VwGH 2011/05/0163

VwGH2011/05/016329.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerden von 1. RW, 2. LW, beide in Wien, 3. J und HL in S,

  1. 4. AS in M, 5. BF in M, HF in K und KF in Wien, 6. JS in Wien,
  2. 7. LS in M, 8. J und MH in M, 9. MR und JW in M sowie 10. MT in M, alle vertreten durch Mag. Philipp J. Graf und Dr. Isabelle Dessulemoustier-Bovekercke-Ofner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Weihburggasse 4/22, gegen die Bescheide des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend, jeweils vom 16. September 2011, Zl. BMWFJ-556.050/0139-IV/5a/2011 (ad 1., hg. Zl. 2011/05/0163), Zl. BMWFJ-556.050/0141-IV/5a/2011 (ad 2., hg. Zl. 2011/05/0164), Zl. BMWFJ-556.050/0146-IV/5a/2011 (ad 3., hg. Zl. 2011/05/0165), Zl. BMWFJ-556.050/0142-IV/5a/2011 (ad 4., hg. Zl. 2011/05/0166), Zl. BMWFJ-556.050/0148-IV/5a/2011 (ad 5., hg. Zl. 2011/05/0167), Zl. BMWFJ-556.050/0143-IV/5a/2011 (ad 6., hg. Zl. 2011/05/0168), Zl. BMWFJ-556.050/0140-IV/5a/2011 (ad 7., hg. Zl. 2011/05/0169), Zl. BMWFJ-556.050/0147-IV/5a/2011 (ad 8., hg. Zl. 2011/05/0170), Zl. BMWFJ-556.050/0145-IV/5a/2011 (ad 9., hg. Zl. 2011/05/0171), Zl. BMWFJ-556.050/0144-IV/5a/2011 (ad 10., hg. Zl. 2011/05/0172), betreffend zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeiten (mitbeteiligte Partei: Wien Energie Stromnetz GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Ralph Mayer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Erdbergstraße 202), nach mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
MRK Art6 Abs1;
MRKZP 01te Art1;
ROG Stmk 1974 §34;
StarkstromwegeG NÖ 1979 §11 Abs2;
StarkstromwegeG NÖ 1979 §18;
StarkstromwegeG NÖ 1979 §20 litb;
StarkstromwegeG NÖ 1979 §20 litc;
StarkstromwegeG NÖ 1979 §20 litd;
StarkstromwegeG NÖ 1979 §7 Abs1;
StGG Art5;
VwGG §47;
VwGG §48 Abs2 Z2;
VwGG §48 Abs3 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.302,10 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.489,40 zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 20. Juli 2010, Spruchpunkt I., erteilte die belangte Behörde gemäß §§ 3 Abs. 1 und 7 Abs. 1 NÖ StWG nach Maßgabe der vorgelegten Unterlagen der mitbeteiligten Partei die starkstromwegerechtliche Bau- und Betriebsbewilligung für die elektrische Leitungsanlage "20 kV Kabellegung Flughafen Wien" (fortan: "elektrizitätsrechtlicher Bewilligungsbescheid"). Die gegen diesen Bescheid zur hg. Zl. 2010/05/0171 protokollierte Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. August 2012 als unbegründet abgewiesen.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden räumte die zufolge Devolution gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG zuständige belangte Behörde der mitbeteiligten Partei jeweils mit Spruchpunkt I. zur Sicherung der Errichtung, des Bestandes, des Betriebes und der Instandhaltung der Leitungsanlage "20 kV Kabellegung Flughafen Wien" zu Lasten der im bücherlichen Eigentum der Beschwerdeführer stehenden, näher bezeichneten Grundparzellen im Enteignungswege entsprechende, jeweils 2 m breite Dienstbarkeiten ein.

Mit Spruchpunkt II. wurde jeweils der Devolutionsantrag, "insofern er auch auf die Neufestsetzung der im Bescheid der NÖ Landesregierung vom (…) gemäß § 20 lit. a und b NÖ StWG, LGBl. 7810-3, festgesetzten vorläufigen Sicherstellung für die Einräumung der Dienstbarkeitsrechte abzielt, gemäß § 20 lit. a, b und c NÖ StWG, LGBl. 7810-0, idF LGBl. 7810-3, als rechtlich unzulässig zurückgewiesen".

