VwGH 2011/08/0104

VwGH2011/08/010414.3.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des DS in S, vertreten durch Ing. Mag. Reinhard Wagner, Rechtsanwalt in 8311 Markt Hartmannsdorf, Hauptstraße 34, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 30. März 2011, Zl. LGS600/SfA/0566/2011-Sche/Ja, betreffend Verlust der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die dem Beschwerdeführer zuerkannte Notstandshilfe vom 24. Jänner bis 6. März 2011 eingestellt.

Der Beschwerdeführer übe seit dem Jahr 2004 eine selbständige Tätigkeit als Dachdecker und Spengler aus. Er stelle sein Gewerbe saisonbedingt in den Wintermonaten ruhend. In diesen Zeiträumen beziehe der Beschwerdeführer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Seit Ende November 2010 sei der Beschwerdeführer wiederum bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice G (AMS) arbeitslos gemeldet. Er habe angegeben, ab 9. März 2011 seine "Selbständigkeit aufleben zu lassen". Am 14. Jänner 2011 sei ihm vom AMS eine Beschäftigung bei A. als Produktionsarbeiter bzw. eine bei W. als Lederarbeiter zugewiesen worden. Möglicher Arbeitsantritt wäre der 24. Jänner 2011 gewesen. In der Niederschrift vom 28. Jänner 2011 habe der Beschwerdeführer angegeben, er habe den potenziellen Dienstgebern angeboten, bis zum 28. Februar 2011 zu arbeiten, weil er ab dem 1. März 2011 wieder sein Gewerbe anmelden würde. Beide Dienstgeber hätten seinen Vorschlag nicht aufgegriffen. Dem Arbeitgeber W. habe der Beschwerdeführer darüber hinaus angeboten, auch nach dem 1. März 2011 zwei bis drei Tage pro Woche zu arbeiten. Auch dieses Angebot sei ausgeschlagen worden.

Der Beschwerdeführer habe damit einen klassischen Vereitelungstatbestand gesetzt. Ein Arbeitsloser, der bei einem Vorstellungsgespräch eine Einstellungszusage bei einem anderen Dienstgeber oder eine selbständige Erwerbstätigkeit in den Mittelpunkt stelle und deswegen nicht eingestellt worden sei, habe die Arbeitsaufnahme verweigert. Daran ändere nichts, dass der Beschwerdeführer sein Gewerbe plangemäß im März 2011 wieder aufnehme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe sich im Jänner und Februar 2011 bei insgesamt drei potenziellen Arbeitgebern vorgestellt, darunter bei W. und A. Er habe gegenüber seinen potenziellen Arbeitgebern wahrheitsgemäße Angaben gemacht. Dass er sie über seine am 7. März 2011 aufzunehmende selbständige Tätigkeit informiert habe, könne keine Vereitelung darstellen. Er hätte seinen potenziellen Arbeitgebern bewusst die Unwahrheit sagen müssen, um einen Arbeitsplatz zu erhalten. Er habe sich redlich um die Arbeitsstellen bemüht. Er sei auch vom Mitarbeiter des AMS dazu angehalten worden, wahrheitsgemäße Angaben - auch über die Wiederaufnahme der selbständigen Tätigkeit - zu machen. Darüber hinaus liege ein berücksichtigungswürdiger Fall iSd § 10 Abs. 3 AlVG vor, weil der Beschwerdeführer tatsächlich am 7. März 2011 seine selbständige Tätigkeit aufgenommen habe. Auf Grund der vorhersehbaren Kurzfristigkeit seiner Arbeitslosigkeit und des Vorliegens eines berücksichtigungswürdigen Grundes hätte die Subsumtion unter die angezogene Gesetzesstelle nicht erfolgen dürfen. Bei den vermittelten Arbeitsplätzen habe es sich um Dauerarbeitsplätze gehandelt. Die Dienstgeber hätten eine kurzfristige (sechswöchige) Beschäftigung bis zur Wiederaufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers offensichtlich aus diesem Grund abgelehnt.

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen.

Eine Beschäftigung ist gemäß § 9 Abs. 2 AlVG zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert eine arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Gemäß § 38 AlVG sind diese Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 2. April 2008, Zl. 2007/08/0008 mwN).

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern.

Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen -, somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden:

Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2010, Zl. 2008/08/0151).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass ihm die zugewiesenen Beschäftigungen bei W. bzw. A. zumutbar waren. Unstrittig ist auch, dass er beiden Dienstgebern in Aussicht gestellt hat, nur bis zum 28. Februar 2011 zu arbeiten, weil er vorhabe, seine selbständige Tätigkeit (ab dem 7. März 2011) wieder aufzunehmen. Der Beschwerdeführer meint, das von ihm gesetzte Verhalten stelle keine Vereitelung dar, weil er nicht dazu verhalten werden könne, seinen potenziellen Arbeitgebern bewusst die Unwahrheit sagen zu müssen.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg:

Der oben dargestellte Tatbestand der Vereitelung ist insbesondere dann verwirklicht, wenn ein Arbeitssuchender beim Vorstellungsgespräch, wenn auch wahrheitsgemäß, zum Ausdruck bringt, die ihm als Dauerstellung angebotene zumutbare Beschäftigung nur als Übergangslösung zu betrachten, weil er damit - bezogen auf den konkret angebotenen Arbeitsplatz als Dauerstellung - seine Arbeitswilligkeit in Zweifel stellt. Stellt der Arbeitslose im Bewerbungsgespräch bei seiner Mitteilung, ab einem bestimmten Zeitpunkt seine Arbeitskraft anderweitig einsetzen zu wollen, nicht sofort klar, dennoch bereit zu sein, (sogleich) ein Arbeitsverhältnis auf Dauer zu begründen, nimmt er das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses in Kauf.

Der Beschwerdeführer hat nicht behauptet, eine derartige Klarstellung seiner Arbeitswilligkeit vorgenommen zu haben. Er hat durch sein Verhalten das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses (zumindest) mit bedingtem Vorsatz herbeigeführt. Der Tatbestand des § 10 Abs. 1 AlVG ist somit erfüllt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. Dezember 2005, Zl. 2003/08/0117, und vom 19. September 2007, Zl. 2006/08/0322).

Der bloße Umstand, dass der Beschwerdeführer seine selbständige Tätigkeit - seinem Vorbringen zufolge am 7. März 2011 (somit erst nach dem Ende der gegenständlichen Sperrfrist am 6. März 2011) - wieder "aktiviert" habe, stellt keinen berücksichtigungswürdigen Fall iSd § 10 Abs. 3 AlVG dar (zur Beseitigung des potentiellen Schadens insbesondere durch alsbaldige tatsächliche Aufnahme einer anderen Beschäftigung vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 2010, Zl. 2008/08/0018, vom 7. September 2011, Zl. 2008/08/0135, und vom 20. Oktober 1998, Zl. 97/08/0585). Auch für das Vorliegen von sonstigen Gründen die dazu führen, dass der Ausschluss vom Bezug der Leistung den Arbeitslosen aus bestimmten Gründen unverhältnismäßig härter trifft, als dies sonst ganz allgemein der Fall ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2011, Zl. 2008/08/0085), ergaben sich keine Anhaltspunkte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 14. März 2013

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