VwGH 2010/10/0219

VwGH2010/10/021914.7.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der TG in G, vertreten durch Mag. Kathrin Lichtenegger, Rechtsanwältin in 8680 Mürzzuschlag, Wiener Straße 50, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 22. Juni 2010, Zl. FA11A26- 2323/2009-3, betreffend Übernahme von Fahrtkosten, zu Recht erkannt:

Normen

BehindertenG Stmk 2004 §2 Abs1;
BehindertenG Stmk 2004 §23;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs1;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs2;
BehindertenG Stmk 2004 §42 Abs5 Z2 lita;
BehindertenG Stmk 2004 §7;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
BehindertenG Stmk 2004 §2 Abs1;
BehindertenG Stmk 2004 §23;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs1;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs2;
BehindertenG Stmk 2004 §42 Abs5 Z2 lita;
BehindertenG Stmk 2004 §7;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 22. Juni 2010 hat die Steiermärkische Landesregierung den Antrag der Beschwerdeführerin auf Übernahme der Fahrtkosten für die tägliche Schulfahrt vom Wohnort der Beschwerdeführerin in M. in die Volksschule F. gemäß §§ 2, 3, 7 und 23 des Steiermärkischen Behindertengesetzes, LGBl. Nr. 26/2004 (Stmk BHG), abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlich - aus, dass es sich bei der Beschwerdeführerin und ihren beiden Drillingsschwestern um Frühgeborene mit motorischer Entwicklungsverzögerung, Rückständen in der Graphomotorik und Augenproblemen handle. Die Beschwerdeführerin sei behindert im Sinn des Stmk BHG. Aus ärztlicher Sicht sei die Ermöglichung des Schulbesuches für alle drei Kinder in einer Klasse empfohlen worden. Entsprechende Empfehlungen für einen gemeinsamen Schulbesuch seien auch von verschiedenen Beratungs- und Therapieeinrichtungen abgegeben worden.

Nach dem Schreiben des Bezirksschulinspektors vom 4. Mai 2009 sei eine Beschulung der Beschwerdeführerin und ihrer Drillingsschwestern in der zuständigen Sprengelvolksschule in M. möglich. Diese vom Wohnort der Beschwerdeführerin etwa 4 km entfernt liegende Volksschule weise eine langjährige Erfahrung in der integrativen Betreuung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf und verfüge auch über das entsprechende Förderpersonal. Bei Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs durch den Bezirksschulrat könne die Beschwerdeführerin sowohl integrativ in einer Volksschule des Bezirkes als auch in der rund 12 km vom Wohnort der Beschwerdeführerin entfernten allgemeinen Sonderschule in K. beschult werden. Nach Auskunft des Leiters der zuständigen Sprengelvolksschule habe grundsätzlich die Möglichkeit bestanden, alle Drillingsschwestern in einer Klasse zu unterrichten. Bei Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs sei auch die Gefahr der Trennung durch Wiederholung einer Schulstufe ausgeschlossen. Diese Volksschule habe im Schuljahr 2009/2010 nicht nur eine Vorschulklasse, sondern auch eine Integrationsklasse in der ersten Schulstufe eingerichtet gehabt. Seit dem Gespräch der Eltern mit dem Schulleiter im Jänner 2009, bei dem noch nicht festgestanden sei, ob für das Schuljahr 2009/10 eine Vorschulklasse und eine Integrationsklasse in der ersten Schulstufe eingerichtet würden, sei es zu keiner Kontaktaufnahme der Eltern mit dem Schulleiter mehr gekommen. Die Beschwerdeführerin und ihre Drillingsschwestern besuchten ab September 2009 die von ihrem Wohnort etwa 33 km entfernt gelegene Volksschule in F., für welche am 27. März 2009 die Übernahme der Fahrtkosten beantragt worden sei.