Mit Spruchpunkt III. wurde jeweils ausgesprochen, dass "die das Enteignungsverfahren betreffenden Einwendungen gegen den verfahrenseinleitenden Antrag" mit der Erledigung desselben als "miterledigt" gelten. Gleichzeitig wurden "sämtliche das Enteignungsverfahren betreffende Anträge", wie insbesondere die Anträge auf Unterbrechung des Enteignungsverfahrens bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Beschwerdeverfahren betreffend den elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsbescheid und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, als sachlich und rechtlich unbegründet abgewiesen.

Mit Spruchpunkt IV. wurden der jeweils mitbeteiligten Partei die Verfahrenskosten auferlegt.

Begründend führte die belangte Behörde zum jeweiligen Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, die beantragte Einräumung der Dienstbarkeitsrechte sei auszusprechen gewesen, weil sie sich als geeignet und notwendig erwiesen habe, um die mit dem elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsbescheid rechtskräftig genehmigte 20 kV-Kabellegung Flughafen Wien privatrechtlich ausreichend abzusichern. Mit Leitungsrechten habe nicht das Auslangen gefunden werden können. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes seien dann, wenn - wie im elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsbescheid festgestellt - großes öffentliches Interesse am Bestand einer elektrischen Leitungsanlage bestehe, zur Absicherung der Errichtung und des Bestandes der Leitungsanlage Dienstbarkeitsrechte einzuräumen. Der Amtssachverständige für Elektrotechnik und Elektrizitätswirtschaft habe darauf hingewiesen, dass die gegenständlichen 20 kV-Leitungen in ihrer Bedeutung für den Transport elektrischer Energie mit einer 110 kV-Leitung vergleichbar seien. Ebenso wäre iSd § 18 Abs. 1 NÖ StWG eine Verlegung der Leitung mit unwirtschaftlich hohen Kosten verbunden gewesen. Das beantragte räumliche Ausmaß der Dienstbarkeitsrechte ergebe sich nach schlüssiger und nachvollziehbarer Darstellung des Amtssachverständigen zwingend aus den geltenden und anzuwendenden elektrotechnischen Sicherheitsnormen und sei zur Absicherung der 20 kV-Leitungsanlagen geeignet und notwendig. Er habe in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass im elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsbescheid mit der Breite von 1,53 m nicht die Breite des Dienstbarkeitsstreifens, sondern vielmehr die Verlegungsbreite angegeben sei, welche sich durch eine Addition der zu verlegenden Anlagenteile ergeben habe. Die Praxis zeige aber, dass die Breite des Verlegungsstreifens während der Bautätigkeit, aber auch bei Revisionsarbeiten mit Künettenaushub, nicht exakt eingehalten werden könne. Für die Durchführung der Baumaßnahmen sei daher ein Streifen erforderlich, der über die Verlegungsbreite hinausreiche. Da damit zu rechnen sei, dass für die Künette Konstruktionen für Pölzungen erforderlich sein werden, habe der Amtssachverständige zwei Meter für den Dienstbarkeitsstreifen - auch für Revisionszwecke - für ausreichend gehalten.

