Normen
EStG §6 Z1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:2011150088.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr bilanzierende Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Bilanzstichtag 31. August), die an mehreren Standorten den Einzelhandel mit Sportartikeln betreibt, erwarb im Jahr 2005 eine neben ihrer Unternehmenszentrale befindliche Liegenschaft, auf der sich ein noch verwendbares Gebäude befand. Den Kaufpreis teilte sie entsprechend einem Sachverständigengutachten auf Grund und Boden und Gebäude auf. Im Jahr 2006 trug die Beschwerdeführerin das 2005 erworbene Gebäude ab, wobei sie die Abbruchkosten und den Restbuchwert des Gebäudes im Wirtschaftsjahr 2006/07 als Aufwand berücksichtigte. Im Jahr 2008 errichtete sie sodann übergreifend auf die bereits vor dem Jahr 2005 in ihrem Eigentum befindliche Liegenschaft ein Gebäude (in der Beschwerde als "Sporthaus" bezeichnet) samt Tiefgarage.
Im Rahmen einer die Jahre 2005 bis 2008 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass Abbruchkosten und Restbuchwert des 2005 erworbenen Gebäudes auf die Herstellungskosten des neuen Gebäudes zu aktivieren seien. Die Judikatur habe zwar im Geltungsbereich des EStG 1988 die Opfertheorie eingeschränkt, indem sie bei Abbruch eines schon länger dem Betrieb dienenden Gebäudes den Restbuchwert und die Abbruchkosten nicht den Herstellungskosten des Neugebäudes zugeordnet habe. Im Streitfall habe das objektiv noch verwendbare Gebäude dem Unternehmen aber nur kurze Zeit gedient. Aufgrund des zeitlichen Ablaufes (Anschaffung 2005, Abriss 2006, Neuerrichtung 2008) sei von einem Zusammenhang zwischen Erwerb und Abriss des Altgebäudes auszugehen. In diesem Fall zählten der Restbuchwert und die Abbruchkosten des Altgebäudes zu den Herstellungskosten des Neugebäudes, weshalb der Bilanzansatz der in Bau befindlichen Anlagen entsprechend zu erhöhen sei.
Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ - nach Wiederaufnahme des Verfahrens - einen Körperschaftsteuerbescheid 2007, in dem es die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer u.a. um die Abbruchkosten und den Restbuchwert des 2005 erworbenen Gebäudes erhöhte.
Die Beschwerdeführerin berief gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2007 und brachte in der Berufung vor, dem Erwerb der in Rede stehenden Liegenschaft samt dem darauf befindlichen Gebäude sei die Absicht zu Grunde gelegen, potentiellen anderen Käufern zuvor zu kommen und sich dergestalt die Möglichkeit der Erweiterung des Sporthauses unter Nutzung dieser Liegenschaft zu sichern (Kauf auf Vorrat). Der anschließende Abbruch des Gebäudes sei weder in Bezug auf den Grund und Boden noch in Bezug auf die Neuerrichtung des Sporthauses als werterhöhende Maßnahme anzusehen. Durch den Abbruch des alten Gebäudes werde der Teilwert des neuen Gebäudes nicht erhöht. "Konsequenterweise wird daher ein fiktiver Unternehmenserwerber wohl kaum mehr für das neu errichtete Gebäude zahlen, nur weil dafür das Altgebäude 'geopfert' wurde." Im Sinne des Teilwertbegriffes könne der Abbruch des alten Gebäudes nicht der Herstellung des neuen Sporthauses zugerechnet werden, weil es sich dabei um zwei verschiedene und selbständige Wirtschaftsgüter handle. Das alte Gebäude habe seinen Wert im Betrieb verloren. Der Abbruch habe zum beabsichtigten veränderten Nutzungspotential der vormals bebauten Liegenschaft geführt. Abbruchkosten und Restbuchwert des 2005 erworbenen Gebäudes stellten daher sofort absetzbare Betriebsausgaben dar.
