruppenträgerin iSd § 9 KStG 1988.

In der Beilage zur Körperschaftsteuererklärung 2008 hat die Mitbeteiligte ausgeführt, es seien ihr Aufwendungen von 1.504.344,66 EUR als "Bereitstellungsgebühren für Bankverbindlichkeiten ..., die in Zusammenhang mit der Finanzierung des Erwerbs von Beteiligungen gemäß § 10 Abs. 2 KStG entstanden sind", angefallen. Gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 seien Zinsen in Zusammenhang mit der Fremdfinanzierung des Erwerbes von Kapitalanteilen iSd § 10 KStG 1988 Betriebsausgaben. Nach Ansicht der Mitbeteiligten handle es sich bei den in Rede stehenden "Finance Fees" um Zinsen iSd § 11 KStG 1988.

Die Mitbeteiligte ist davon ausgegangen, dass diese Bereitstellungsgebühren gemäß § 6 Z 3 EStG 1988 auf die Laufzeit des Kredites (9 Jahre) aufzuteilen sind, und hat solcherart für das Streitjahr 2008 nur einen Anteil von 173.391,66 EUR als Betriebsausgaben geltend gemacht.

Das Finanzamt erließ einen Feststellungsbescheid Gruppenträger, in welchem es das Einkommen für 2008 der Mitbeteiligten mit -4.288.374,11 EUR feststellte. Die geltend gemachten (anteiligen) Bereitstellungsgebühren von 173.391,66 EUR ließ es nicht zum Abzug zu. Zur Begründung führte es aus, diese Aufwendungen seien nicht Zinsen "im engeren Sinn" gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 KStG, sondern fielen unter das Abzugsverbot des § 12 Abs. 2 KStG 1988.

Die Mitbeteiligte erhob Berufung und begehrte die Berücksichtigung der geltend gemachten Betriebsausgaben. Sie beträfen Bereitstellungsgebühren für Bankverbindlichkeiten, die in Zusammenhang mit der Finanzierung des Erwerbs von Beteiligungen gemäß § 10 Abs. 2 KStG 1988 entstanden seien. Das Finanzamt vertrete den Körperschaftsteuerrichtlinien 2001 folgend eine enge Auslegung des Begriffes "Zinsen" in § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988. Diese Auffassung stütze sich darauf, dass im Ministerialentwurf zum StReformG 2005 der (zunächst geplante) Gesetzestext noch von "Kosten der Fremdfinanzierung" gesprochen habe, im Rahmen der Begutachtung des Ministerialentwurfes jedoch die Formulierung geändert worden sei, sodass das Gesetz nunmehr den Begriff "Zinsen" verwende. Diese Abänderung sei nach Meinung des Finanzamtes vorgenommen worden, weil der Steuergesetzgeber gemeint habe, der Begriff der "Kosten der Fremdfinanzierung" könnte weit interpretiert werden und wäre daher auch missbräuchlicheren Gestaltungen zugänglich. Nach Ansicht der mitbeteiligten Partei führe aber die teleologische Interpretation und die Wortinterpretation zum Ergebnis, dass die hier strittigen Aufwendungen ebenfalls dem § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 zu subsumieren seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. In der Entscheidungsbegründung werden zunächst folgende Literaturmeinungen zur Auslegung von § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 dargestellt: Wiesner/Mayr/Kirchmayr2, Gruppenbesteuerung, K61f; Kallina/Roller in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, Die Körperschaftsteuer; Nowotny in Quantschnigg/Achatz/Haidenthaler/Trenkwalder/Tumpel, Gruppenbesteuerung, § 11 Tz 10; Bieber in Achatz/Kirchmayr, KStG § 11 Tz 52f; Plansky in Lang/Schuch/Staringer, KStG, § 11 Tz. 46, sowie Tissot, SWK 2004, S 1001.

Sodann begründet die belangte Behörde, aus der im § 12 Abs. 2 KStG 1988 verwendeten Wortfolge "unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang" ergebe sich, dass im Spannungsverhältnis zwischen § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 und § 12 Abs. 2 KStG 1988 eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten sei. Nach Ansicht der belangten Behörde sei der Begriff "Zinsen" iSd § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 dem in der Rechtsprechung vorkommenden Begriff der "Schuldzinsen" gleichzusetzen und umfasse daher grundsätzlich alle für das aufgenommene Fremdkapital zu leistenden Zahlungen, wenn diese nicht die Tilgung des Fremdkapitals beträfen. Ein Abzugsverbot für Fremdfinanzierungsaufwendungen, die über laufende Zinsen im engeren Sinn hinausgehen (wie zB Geldbeschaffungskosten, Kursverluste), erschiene unbegründet, weil die Steuerbefreiung gemäß § 10 KStG 1988 lediglich der Vermeidung der Doppelerfassung von Beteiligungserträgen diene und keine Steuerbegünstigung darstelle, die ein Abzugsverbot nach § 12 Abs. 2 KStG 1988 rechtfertigte.