Die Enteignungswerberin habe den dem verfahrensgegenständlichen Enteignungsantrag zunächst angeschlossenen Lageplan unter Einbeziehung amtlicher Messpunkte von Ziviltechnikern überarbeiten lassen. Dieser Plan sei der Vertreterin der Beschwerdeführer zum Parteiengehör übermittelt worden; mit Schriftsatz vom 6. Mai 2011 sei dazu Stellung genommen worden. Rechtlich entscheidend für die Zulässigkeit der zwangsweisen Einräumung von Dienstbarkeitsrechten sei die Übereinstimmung der räumlichen Ausdehnung der beantragten Zwangsrechte mit dem bewilligten Vorhaben. Diese Übereinstimmung sei im gegenständlichen Fall gegeben. Laut dem Vermerk der Ziviltechniker auf dem nunmehrigen Servitutsplan vom 15. April 2011 beruhe dieser "auf den Einreichunterlagen zum starkstromwegerechtlichen Bewilligungsverfahren WTS6-E-12361/002- 2009 20 kV Kabellegung Flughafen Wien, Mannswörth, Schwechat (Plan Nr. 49-2008 der Wien Energie Wienstrom vom 9.9.2009)", welche Grundlage für den elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsbescheid gewesen seien, wobei dessen Spruchpunkt I wiederum anordne, dass die Anlage "mit (…) den mit einem Hinweis auf den Bescheid der NÖ Landesregierung vom 4.2.2010, Zl. WTS6-E- 12361/002-2009, versehenen Planunterlagen" übereinstimme. Der nunmehrige Servitutsplan stelle durch von den Beschwerdeführern nicht in Frage gestellte "Gauß-Krüger-Koordinaten" die exakte Lage des Dienstbarkeitsstreifens der mitbeteiligten Partei wie im elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsbescheid bewilligt dar und weise ebenso wie der Plan des bewilligten Projektes den in der Stellungnahme vom 6. Mai 2011 angesprochenen "Abstand" zwischen dem Dienstbarkeitsstreifen der mitbeteiligten Partei und jenem der OMV auf. Trotz dieses Abstandes sei die Trasse der verfahrensgegenständlichen 20 kV-Kabelsysteme im Sinne der verbalen Beschreibung des Trassenverlaufes im elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsbescheid an den bestehenden Servitutsstreifen der OMV "anschließend" situiert, dies bereits deshalb, weil in dieser Beschreibung kein "unmittelbarer" Anschluss an den OMV-Servitutsstreifen gefordert sei. Dass in der Legende des dem elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsbescheid zugrunde liegenden Plans eine OMV-"Leitung" angeführt sei, sei eine rechtlich irrelevante Fehlbezeichnung, weil dem Plan unmissverständlich zu entnehmen sei, dass es sich bei dieser zeichnerischen Darstellung in Form einer zweifach unterbrochenen Linie um eine Fläche, nämlich den Dienstbarkeitsstreifen der OMV, handle. Auch das Ausmaß der eingeräumten Dienstbarkeitsrechte sei ausreichend bestimmt.

Die zurückweisende Entscheidung zu Spruchpunkt II. begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der jeweilige Spruchpunkt II. der Bescheide der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. bzw. 20. Juni 2011 durch den Devolutionsantrag nicht außer Kraft getreten sei: Aus § 20 lit. c NÖ StWG ergebe sich, dass "Fragen der Höhe der Entschädigung aufgrund der Sukzessivzuständigkeit der Zivilgerichte der Entscheidungsbefugnis des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend entzogen sind". Nach Ansicht der belangten Behörde ergebe sich dies "schon aus § 20 lit. d NÖ StWG, wonach auch ein vorläufiger Sicherstellungsbetrag im Falle seiner gerichtlichen Hinterlegung bzw. Ausbezahlung an den Enteigneten die Vollstreckbarkeit des Enteignungsbescheides bewirke, und deshalb dasselbe rechtliche Schicksal wie die 'eigentliche' Bestimmung der Entschädigung" haben müsse. Dabei verwies die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 28. November 1995, Zl. 94/04/0093, nach welchem die Entscheidung über eine Sicherstellungsleistung nach dem Berggesetz 1975 der sukzessiven Kompetenz der Gerichte zugewiesen worden sei. Dass der Übergang der Zuständigkeit gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG nicht auch den Ausspruch der erstinstanzlichen Behörde über die festgesetzte Sicherstellung für die Einräumung von Dienstbarkeitsrechten mitumfasse, ergebe sich auch "aus der Überlegung, dass Entscheidungen über Ansprüche auf eine Enteignungsentschädigung Entscheidungen über civil rights iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK sind, über die von einem Tribunal zu entscheiden ist (vgl. den Beschluss des VfGH vom 3.12.2003, Zl. B 1328/03, VfSlg. 17.072)".

