VwGH 2011/10/0034

VwGH2011/10/003418.4.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des J G in Graz, vertreten durch Dr. Marisa Schamesberger, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Hofgasse 6/III, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. November 2010, Zl. FA11A B26 - 1985/2009-10, betreffend Behindertenhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
BehindertenG Stmk 2004 §18;
BehindertenG Stmk 2004 §2 Abs1;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs1;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs2;
BehindertenG Stmk 2004 §42 Abs5 Z2 lita;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §52;
BehindertenG Stmk 2004 §18;
BehindertenG Stmk 2004 §2 Abs1;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs1;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs2;
BehindertenG Stmk 2004 §42 Abs5 Z2 lita;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. Februar 2009 sprach der Bürgermeister der Stadt Graz aus, dass die Kosten des Beschwerdeführers für Wohnen in Einrichtungen/Teilzeitbetreutes Wohnen ("LEVO I C") mit dem Beeinträchtigungsgrad "mittel" gemäß § 18 Steiermärkisches Behindertengesetz übernommen werden.

Der dagegen gerichteten Berufung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. November 2010 keine Folge. Als Rechtsgrundlagen ihrer Entscheidung führte sie § 66 Abs. 4 AVG sowie §§ 2 Abs. 2, 3 Abs. 1 lit. i, 18 und 57 Steiermärkisches Behindertengesetz, LGBl. Nr. 26/2004 idF LGBl. Nr. 81/2010 (Stmk BHG), an.

Begründend führte die belangte Behörde - nach Zitierung des eingeholten klinisch-psychologischen Gutachtens - im Wesentlichen aus, die Leistungsart "Vollzeitbetreutes Wohnen" entspreche aus klinisch-psychologischer Sicht nicht dem individuellen Hilfebedarf des Beschwerdeführers. Die Voraussetzungen für die in der Berufung begehrte Hilfeleistung "Vollzeitbetreutes Wohnen" lägen somit nicht vor.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Behindertengesetzes, LGBl. Nr. 26/2004 idF LGBl. Nr. 81/2010 (Stmk BHG), lauten:

"§ 2

Voraussetzungen der Hilfeleistungen

(1) Menschen mit Behinderung haben nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes einen Rechtsanspruch auf Hilfeleistungen.

§ 3

Arten der Hilfeleistungen

(1) Als Hilfeleistung für einen Menschen mit Behinderung kommen in Betracht:

i) Wohnen in Einrichtungen

(2) Dem Menschen mit Behinderung steht ein Anspruch auf eine bestimmte in Abs. 1 lit. a bis p genannte Hilfeleistung nicht zu.

§ 18

Wohnen in Einrichtungen

Die Hilfe zum Wohnen in Einrichtungen im Sinne des § 43 umfasst die Übernahme der Entgelte für Unterkunft, Verpflegung und Betreuung im Rahmen der Leistungs- und Entgeltverordnung.

§ 42.

Verfahren

(4) Die Bezirksverwaltungsbehörde entscheidet über

b) die zu gewährende Hilfeleistung (§§ 3 und 4),

(5) …

2. a) Nach Abs. 4 lit. b hat die Bezirksverwaltungsbehörde vor Entscheidung über die Gewährung von Hilfeleistungen gemäß § 3 Abs. 1 lit. h, i, j und l sowie gemäß § 3 Abs. 1 lit. d, soferne Hilfe zur beruflichen Eingliederung nach § 8 Abs. 1 lit. a in Einrichtungen gemäß § 43 gewährt wird, ein Gutachten des Sachverständigenteams einzuholen, welches den individuellen Hilfebedarf feststellt. Das Sachverständigenteam erstellt einen Entwicklungs- und Hilfeplan. In allen übrigen Verfahren nach Abs. 4 lit. b kann ein Gutachten des Sachverständigenteams eingeholt werden, wenn es die Bezirksverwaltungsbehörde für notwendig erachtet. Der Mensch mit Behinderung, dessen gesetzlicher Vertreter und eine Vertrauensperson sind in die Begutachtung einzubeziehen.

