VwGH 2010/10/0225

VwGH2010/10/022513.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerden

1. des JT und 2. der PO, beide in S, beide vertreten durch Dr. Michael Gärtner, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 37, gegen die Bescheide der Salzburger Landesregierung je vom 8. Juli 2010, Zl. 20305-B-3348/2-2010 (betreffend den Erstbeschwerdeführer; hg. Zl. 2010/10/0225) und Zl. 20305-B-3347/2-2010 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin; hg. Zl. 2010/10/0226), betreffend Eingliederungshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

BehindertenG Slbg 1981 §18 Abs5;
BehindertenG Slbg 1981 §18 Abs6;
BehindertenG Slbg 1981 §4 Abs2;
BehindertenG Slbg 1981 §5 Abs2;
BehindertenG Slbg 1981;
Behindertenkonvention 2008 ;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
BehindertenG Slbg 1981 §18 Abs5;
BehindertenG Slbg 1981 §18 Abs6;
BehindertenG Slbg 1981 §4 Abs2;
BehindertenG Slbg 1981 §5 Abs2;
BehindertenG Slbg 1981;
Behindertenkonvention 2008 ;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden je vom 8. Juli 2010 wurden die gleichlautenden Anträge der Beschwerdeführer auf "Kostenübernahme für persönliche Assistenz" im Rahmen des Projekts "assistiertes Wohnen" gemäß § 2 Abs. 1, § 4, § 5 Abs. 1 lit. e und Abs. 2, § 10 Abs. 1, § 12 Abs. 1 und § 18 Abs. 1 Salzburger Behindertengesetz, LGBl. Nr. 93/1981 (SbgBehG), abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde jeweils - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlich - aus, dass die Beschwerdeführer am 12. Juli 2009 um Kostenübernahme für persönliche Assistenz im Rahmen des Projekts "assistiertes Wohnen" ab 20. August 2009 (Wohnungsübergabe) ersucht hätten. Das von den Beschwerdeführern verfolgte Projekt stelle sich nach der Antragsbeilage wie folgt dar:

"Morgen-Assistenz 6.45 Uhr - 7.15 Uhr (0,5 Stunden): Prüfung der Vorbereitungen bis zum Verlassen der Wohnung (in der Folge Arbeitszeit von 7.30 Uhr bis 16.00 Uhr)

Nachmittags-Assistenz 16.00 Uhr - 18.00 Uhr (eine Stunde):

Hilfestellung bei der Haushaltsführung

Freizeit-Assistenz 18.00 Uhr - 21.00 Uhr (eine Stunde):

Freizeit-, Bildungs- und Sozialprogramm (gegen Vereinsamung)

Abend-Assistenz 21.30 Uhr - 22.00 Uhr (0,5 Stunden): Prüfung

der Vorbereitungen zur Beendigung des Tages sowie zum Beginn des Folgetages

Nachtdienst 22.00 Uhr - 6.00 Uhr (2x/Woche): Gewährung emotionaler Sicherheit"

Für diese Leistungen werde ein Betreuungssatz in der Höhe von EUR 43,5 täglich pro Beschwerdeführer geltend gemacht mit dem Hinweis, dass die unmittelbar benachbarten Wohnungen der Beschwerdeführer einen kostensenkenden Effekt hätten. Die persönliche Assistenz sei von den Beschwerdeführern wie folgt definiert: "Persönliche Assistenz ist eine Möglichkeit, Unterstützung zu erhalten, wo, wie, wann und von wem man sie braucht und will."

Im vorliegenden Fall sei der Anspruch der Beschwerdeführer auf Eingliederungshilfe im Sinn von § 10 SbgBehG nicht strittig. Dieses Gesetz eröffne behinderten Menschen jedoch keinen Rechtsanspruch auf eine bestimmte Maßnahme oder Art der Eingliederungshilfe. Zumindest derzeit dürfe vom Träger der Behindertenhilfe die begehrte "persönliche Assistenz" nicht gewährt werden, weil für die Eingliederungshilfe gemäß § 12 Sbg BehG nur Einrichtungen herangezogen werden dürften, die mit dem Land einen privatrechtlichen Vertrag abgeschlossen hätten.