Zu Spruchpunkt III. verwies die belangte Behörde hinsichtlich der Abweisung des Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung darauf, dass die Beschwerdeführer in ihren ohnehin sehr umfangreichen Stellungnahmen vom 6. Mai 2011 nicht dargelegt hätten, weshalb zusätzlich eine mündliche Verhandlung auch vor der belangten Behörde zur weiteren Erörterung der Planurkunden notwendig sei.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, im Wesentlichen gleichlautenden, erkennbar nur gegen die Spruchpunkte I. bis III. gerichteten und wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs durch den Verwaltungsgerichtshof verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde sowie Erstattung von Gegenschriften durch belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen hat:

1. Das Niederösterreichische Starkstromwegegesetz (NÖ StWG) in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. 7810-3 lautet auszugsweise:

"Anwendungsbereich

§ 1 (1) Dieses Gesetz gilt für elektrische Leitungsanlagen für Starkstrom, die sich nur auf das Gebiet des Bundeslandes Niederösterreich erstrecken.

Leitungsrechte

§ 11 (1) Jedem, der eine elektrische Leitungsanlage betreiben will, sind von der Behörde auf Antrag an Grundstücken einschließlich der Privatgewässer, der öffentlichen Straßen und Wege sowie des sonstigen öffentlichen Gutes Leitungsrechte einzuräumen, wenn und soweit dies durch die Bewilligung der Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer elektrischen Leitungsanlage notwendig wird.

(2) Dem Antrag ist nicht zu entsprechen, wenn

a) der dauernde Bestand der elektrischen Leitungsanlage an einem bestimmten Ort aus zwingenden technischen Gründen oder mit Rücksicht auf die unverhältnismäßigen Kosten ihrer Verlegung die Enteignung erfordert (§ 18),

  1. b) ihm öffentliche Interessen (§ 7 Abs. 1) entgegenstehen oder
  2. c) Leitungsrechte bereits auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung bestehen.

    Enteignung

    § 18 (1) Wenn der dauernde Bestand der elektrischen Leitungsanlage an einem bestimmten Ort aus zwingenden technischen Gründen oder mit Rücksicht auf die unverhältnismäßigen Kosten ihrer Verlegung die Enteignung erfordert, so daß mit den Leitungsrechten nach §§ 11 ff das Auslangen nicht gefunden werden kann, ist von der Behörde über Antrag die Enteignung für elektrische Leitungsanlagen samt Zubehör einschließlich der Umspann-, Umform- und Schaltanlagen auszusprechen.

    Durchführung von Enteignungen

    § 20 Auf das Enteignungsverfahren und die behördliche Ermittlung der Entschädigung sind die Bestimmungen des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes - EisbEG, BGBl. Nr. 71/1954 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2003 mit Ausnahme von § 13 Abs. 2 und 3, sinngemäß mit nachstehenden Abweichungen anzuwenden:

    a) Über den Inhalt, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung sowie über die Entschädigung entscheidet die Behörde nach Anhörung der für den Enteignungsgegenstand zuständigen gesetzlichen Interessenvertretung.

    b) Die Höhe der Entschädigung ist auf Grund der Schätzung wenigstens eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen im Enteignungsbescheid oder in einem gesonderten Bescheid zu bestimmen; im letzteren Fall ist ohne weitere Erhebungen im Enteignungsbescheid ein vorläufiger Sicherstellungsbetrag festzulegen.

    c) Jede der beiden Parteien kann binnen drei Monaten ab Erlassung des die Entschädigung bestimmenden Bescheides (lit.b) die Feststellung des Entschädigungsbetrages bei jenem mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen betraute Landesgericht begehren, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung befindet. Der Bescheid der Behörde tritt hinsichtlich des Ausspruches über die Entschädigung mit Anrufung des Gerichtes außer Kraft. Der Antrag an das Gericht auf Feststellung der Entschädigung kann nur mit Zustimmung des Antragsgegners zurückgezogen werden.

    d) Ein erlassener Enteignungsbescheid ist erst vollstreckbar, sobald der im Enteignungsbescheid oder in einem gesonderten Bescheid bestimmte Entschädigungsbetrag oder der im Enteignungsbescheid festgelegte vorläufige Sicherstellungsbetrag (lit.b) gerichtlich hinterlegt oder an den Enteigneten ausbezahlt ist.