Da die steuerrechtliche Judikatur unter Zinsen sämtliche einmalige oder laufende Leistungen in Geld oder Geldeswert (Bar- oder Sachaufwendungen) verstehe, die der Schuldner an den Gläubiger als Entgelt für die Überlassung eines bestimmten Kapitals zur Nutzung entrichte, bestehe kein überzeugender Grund, im Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 einen eigenen Zinsenbegriff zu kreieren, wenn auch die Auffassung der Finanzverwaltung "historisch durchaus begründbar" erscheine. Hätte der Gesetzgeber anderes beabsichtigt, wäre wohl eine eigene Legaldefinition des Begriffes "Zinsen" notwendig gewesen.

Damit seien die von der Mitbeteiligten geltend gemachten Aufwendungen abzugsfähig. Diese Nebenkosten seien als Aktivposten auf die Laufzeit der Verbindlichkeit verteilt abzuschreiben (§ 6 Z 3 EStG 1988). Daher werde für das Jahr 2008 ein Betrag von 173.391,66 EUR in Abzug gebracht.

Gegen diesen Bescheid hat das Finanzamt Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und erklärt, den Bescheid hinsichtlich der von der belangten Behörde anerkannten Abzugsfähigkeit der Finanzierungskosten anzufechten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 2 KStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Vermögensvermehrungen und Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nicht abgezogen werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hängen Zinsen eines Kredites, der zum Erwerb einer Schachtelbeteiligung iSd § 10 KStG 1988 aufgenommen wurde, mit den (steuerfreien) Schachtelgewinnen aus dieser Beteiligung unmittelbar zusammen und unterliegen daher grundsätzlich dem Abzugsverbot des § 12 Abs. 2 KStG 1988 (vgl. beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 26. August 2009, 2007/13/0026, vom 20. Oktober 2004, 99/14/0079, vom 20. November 1996, 96/15/0188; vom 10. Oktober 1996, 94/15/0187, vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, 2008/15/0051, Slg 8483/F, zum Fehlen eines Zusammenhanges zwischen der Steuerfreiheit der Zinsen aus Beteiligungen und dem Kursverlust der Fremdwährungs-Finanzierungsverbindlichkeit).

Mit dem StReformG 2005, BGBl. I Nr. 57/2004, wurde in § 11 Abs. 1 KStG 1988, der für bestimmte Aufwendungen ausdrücklich die Abziehbarkeit als Betriebsausgabe anordnet, folgende Z 4 (mit Wirksamkeit ab der Veranlagung 2005) angefügt:

"Die Zinsen in Zusammenhang mit der Fremdfinanzierung des Erwerbes von Kapitalanteilen im Sinne des § 10, soweit sie zum Betriebsvermögen zählen."

Das Finanzamt bringt vor, bei Interpretation des § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 sei der gesamte Gesetzgebungsprozess zu beachten. Entscheidend sei dabei, dass der ministeriale Begutachtungsentwurf zum StReformG 2005 (136/ME XXII. GP) noch die Formulierung "Kosten der Fremdfinanzierung" enthalten habe und erst die endgültige Regierungsvorlage (451 BlgNR XXII. GP) stattdessen den Begriff "Zinsen" verwende. Der Grund für diese Änderung sei der engere Zinsbegriff gewesen, der im Gegensatz zu "Kosten der Fremdfinanzierung" weniger anfällig für mögliche missbräuchliche Gestaltungen sei. Durch diesen Wechsel in der Formulierung komme die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck, einen engen Zinsbegriff statuieren zu wollen. Die belangte Behörde anerkenne die durch diesen Wechsel zum Ausdruck kommende Absicht des Gesetzgebers und spreche ebenso wie die einschlägige Literatur davon, dass die darauf aufbauende Auslegung des § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 historisch begründbar sei. Im Hinblick auf diese Vorgänge der Gesetzesentstehung bleibe aber für eine systematische Interpretation der Norm kein Raum. Die Bestimmung sei dem Wortsinn nach auszulegen. Zinsen seien demnach Vergütungen für die Überlassung von Kapital zur Nutzung. Im gegenständlichen Fall handle es sich bei den in Streit stehenden Aufwendungen um Bereitstellungsgebühren, also Kosten, die für die jederzeitige Abrufbarkeit des Kredites zu leisten seien. Diese Aufwendungen stünden in keinem Zusammenhang mit der tatsächlichen Nutzung des Kredites. Diese Gebühr falle unabhängig davon an, ob und wann der Kredit tatsächlich abgerufen werde, ja selbst dann, wenn der Kredit gar nicht in Anspruch genommen werde.

Das Finanzamt übersieht mit seinem Vorbringen, dass es nach österreichischem Verfassungsrecht nicht der Exekutive obliegt, Gesetze im formellen Sinn zu erlassen. Nach Art. 24 B-VG wird die Gesetzgebung des Bundes vom Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat ausgeübt. Im Schoß der Exekutive gepflogene Überlegungen können nicht der Legislative zugerechnet werden.