In einem ergänzenden Schriftsatz zur Berufung und im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde brachte die Beschwerdeführerin ergänzend vor, dass zum Zeitpunkt des Kaufes nicht festgestanden sei, wie sie die 2005 erworbene Liegenschaft verwenden werde. Zudem wiederholte sie ihr Vorbringen, wonach das 2005 erworbene Altgebäude einerseits und das 2008 errichtete Neugebäude andererseits nicht als das nämliche Wirtschaftsgut angesehen werden könnten. Daher habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. Jänner 2006, 2003/14/0107, jedenfalls bei der dort zu beurteilenden Sachverhaltskonstellation eines seit längerem im Betriebsvermögen befindlichen, noch nutzbaren Gebäudes, auch nicht an der sogenannten "Opfertheorie" festgehalten und ausgesprochen, dass in einem solchen Fall der Buchwert des Altgebäudes und die Abbruchkosten den Wert des Neugebäudes nicht erhöhten. Dies müsse auch gelten, wenn ein erst seit kurzem im Betriebsvermögen befindliches, noch nutzbares Gebäude abgerissen werde.
Im Übrigen stellten belangte Behörde und Beschwerdeführerin im Rahmen des Berufungsverfahrens fest, dass es bei Berücksichtigung der Wertverhältnisse nach dem Sachwertverfahren zu einer vom Sachverständigengutachten abweichenden Aufteilung des Kaufpreises für die 2005 erworbene Liegenschaft auf Grund und Boden sowie Gebäude komme.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und führte u.a. aus:
Gemäß § 203 Abs. 1 UGB in der im Jahr 2007 geltenden Fassung seien Gegenstände des Anlagevermögens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten vermindert um die Abschreibungen gemäß § 204 anzusetzen.
Gemäß § 203 Abs. 3 UGB seien Herstellungskosten die Aufwendungen, die für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstünden. Bei der Berechnung der Herstellkosten dürften auch angemessene Teile der Material- und Fertigungsgemeinkosten eingerechnet werden. Dabei seien "auch Nebenkosten der Herstellung zu aktivieren."
Zu den Nebenkosten der Herstellung zählten alle diejenigen Kosten, die Aufwendungen darstellten und bis zur Betriebsbereitschaft des Wirtschaftsgutes anfielen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 2006, 2001/13/0294).
Betriebsbereit sei ein Gegenstand dann, wenn er entsprechend seinen betrieblichen Zweckbestimmungen nutzungs- und einsatzfähig sei (Hinweis auf Gasser/Lahodny-Karner/Urtz in Straube Kommentar zum HGB § 203 Rz 13).
Die belangte Behörde habe keine Bedenken, "die im gegenständlichen Verfahren in Frage stehenden Kosten des funktionsfähigen Altgebäudes und des Abrisses dieses Gebäudes in einem ersten Schritt als derartige Nebenkosten anzusehen", weil ein direkter Zusammenhang zwischen Anschaffung und Abbruch des Altgebäudes und Errichtung des neuen Gebäudes bestehe. Die Liegenschaft mit dem Altgebäude sei erworben worden, um ein Betriebsgebäude zu erweitern bzw. neu errichten zu können. Der Beschwerdeführerin sei darin zuzustimmen, dass in Bezug auf Alt- und Neugebäude "keine Nämlichkeit des Wirtschaftsgutes" vorliege. Aufgrund des direkten sachlichen Zusammenhanges zwischen Anschaffung, Abriss und Neuerrichtung könne die belangte Behörde aber im gegenständlichen Fall kein Argument sehen, welches "das Vorbringen der (Beschwerdeführerin) stützt, da die Aufwendungen direkt mit der Herstellung im Zusammenhang stehen". Herstellungsvorgänge bedingten zwangsläufig, dass einzelne Gegenstände in einem neu hergestellten Gegenstand aufgingen. Der Wert des Altgebäudes und die Abrisskosten stellten somit zunächst Aufwendungen dar, die die Beschwerdeführerin getätigt habe, um ein neues Gebäude errichten zu können. Sie seien in einem ersten Schritt den Herstellungskosten des neuen Gebäudes zuzurechnen. In einem zweiten Schritt sei zu überprüfen, ob die Herstellungskosten des neuen Gebäudes (inklusive Abbruchkosten und Restbuchwert des Altgebäudes) in dessen Teilwert Deckung fänden, was sich im Wirtschaftsjahr 2007 und damit vor Fertigstellung des neuen Betriebsgebäudes noch nicht feststellen lasse. Diese Überlegungen ergäben sich aus den unternehmensrechtlichen Bestimmungen zu den Herstellungsnebenkosten, "eines Rückgriffes auf eine 'Sondertypenlehre' wie der Opfertheorie bedarf es daher im gegenständlichen Fall nicht".