    …"

    2. Wegen der Relevanz für das weitere Beschwerdevorbringen ist zunächst auf Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide einzugehen:

    Die Beschwerdeführer vermeinen, sie hätten die Festsetzung der vorläufigen Sicherheitsleistung dem Grunde nach bekämpft, was - wie bei Festsetzung der Entschädigungsleistung dem Grunde nach - zulässig sei.

    Damit verkennen die Beschwerdeführer, dass Fragen der Entschädigung jedenfalls Sache der Gerichte sind, selbst wenn die Verwaltungsbehörde keinerlei Entschädigung zugesprochen hat (siehe die Nachweise bei Neubauer/Onz/Mendel, StWG (2010) § 20 Rz 65). Im dort zitierten Beschluss vom 27. Jänner 2009, Zlen. 2007/06/0196, 0135, hat der Verwaltungsgerichtshof betont, dass gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK über "civil rights", somit auch über den dort in § 34 Stmk ROG 1974 vorgesehenen Entschädigungsanspruch - dem Grunde und der Höhe nach - von einem "unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht ('Tribunal')" entschieden werden muss. Nichts anderes kann aber für den in § 20 lit. b NÖ StWG genannten Sicherstellungsbetrag gelten, da dessen Festlegung - was auch aus § 20 lit. d NÖ StWG erhellt - bloß der späteren Durchsetzung des Entschädigungsanspruches dient. Auch diese Festlegung kann nur bei Gericht bekämpft werden.

    Der oben wiedergegebenen Begründung der belangten Behörde, aus § 20 lit. c NÖ StWG ergebe sich, dass "Fragen der Höhe der Entschädigung auf Grund der Sukzessivzuständigkeit der Zivilgerichte der Entscheidungsbefugnis des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend entzogen sind und laut § 20 lit. d leg. cit. die Entscheidung über die vorläufige Sicherstellung dasselbe rechtliche Schicksal wie die eigentliche Bestimmung der Entschädigungshöhe haben müsse", kann daher nicht entgegengetreten werden.

    3. Auch im Übrigen sind die Beschwerden unbegründet.

3.1. Zunächst ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, derzufolge nach Rechtskraft eines Baubewilligungsbescheides im Enteignungsverfahren nur mehr zu überprüfen ist, ob die von der Antragstellerin beanspruchten Enteignungsmaßnahmen zur Durchführung des Baues und des Betriebes der Leitungsanlage erforderlich sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 6. September 2011, Zl. 2008/05/0016, mwN).

3.2. Die Beschwerdeführer rügen in diesem Zusammenhang zunächst, die belangte Behörde habe nicht festgestellt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für die Enteignung nach § 18 NÖ StWG erfüllt seien; es werde an keiner Stelle der angefochtenen Bescheide festgestellt, dass zwingende technische Gründe oder unverhältnismäßig hohe Kosten der Errichtung vorliegen würden bzw. weshalb mit Leitungsrechten nicht das Auslangen gefunden werden konnte.

Zu diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide zu verweisen, in denen sich die belangte Behörde mit dem Gutachten des Amtssachverständigen für Elektrotechnik und Elektrizitätswirtschaft auseinandergesetzt und auf Grund dieses Gutachtens klar festgestellt hat, dass sich die Einräumung der Dienstbarkeitsrechte zwingend aus den geltenden und anzuwendenden elektrotechnischen Sicherheitsnormen ergebe und zur Absicherung der 20 kV-Leitungsanlagen geeignet und notwendig sei. Gleichermaßen sind sie zur Frage des Ausreichens von Leitungsrechten auf die Feststellungen der belangten Behörde, dass die gegenständlichen 20 kV-Leitungen in ihrer Bedeutung für den Transport elektrischer Energie mit einer 110 kV-Leitung vergleichbar seien und mit Leitungsrechten nicht das Auslangen gefunden werden könne, zu verweisen. Da die Beschwerdeführer den Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen hinsichtlich des Ausmaßes und der Notwendigkeit der beanspruchten Grundstücksflächen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sind und (auch für den Verwaltungsgerichtshof) keine Unschlüssigkeit des Gutachtens erkennbar ist, hat die belangte Behörde ihren Bescheiden zu Recht die Ausführungen des Amtssachverständigen zugrunde gelegt (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis Zl. 2008/05/0016, mwN).