Die Beschwerdeführer hätten ihre Anträge explizit auf Kostenübernahme für das von ihnen detailliert dargestellte Projekt "assistiertes Wohnen" gerichtet und nicht etwa allgemein die Gewährung von Eingliederungshilfe begehrt. Auf Grund dieses eng gefassten Antrages sei die Behörde nicht dazu verpflichtet, die Möglichkeiten der Eingliederungshilfe einer umfassenden Prüfung zu unterziehen. Gegenüber den Beschwerdeführern sei kommuniziert worden, dass als alternative Bedarfsdeckung beispielweise - wie in zahlreichen gleich gelagerten Fällen - die Möglichkeit der Hilfeleistung durch eine angemessene Betreuung in von entsprechenden Rechtsträgern geführten Einrichtungen, gegebenenfalls auch in kleineren betreuten Wohngruppen, bestehe. Den Beschwerdeführern sei dies bekannt gewesen.

Die von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Behindertenkonvention sei nicht unmittelbar anwendbar und definiere den Terminus "persönliche Assistenz" nicht. Ein Bedarf, die "persönliche Assistenz" begrifflich mit einem bestimmten Inhalt in das innerstaatliche Recht aufzunehmen, bestehe nicht.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden je mit dem Antrag, den jeweils angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über die Beschwerden erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des SbgBehG haben folgenden Wortlaut:

"§ 1 (1) Die Behindertenhilfe hat die Aufgabe, Personen, die auf Grund ihres Leidens oder Gebrechens nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft zu einer selbständigen Lebensführung zu gelangen, nach Maßgabe dieses Gesetzes Hilfe angedeihen zu lassen.

(2) Die Behindertenhilfe umfasst die Eingliederungshilfe und die besonderen sozialen Dienste für Behinderte.

...

§ 4 (1) Zweck der Eingliederungshilfe ist es, den Behinderten durch die im § 5 angeführten Maßnahmen zu befähigen, in die Gesellschaft eingegliedert zu werden oder seine Stellung in der Gesellschaft zu erleichtern und zu festigen.

(2) Auf die Eingliederungshilfe besteht ein Rechtsanspruch.

...

§ 5 (1) Im Rahmen der Eingliederungshilfe können nach den Erfordernissen des einzelnen Falles gewährt werden:

  1. a) Heilbehandlung (§ 6);
  2. b) Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen Behelfen und anderen Hilfsmitteln (§ 7);
  3. c) Hilfe zur Erziehung und Schulbildung (§ 8);
  4. d) Hilfe zur beruflichen Eingliederung (§ 9);
  5. e) Hilfe zur sozialen Eingliederung (§ 10);
  6. f) Hilfe zur sozialen Betreuung (§ 10a);
  7. g) Hilfe durch geschützte Arbeit (§ 11).

(2) Auf eine bestimmte Maßnahme oder Art der Eingliederungshilfe besteht kein Rechtsanspruch.

§ 10 (1) Die Hilfe zur sozialen Eingliederung umfasst alle Maßnahmen, die geeignet sind, den Behinderten in die Lage zu versetzen, in der Gesellschaft ein selbständiges Leben zu führen einschließ1ich der Betreuung des Behinderten in seiner Umwelt, um seine psychischen und sozialen Schwierigkeiten zu beseitigen.

(2) Hilfe zur sozialen Eingliederung ist nur so lange zu gewähren, als eine Verbesserung der Eingliederung des Behinderten zu erwarten ist.

...

§ 12 (1) Für die Eingliederungshilfe dürfen, soweit im Abs. 3 nicht anderes bestimmt ist, nur Einrichtungen in Anspruch genommen werden, mit deren Rechtsträger das Land einen privatrechtlichen Vertrag insbesondere über die Aufgabenstellungen und die dabei zu erbringenden Leistungen, die Aufnahmekriterien und Einweisungsrechte, die sachlichen, personellen und wirtschaftlichen Voraussetzungen sowie über die sich nach § 13 ergebenden Leistungsentgelte geschlossen hat. Der Abschluss einer solchen Vereinbarung darf nur erfolgen, wenn

  1. 1. ein objektivierter Bedarf an der Einrichtung gegeben ist;
  2. 2. die Einrichtung über geeignete Anlagen und die für die zu bringenden Leistungen erforderliche sachliche und personelle Ausstattung verfügt;

    ...

    § 18 ...