Gemäß § 23 Stmk BHG seien nur die notwendigerweise anfallenden Fahrtkosten zu einer der nächst gelegenen geeigneten Einrichtungen zu übernehmen. Die Beschwerdeführerin könnte unter Berücksichtigung des sonderpädagogischen Förderbedarfs sowohl integrativ in einer Volksschule innerhalb des Bezirkes M. als auch in der vom Wohnort etwa 12 km entfernt gelegenen allgemeinen Sonderschule in K. beschult werden. Als nächst gelegene Einrichtung käme vor allem die etwa 4 km entfernte zuständige Sprengelvolksschule in M. in Betracht. Wenngleich beim Erstgespräch mit dem Direktor dieser Schule im Jänner 2009 eine Trennung der Drillingsschwestern noch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen habe werden können, wäre es den Eltern jedenfalls zumutbar gewesen, zu einem späteren Zeitpunkt nochmals den Kontakt aufzunehmen oder den Bezirksschulrat bezüglich einer Beratung und der Herbeiführung einer bestmöglichen Lösung zu kontaktieren. Das Vorbringen der Eltern lasse zudem eine klare Darstellung dahin vermissen, welche anderen Volksschulen überhaupt kontaktiert worden seien. Vor allem aber fehle eine Stellungnahme dazu, welche Gründe gegen einen Schuleintritt in der 4 km entfernten zuständigen Sprengelvolksschule, in der Sonderschule in K. oder etwa in der nur 10 km entfernten Volksschule in S. gesprochen hätten. Die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Vater, habe zusammenfassend keine Gründe anführen können, warum die nächst gelegenen Einrichtungen nicht geeignet seien.

Aus diesen Gründen bestehe keine gesetzliche Grundlage für die Übernahme der Fahrtkosten für die tägliche Fahrt in die 33 km entfernt gelegene Volksschule F. nach dem Stmk BHG.

Der Verfassungsgerichtshof hat die dagegen zunächst an ihn gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 29. September 2010, B 991/10 u.a., nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Behindertengesetzes, LGBl. Nr. 26/2004 (Stmk BHG), haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 2

Voraussetzungen der Hilfeleistungen

(1) Menschen mit Behinderung haben nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes einen Rechtsanspruch auf Hilfeleistungen.

§ 3

Arten der Hilfeleistungen

(1) Als Hilfeleistung für einen Menschen mit Behinderung kommen in Betracht:

c) Erziehung und Schulbildung

(2) Dem Menschen mit Behinderung steht ein Anspruch auf eine bestimmte Art der im Abs. 1 lit. a bis p genannten Hilfeleistungen nicht zu.

§ 7

Erziehung und Schulbildung

Hilfe zur Erziehung und Schulbildung wird für alle durch die Behinderung bedingten Mehrkosten gewährt, die notwendig sind, um den Menschen mit Behinderung in die Lage zu versetzen, eine seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Erziehung und Schulbildung zu erlangen. Dazu zählen insbesondere die Kosten für den behinderungsbedingten pädagogischen Zusatzaufwand für die Frühförderung, heilpädagogische Kindergärten, Entwicklungsförderung, Horte und inländische Schulen.

§ 23

Übernahme von Fahrtkosten

Die im Zusammenhang mit Hilfeleistungen gemäß § 3 Abs. 1 lit. a, c, d, g und h, ausgenommen § 8 Abs. 4 notwendigerweise anfallenden Fahrtkosten bei Menschen mit Behinderung sind zu übernehmen. Es sind dies die Fahrtkosten für das kostengünstigste zumutbare Verkehrsmittel zu einer der nächstgelegenen geeigneten Einrichtung oder einem Dienst.

§ 42

Verfahren

(4) Die Bezirksverwaltungsbehörde entscheidet über

b) die zu gewährende Hilfeleistung (§§ 3 und 4),

(5) …

2. a) Nach Abs. 4 lit. b hat die Bezirksverwaltungsbehörde vor Entscheidung über die Gewährung von Hilfeleistungen gemäß § 3 Abs. 1 lit. h, i, j und l sowie gemäß § 3 Abs. 1 lit. d, soferne Hilfe zur beruflichen Eingliederung nach § 8 Abs. 1 lit. a in Einrichtungen gemäß § 43 gewährt wird, ein Gutachten des Sachverständigenteams einzuholen, welches den individuellen Hilfebedarf feststellt. Das Sachverständigenteam erstellt einen Entwicklungs- und Hilfeplan. In allen übrigen Verfahren nach Abs. 4 lit. b kann ein Gutachten des Sachverständigenteams eingeholt werden, wenn es die Bezirksverwaltungsbehörde für notwendig erachtet. Der Mensch mit Behinderung, dessen gesetzlicher Vertreter und eine Vertrauensperson sind in die Begutachtung einzubeziehen.