…"

2. Die Beschwerde rügt als Verfahrensfehler, die belangte Behörde habe sich mit der Stellungnahme des Beschwerdeführers zum eingeholten Gutachten inhaltlich nicht ausreichend auseinandergesetzt und hätte den Beschwerdeführer anleiten müssen, eine Ergänzung des Sachverständigengutachtens zu beantragen.

Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass es wichtig für ihn sei, fixe Bezugs- und Ansprechpersonen zu haben, und es ihm anfangs schwer falle, sich auf Personen einzulassen. Er benötige Hilfestellung bei diversen Alltagstätigkeiten und persönliche Begleitung bei Behördenwegen und Arztbesuchen, vor allem beim Erstkontakt. Ferner sei er mit jeglicher Art hauswirtschaftlicher Tätigkeit maßlos überfordert. Veränderungen und das Gefühl von Überforderung brächten ihn aus dem Gleichgewicht und könnten zum persönlichen Rückzug sowie zur Flucht in den Alkohol führen. Er habe keinen Bezug zu Geld und benötige daher Personen, die ihn in finanziellen Belangen unterstützten. Schließlich leide der Beschwerdeführer an Diabetes mellitus, wobei er diese Erkrankung nicht verstehe und deshalb ständige Aufklärungsversuche und Warnungen durch Betreuer erfolgen müssten. In der vollzeitbetreuten Wohnform (in welcher er derzeit lebe) verrichte er Botengänge und andere wichtige Rituale, die er bei einem Wohnungswechsel nicht mehr ausüben könnte. Dadurch würde er einen vollkommenen Sinnverlust erleiden, was sich schwerwiegend auf sein labiles psychisches Gleichgewicht auswirken würde. Insgesamt seien die Rahmenbedingungen, die die vollzeitbetreute Wohnform dem Beschwerdeführer biete, unbedingt notwendig.

Als inhaltliche Rechtswidrigkeit macht die Beschwerde geltend, der vom Sachverständigen angenommene Betreuungsbedarf des Beschwerdeführers entspreche nicht der Leistungsbeschreibung der Leistungsart "Teilzeitbetreutes Wohnen" nach dem Stmk BHG, sondern jener des "Vollzeitbetreuten Wohnens".

3. Die Beschwerde ist unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass ein Behinderter - ungeachtet des Rechtsanspruchs auf Hilfeleistung gemäß § 2 Abs. 1 Stmk BHG - gemäß § 3 Abs. 2 leg. cit. keinen Rechtsanspruch auf eine bestimmte Art der in Abs. 1 genannten Hilfeleistungen hat. Aus § 42 Abs. 5 Z. 2 lit. a Stmk BHG ergibt sich vielmehr, dass die Entscheidung über die konkret zu gewährende Hilfeleistung nach allfälliger (für einige Hilfeleistungen obligatorischer) Einholung eines Sachverständigengutachtens zu treffen ist. Daraus ist ersichtlich, dass die Entscheidung, welche Hilfeleistung im konkreten Fall nach Art und Ausmaß zu gewähren ist, der Behörde überlassen bleiben soll. Demgemäß kann der Behinderte einen Bescheid, mit dem ausschließlich eine bestimmte, konkret beantragte Maßnahme verweigert, der Anspruch auf Hilfeleistung aber nicht generell verneint wird und der auch nicht der Sache nach eine Abweisung des Antrages auf Hilfeleistung bedeutet, nicht wegen behaupteter Rechtswidrigkeit erfolgreich bekämpfen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 2012, Zl. 2011/10/0037, und vom 14. Juli 2011, Zl. 2010/10/0219, mwN; vgl. weiters das zur vergleichbaren Rechtslage nach dem Niederösterreichischen Sozialhilfegesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2012, Zl. 2010/10/0095, mit Hinweis auf das zum Tiroler Rehabilitationsgesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, Zl. 2008/10/0131).

Durch die Zuerkennung der Leistung "Teilzeitbetreutes Wohnen" anstatt der in der Berufung angestrebten - in früheren Zeiträumen vom Beschwerdeführer auch bereits in Anspruch genommenen - vollzeitbetreuten Wohnform wird der Anspruch des Beschwerdeführers auf Hilfeleistung in der Form "Wohnen in Einrichtungen" nicht gänzlich verneint und der Beschwerdeführer somit nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt.

4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. April 2012

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