(5) Die Entscheidung über die Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach § 5 ist auf Grund gutachtlicher Vorschläge von Sachverständigen zu treffen, die diese in Form der Teamarbeit nach Anhörung des Behinderten zu erstatten haben (Gesamtplan über die zu gewährenden Hilfeleistungen, deren Reihenfolge und Ablauf, Überwachungsmaßnahmen und Kontrolluntersuchungen sowie über die Beendigung der Hilfeleistung).

(6) Dem Sachverständigenteam (Abs. 5) haben der Amtsarzt oder ein Sozialarzt des Amtes der Landesregierung, möglichst jedoch beide, ein Vertreter der Bezirksverwaltungsbehörde sowie nach Bedarf weitere ärztliche Sachverständige, der für den Wohnsitz des Behinderten zuständige Sprengelarzt, Psychologen, Fürsorger, Berufsberater und Arbeitsvermittler anzugehören, die in der Behindertenbetreuung Erfahrung besitzen. Weiters kann ein Vertreter der mit den Aufgaben der Sozialhilfe betrauten Abteilung des Amtes der Landesregierung an den Teamberatungen teilnehmen.

..."

Gemäß § 5 Abs. 2 SbgBehG hat der Behinderte - ungeachtet des Rechtsanspruchs auf Eingliederungshilfe gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. - keinen Rechtsanspruch auf Gewährung einer bestimmten Maßnahme oder Art der Eingliederungshilfe. Aus § 18 Abs. 5 und Abs. 6 SbgBehG ergibt sich vielmehr, dass die Entscheidung über die konkret zu gewährenden Maßnahmen der Eingliederungshilfe auf Grund eines gutachtlichen Vorschlages eines Sachverständigen-Teams, das auch den Behinderten anzuhören hat, zu treffen ist.

Daraus ist ersichtlich, dass die Entscheidung, welche Maßnahme der Eingliederungshilfe im konkreten Fall nach Art und Ausmaß zu gewähren ist, der Behörde überlassen bleiben soll. Demgemäß kann der Behinderte einen Bescheid, mit dem ausschließlich eine bestimmte, konkret beantragte Maßnahme verweigert, der Anspruch auf Eingliederungshilfe aber nicht generell verneint wird, nicht wegen behaupteter Rechtswidrigkeit erfolgreich bekämpfen (vgl. auch das zum Tiroler Rehabilitationsgesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, Zl. 2008/10/0131).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ergibt sich aus dem Umstand, dass das mit BGBl. III Nr. 155/2008 kundgemachte - nicht unmittelbare anwendbare - Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenkonvention) die Menschenwürde, die Wahrung der individuellen Autonomie und der Unabhängigkeit sowie die Verwirklichung der vollen und wirksamen Teilhabe an der Gesellschaft in den Vordergrund stellt, kein Anlass, das SbgBehG - gegen seinen Wortlaut - so auszulegen, dass Behinderten ein Rechtsanspruch auf bestimmte Eingliederungsmaßnahmen zukommt, weil die Konvention eine Verpflichtung der Staaten solche Rechtsansprüche einzuräumen, nicht vorsieht.

Die Beschwerdeführer haben nicht allgemein die Gewährung von Hilfe zur sozialen Eingliederung, sondern die Kostenübernahme für ganz bestimmte Assistenzleistungen beantragt, was sie in der Beschwerde auch ausdrücklich zugestehen. Sie erachten sich durch die angefochtenen Bescheide im Recht auf Gewährung eines Kostenbeitrages zu den Maßnahmen der persönlichen Assistenz verletzt; aus dem gesamten Beschwerdevorbringen geht hervor, dass sie nur die Gewährung der konkret beantragten Maßnahmen erreichen wollen und nicht etwa auch - im Eventualfall - die Gewährung anderer Maßnahmen der sozialen Eingliederung.

Die belangte Behörde hat in der - zur Auslegung des Spruches heranzuziehenden - Begründung der angefochtenen Bescheide ausgeführt, dass der Anspruch der Beschwerdeführer auf Eingliederungshilfe "unstrittig" sei und dass nicht grundsätzlich die Gewährung einer solchen Hilfe, sondern nur die konkret beantragten Maßnahmen abgelehnt würden.

Da - wie dargestellt - kein Rechtsanspruch auf die Gewährung einer bestimmten Maßnahme zur Eingliederungshilfe und somit auch kein Rechtsanspruch auf die vorliegend ausschließlich beantragten konkreten Maßnahmen besteht, werden die Beschwerdeführer durch die Abweisung ihrer Anträge nicht in Rechten verletzt.

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2010

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