…"

Bei der Hilfe zur Erziehung und Schulbildung handelt es sich um eine in § 3 Abs. 1 aufgezählte Art der Hilfeleistung nach dem Stmk BHG. Sie umfasst gemäß § 7 iVm § 23 leg. cit. die durch die Behinderung bedingten Mehrkosten u.a. für den Besuch einer inländischen Schule, wozu auch die notwendigerweise anfallenden Fahrtkosten für das kostengünstigste zumutbare Verkehrsmittel zu einer der nächstgelegenen geeigneten Einrichtungen (Schulen) zählen.

Gemäß § 3 Abs. 2 Stmk BHG hat ein Behinderter - ungeachtet des Rechtsanspruchs auf Hilfeleistungen gemäß § 2 Abs. 1 leg. cit. - keinen Rechtsanspruch auf eine bestimmte Art der in Abs. 1 genannten Hilfeleistungen. Aus § 42 Abs. 5 Z. 2 lit. a Stmk BHG ergibt sich vielmehr, dass die Entscheidung über die konkret zu gewährende Hilfeleistung nach allfälliger (für einige Hilfeleistungen obligatorischer) Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigenteams zu treffen ist, wobei der Behinderte, dessen gesetzlicher Vertreter und eine Vertrauensperson in die Begutachtung einzubeziehen sind. Daraus ist ersichtlich, dass die Entscheidung, welche Hilfeleistung im konkreten Fall nach Art und Ausmaß zu gewähren ist, der Behörde überlassen bleiben soll. Demgemäß kann der Behinderte einen Bescheid, mit dem ausschließlich eine bestimmte, konkret beantragte Maßnahme verweigert, der Anspruch auf Hilfeleistung aber nicht generell verneint wird, nicht wegen behaupteter Rechtswidrigkeit erfolgreich bekämpfen (vgl. die zu entsprechenden Bestimmungen ergangene hg. Judikatur, etwa die Erkenntnisse vom 13. Dezember 2010, Zl. 2010/10/0225, zum Salzburger Behindertengesetz und vom 29. Jänner 2009, Zl. 2008/10/0131, zum Tiroler Rehabilitationsgesetz).

Die Beschwerdeführerin hat nicht allgemein die Gewährung von Hilfe zur Erziehung und Schulbildung durch Übernahme von Fahrtkosten beantragt, sondern die Kostenübernahme für die Fahrtkosten in eine bestimmte von ihr selbst gewählte Schule. Aus ihrem gesamten Vorbringen im Verwaltungsverfahren sowie aus dem Beschwerdevorbringen geht hervor, dass sie nur die Übernahme dieser konkret beantragten Fahrtkosten erreichen will und nicht etwa auch - im Eventualfall - die Gewährung von Behindertenhilfe durch Übernahme der Fahrtkosten zu einer vom Wohnort weniger weit entfernt gelegenen geeigneten inländischen Schule.

Die belangte Behörde hat die Gewährung von Behindertenhilfe durch Übernahme von Fahrtkosten für den Schulbesuch nicht generell verweigert, sondern nur die Übernahme der Fahrtkosten zu der 33 km vom Wohnort der Beschwerdeführerin entfernt gelegenen Volksschule in F. Durch den wiederholten Hinweis auf mehrere wesentlich näher gelegene geeignete (Volks- und Sonder-)Schulen in der - zur Auslegung des Spruches heranzuziehenden - Begründung des angefochtenen Bescheides hat sie deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Übernahme von Fahrtkosten zu einer dieser Schulen nicht verweigert würde.

Da - wie dargestellt - kein Rechtsanspruch auf die Gewährung einer bestimmten Art der Hilfeleistung und somit auch kein Rechtsanspruch auf die vorliegend ausschließlich beantragte Übernahme der Fahrtkosten gerade zur Volksschule in F. besteht, wird die Beschwerdeführerin durch die Abweisung ihres Antrages nicht in Rechten verletzt (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2010, Zl. 2010/10/0225).

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 14. Juli 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte