VwGH 2011/05/0199

VwGH2011/05/019926.6.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der Marktgemeinde P, vertreten durch Dr. H G, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Gemeinderat der Stadt Wien wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend Auskunftsbegehren hinsichtlich eines Flächenwidmungsplanes (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwRallg;
AVG §18 Abs4;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG iVm § 66 Abs. 4 AVG wird die Berufung der Beschwerdeführerin vom 17. November 2009 gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 21 B, vom 6. November 2009, Zl. MA 21 B - D 1372/09/3, als unzulässig zurückgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 9. September 2009 begehrte Rechtsanwalt Dr. H. G., der nunmehrige Vertreter der Beschwerdeführerin, vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 21 B, die Übersendung "sämtlicher in der Beilagenmappe 7. (…) zum Planentwurf 7853 enthaltenen Gutachten und Stellungnahmen betreffend die Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes in Kopie". Für den Fall der Nichtentsprechung werde die bescheidmäßige Erledigung des Antrages noch innerhalb der Kundmachungsfrist beantragt.

Mit Bescheid der MA 21 B vom 6. November 2009, Zl. MA 21 B - D 1372/09/3, wurde das "von Herrn Dr. H. G. gestellte Begehren" auf der Grundlage des § 1 Abs. 1 des Wiener Auskunftspflichtgesetzes in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 B-VG abgewiesen. Ebenso wurde das "gleichzeitig mündlich vorgetragene Begehren auf Aushändigung bzw. Übermittlung einer vollständigen Abschrift eines anlässlich der gegenständlichen Planung erstellten Verkehrsgutachtens" nach § 1 Abs. 5 des Wiener Auskunftspflichtgesetzes abgewiesen. Dieser Bescheid war nach einer Zustellverfügung an Rechtsanwalt Dr. H. G. gerichtet und wurde ihm am 9. November 2009 zugestellt.

Am 20. November 2009 langte bei der MA 21 B die gegen diesen Bescheid gerichtete, von der Beschwerdeführerin im Wege ihres Vertreters (Rechtsanwalt Dr. H. G.) eingebrachte Berufung vom 17. November 2009 ein.

Der Berufungssenat der Stadt Wien  beschloss in seiner Sitzung vom 26. Februar 2010, die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückzuweisen. Der entsprechende Berufungsbescheid vom 26. Februar 2010, Zl. MA 26 - 564/09, wurde der MA 21 B zwecks nachweislicher Zustellung der Bescheidausfertigung an die Beschwerdeführerin, zu Handen ihres Rechtsanwaltes Dr. H. G., übermittelt.

Am 27. Mai 2011 langte beim Gemeinderat der Gemeinde Wien der Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin vom 25. Mai 2011 wegen behaupteter Säumnis des Berufungssenates der Stadt Wien hinsichtlich der Entscheidung über die Berufung vom 17. November 2009 ein.

Die MA 21 B veranlasste daraufhin die - bislang unterbliebene - Zustellung des am 26. Februar 2010 vom Berufungssenat der Stadt Wien beschlossenen Berufungsbescheides an die Beschwerdeführerin; die diesbezügliche Zustellung erfolgte am 20. Juni 2011.

Mit hg. Erkenntnis des heutigen Tages zur Zl. 2011/05/0121 wurde dieser Bescheid wegen Unzuständigkeit des Berufungssenates infolge Übergangs der Entscheidungspflicht auf den Gemeinderat der Gemeinde Wien aufgehoben.

Mit der vorliegenden, am 22. Dezember 2011 hg. eingebrachten Säumnisbeschwerde macht die Beschwerdeführerin die Verletzung der Entscheidungspflicht der im Devolutionsweg angerufenen belangten Behörde in Ansehung der Berufung vom 17. November 2009 gegen den Bescheid der MA 21 B vom 6. November 2009 geltend. Über diese Berufung sei innerhalb der gesetzlichen Frist keine Entscheidung des Berufungssenates der Stadt Wien erlassen worden, weshalb die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 25. Mai 2011 an den Gemeinderat der Gemeinde Wien als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde die Verletzung der Entscheidungspflicht geltend gemacht und gemäß § 73 Abs. 1 AVG die Devolution der Entscheidung an den Gemeinderat der Gemeinde Wien begehrt habe.

Mit Verfügung vom 9. Jänner 2012 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein und trug der belangten Behörde auf, innerhalb einer Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen. Diese Verfügung wurde der belangten Behörde am 19. Jänner 2012 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 12. April 2012 verwies der Berufungssenat der Stadt Wien auf die zur hg. Zl. 2011/05/0121 anhängige Beschwerde und die in diesem Verfahren bereits erfolgte Aktenvorlage und legte weiters dar, dass der bekämpfte Bescheid der MA 21 B vom 6. November 2009 gar nicht an die Beschwerdeführerin gerichtet gewesen sei, sodass sie von diesem, an einen Dritten ergangenen Bescheid, der inhaltlich nicht für sie bestimmt gewesen sei, weder betroffen noch durch diesen beschwert und somit auch nicht in ihren Rechten verletzt sein könne. Die Berufung der Beschwerdeführerin erweise sich schon mangels Rechtsmittellegitimation als unzulässig.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde:

Gemäß § 27 Abs. 1 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im administrativen Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Zur Zulässigkeit des Devolutionsantrages an den Gemeinderat der Gemeinde Wien wird auf das hg. Erkenntnis des heutigen Tages zur Zl. 2011/05/0121 verwiesen. Daraus ist festzuhalten, dass die belangte Behörde mit dem Einlangen des Devolutionsantrages am 27. Mai 2011 zur Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführerin vom 17. November 2009 zuständig wurde. Mit diesem Tag begann daher auch die Entscheidungsfrist zu laufen.

Da die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde im Devolutionsweg die Entscheidung über eine von ihr eingebrachte Berufung begehrte, war die belangte Behörde jedenfalls verpflichtet, über diese Berufung mit Bescheid zu entscheiden. Die Erfüllung dieser Verpflichtung kann auch darin bestehen, dass die Behörde die Berufung wegen Unzulässigkeit zurückweist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 1995, Zl. 93/12/0198, und vom 15. Oktober 1986, Zl. 85/01/0296).

Die belangte Behörde hat weder innerhalb der sechsmonatigen Frist zur Entscheidung noch innerhalb der ihr gesetzten dreimonatigen Nachfrist die begehrte Berufungsentscheidung erlassen, sodass die Befugnis zur Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen ist.

2. Zur inhaltlichen Entscheidung:

Zur Einbringung einer Berufung ist nur der befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist. Berufungswerber kann somit nur der sein, dem der Bescheid wirksam zugestellt oder verkündet worden und für den er auch inhaltlich bestimmt ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 8. April 1986, Zl. 82/05/0129, und vom 12. August 1994, Zl. 92/14/0063).

An wen ein bekämpfter Bescheid gerichtet werden hätte müssen, ist für die Prüfung der Rechtsmittellegitimation im Sinn des § 63 AVG ohne Bedeutung. Für die Frage der Rechtsmittellegitimation ist ausschließlich der (tatsächliche) Inhalt des Bescheides (nämlich der Spruch im Zusammenhang mit der Begründung) insoweit maßgebend, als daraus zu entnehmen ist, über welche Sache der Bescheid abspricht und an wen er gerichtet bzw. für wen er bestimmt ist. Es kommt darauf an, ob im Bescheid über Rechte des Rechtsmittelwerbers abgesprochen - das heißt in die Rechtssphäre des Rechtsmittelwerbers bestimmend eingegriffen - und dieser Bescheid gegenüber dem Rechtsmittelwerber erlassen wurde (siehe Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 80 zu § 63 AVG und die dortigen Judikaturzitate).

Dass der angefochtene Bescheid der MA 21 B vom 6. November 2009 ausschließlich für Rechtsanwalt Dr. H. G. bestimmt war und nur ihm als Bescheidadressaten zugestellt wurde, wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Eine Rechtsmittellegitimation der Beschwerdeführerin scheidet damit aus, da weder über ihre Rechte abgesprochen noch der Bescheid ihr zugestellt wurde. Darauf, ob schon der verfahrenseinleitende Antrag auch ohne damalige Offenlegung des Vollmachtsverhältnisses zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Vertreter der Beschwerdeführerin zuzurechnen gewesen wäre, kommt es entgegen den Beschwerdeausführungen nicht an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Da eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht stattgefunden hat, kommt die Zuerkennung von Verhandlungsaufwand nicht in Betracht.

Wien, am 26. Juni 2013

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