In Bezug auf die Höhe der vom Finanzamt stornierten außerplanmäßigen Abschreibung sei festzuhalten, dass die belangte Behörde bei Berücksichtigung der Wertverhältnisse nach dem Sachwertverfahren zu einer anderen Aufteilung von Grund und Boden und Gebäude komme. Diese Änderung führe im Wirtschaftsjahr 2007 zu einer geänderten AfA Basis und damit zu einem geänderten AfA Betrag, der vom Finanzamt im Erstverfahren nicht berücksichtigt worden sei.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Herstellungskosten iSd § 6 Z 1 EStG 1988 sind Aufwendungen, die getätigt werden, um ein Wirtschaftsgut neuer Art hervorzubringen. Die Aktivierung der Herstellungskosten hält den Herstellungsvorgang gewinnneutral (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2005, 2002/14/0039, sowie Mayr, Gewinnrealisierung, 2001, 142, sowie Zorn, Gewinnrealisierung im Steuerrecht, RdW 2001, 580). Wird ein Gebäude errichtet, bilden die Aufwendungen, die gemacht werden, um durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Dienstleistungen das Gebäude zu schaffen, die Herstellungskosten.
Die Beschwerdeführerin hat ein in ihrem Eigentum stehendes Gebäude zeitnah zum Erwerb abgerissen, um ein neues Gebäude errichten zu können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in zu Vorgängergesetzen des EStG 1988 ergangenen Erkenntnissen (vgl. etwa das hg Erkenntnis vom 9. Juni 1980, 55, 186/79 mwN) die Auffassung vertreten, dass der Buchwert eines noch brauchbaren Gebäudes sowie die Abbruchkosten zu den Herstellungskosten des neuen Gebäudes zu rechnen sind (so genannte Opfertheorie).
Im Hinblick darauf, dass Altgebäude einerseits und Neugebäude andererseits nicht als das nämliche Wirtschaftsgut angesehen werden können, hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. Jänner 2006, 2003/14/0107, VwSlg 8101/F, jedenfalls bei der dort zu beurteilenden Sachverhaltskonstellation (schon länger vom Unternehmer genutzte Gebäude) für den Geltungsbereich des EStG 1988 nicht an der Opfertheorie festgehalten und (unter Hinweis auf Beiser, Opfertheorie trotz Gebäudeabbruch?, ÖStZ 2004/143, S. 66, der auch zutreffend darauf verweist, dass in einem solchen Fall der Buchwert des Altgebäudes und die Abbruchkosten den Wert des Neugebäudes nicht erhöhen, Doralt/Mayr, EStG6, Tz 89 zu § 6, und Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 76 zu § 6) ausgesprochen, dass zu den Herstellungskosten eines Gebäudes in diesem Fall weder der Buchwert des Altgebäudes noch Kosten der Beseitigung des Altgebäudes gehören.
Von der im Erkenntnis vom 25. Jänner 2006 vertretenen Auffassung abzugehen, besteht auch im Streitfall kein Anlass, weil auch für den Fall, dass ein noch verwendbares Gebäude erworben und zeitnah zum Erwerb abgerissen wird, das Altgebäude einerseits und das Neugebäude andererseits nicht als "nämliches Wirtschaftsgut" angesehen werden können.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand enthalten ist.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 27. November 2014
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