Für die Erläuterungen in einer Regierungsvorlage gilt freilich Besonderes: Gemäß Art. 41 Abs. 1 B-VG gelangen Gesetzesvorschläge an den Nationalrat als Anträge seiner Mitglieder, des Bundesrates oder eines Drittels der Mitglieder des Bundesrates sowie als Vorlagen der Bundesregierung. Soweit die Erläuterungen einer Regierungsvorlage, die zu einem Gesetzesbeschluss des Gesetzgebers geführt hat, Darlegungen zur inhaltlichen Bedeutung der von der Regierung vorgeschlagenen verba legalia enthalten, können diese Darlegungen insofern der Interpretation des Gesetzestextes dienen, als sich (regelmäßig) aus dem Umständen ergibt, dass der Gesetzgeber von diesem Verständnis des von ihm beschlossenen Gesetzestextes ausgegangen ist. Demgegenüber sind vor bzw. außerhalb der Regierungsvorlage iSd Art. 41 Abs. 1 B-VG angestellte Überlegungen der Exekutive in der Regel nicht geeignet, den Inhalt des von Nationalrat und Bundesrat herbeigeführten Gesetzesbeschlusses auszuloten. In Bezug auf den Ministerialentwurf eines Gesetzes kommt dem Parlament verfassungsrechtlich nicht mehr als Beobachterstatus zu.

In den ErlRV zum StReformG 2005, 451 der Beilagen XXII. GP, 29 f, wird ausgeführt:

"Durch die in Abs. 1 eingefügte neue Z 4 soll erreicht werden, dass bei Fremdfinanzierung von zum Betriebsvermögen gehörenden Kapitalbeteiligungen, trotz der Steuerneutralität der laufenden Beteiligungserträge (Dividenden), die Finanzierungskosten als Betriebsausgabe abgesetzt werden können. Zum Betriebsvermögen von Körperschaften zählen jedenfalls Kapitalbeteiligungen, die von Körperschaften im Sinne des § 7 Abs. 3 KStG 1988 gehalten werden."

Die ErlRV sprechen von "Finanzierungskosten" und lassen keinen Hinweis auf eine Einschränkung des Zinsenbegriffes erkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner ertragsteuerlichen Rechtsprechung wiederholt in Zusammenhang mit § 7 Z 1 GewStG (nach dieser Bestimmung waren bei Ermittlung des Gewerbeertrages "Zinsen" hinzuzurechnen) mit dem Zinsenbegriff auseinander gesetzt. Zinsen sind demnach Entgelt für die Nutzung von überlassenem Kapital (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1981, 2882/79, Slg. 5597/F). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist auch in Bezug auf § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 davon auszugehen, dass der Begriff "Zinsen" jegliches Entgelt für die Überlassung von Kapital erfasst.

Philipp, Kommentar zum GewStG, § 7 Z 1, Tz 7.91, führt zu Bereitstellungsprovisionen für Kredite aus, diese seien Entgelt für die Nutzung des Kapitals, wenn der Kredit tatsächlich in Anspruch genommen worden ist. Demgegenüber seien Bereitstellungsgebühren für Kredite, die nicht in Anspruch genommen worden sind, nicht als Zinsen anzusehen. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der Ansicht an:

Bereitstellungsgebühren für in der Folge tatsächlich in Anspruch genommene Kredite zählen zum Entgelt für die Nutzung des kreditierten Kapitals.

Im gegenständlichen Fall findet sich kein Hinweis darauf, dass die Mitbeteiligte den Kredit, für den die streitgegenständlichen Bereitstellungsgebühren angefallen sind, nicht in Anspruch genommen hätte. Das Finanzamt spricht in seiner Beschwerde lediglich die Möglichkeit an, dass Bereitstellungsgebühren auch dann anfallen könnten, wenn ein Kredit später gar nicht abgerufen wird. In diesem Zusammenhang ist aber darauf zu verweisen, dass die Regelung des § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 jene Zinsen zum Abzug als Betriebsausgaben zulässt, die ansonsten aufgrund des Abzugsverbotes des § 12 Abs. 2 leg. cit. wegen des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhanges mit (steuerfreien Dividenden aus) Kapitalanteilen iSd § 10 leg. cit. vom Abzug ausgeschlossen wären. Sollte aber ein Kredit nicht zur Finanzierung von derartigen Kapitalanteilen in Anspruch genommen werden, ist gar nicht erkennbar, woraus sich ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen iSd § 12 Abs. 2 KStG 1988 ergeben sollte oder auf welche andere Bestimmung sich ein Ausschluss der gewinnmindernden Berücksichtigung der Aufwendungen stützen sollte.

Die betrieblich veranlassten Bereitstellungsgebühren sind also bei Inanspruchnahme des Kredites für die Anschaffung von Kapitalanteilen iSd § 10 KStG 1988 aufgrund der Bestimmung des § 11 Abs. 1 Z 4 leg. cit., ansonsten mangels Anwendbarkeit eines Abzugsverbotes als Betriebsausgaben abziehbar.

Die Beschwerde vermag sohin die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Die Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 27. Februar 2014

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