Auf Grund des Gutachtens konnte auch plausibel festgestellt werden, dass eine Verlegung der Leitung im Sinne des § 18 Abs. 1 NÖ StWG mit unwirtschaftlich hohen Kosten verbunden wäre. Leitungsrechte kommen aber nur in jenen Fällen in Betracht, in denen - sei es nach der Art der Leitung, sei es nach ihrer Zweckbestimmung - kein zwingendes Interesse an einer dauerhaften Fixierung der Trasse besteht und eine Verlegung ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist (Neubauer/Onz/Mendel StWG § 11 Rz 8).

3.3. Weiters wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung bzw. dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Planunterlagen. Der Verlauf der Trasse der elektrischen Leitungsanlage wurde bereits mit Bescheid vom 20. Juli 2010 festgelegt. Dem diesem Bescheid vorangegangenen Verfahren waren die Beschwerdeführer als Parteien zugezogen worden, die Behörde hatte sich in diesem Verfahren mit den Einwendungen der Beschwerdeführer auseinandergesetzt und ihre diesbezüglichen Einwendungen abgewiesen. Die den nunmehr angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Servitutspläne vom 15. April 2011 weisen aber - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer - klar und erkennbar das jeweilige Ausmaß und die jeweilige Lage der eingeräumten Dienstbarkeit auf dem jeweiligen Grundstück aus und stimmen mit den dem elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsbescheid zugrundeliegenden Plänen über den Trassenverlauf überein. Die angefochtenen Bescheide sind daher in diesem Punkt nicht zu beanstanden.

3.4. Soweit die Beschwerdeführer vorbringen, entgegen der Anordnung des § 20 lit. a NÖ StWG sei die für den Enteignungsgegenstand zuständige gesetzliche Interessenvertretung zu keinem Zeitpunkt geladen oder angehört worden, genügt es, sie auf die in den Verwaltungsakten aufliegenden, an die Niederösterreichische Landwirtschaftskammer ergangenen Ladungen vom 10. Jänner 2011 zu den mündlichen Verhandlungen vor der Niederösterreichischen Landesregierung zu verweisen; die erstmals in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof aufgestellte Behauptung, diese Ladungen seien der Landwirtschaftskammer erst nach den Verhandlungen zugekommen, ist im Lichte des aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleiteten Neuerungsverbotes unbeachtlich. Es erübrigt sich daher, auf die Frage einzugehen, ob damit überhaupt eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer verbunden sein konnte; die Höhe des Sicherstellungsbetrages, zu dessen Ermittlung die Beiziehung der Landwirtschaftskammer in der Verhandlung angesprochen wurde, ist hier, wie aus den obigen Ausführungen zu Pkt. 2 hervorgeht, nicht gegenständlich.

3.5. Zum Antrag auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Devolutionsverfahren fehlt den Beschwerden konkretes Vorbringen dazu, welche Verfahrensergebnisse durch welche Beweismittel hätten erzielt werden sollen und weshalb diese zu einem anderslautenden Bescheid geführt hätten. Der pauschale Verweis auf "sämtliche im erstinstanzlichen Verfahren nicht vernommen(e) Zeugen" ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend. Ebenso wenig wird in den Beschwerden dargelegt, zu welchem verfahrensrelevanten Zweck diverse "informierte Vertreter" hätten vernommen werden sollen. Auch eine Verletzung des Parteiengehörs der Beschwerdeführer kann vom Verwaltungsgerichtshof nicht erkannt werden.

3.6. Wenn die Beschwerdeführer die Antragslegitimation der mitbeteiligten Partei in Zweifel ziehen, sind sie, soweit sich die Einwendungen auf das elektrizitätsrechtliche Bewilligungsverfahren beziehen, zunächst darauf zu verweisen, dass dieses bereits rechtskräftig abgeschlossen ist und im Enteignungsverfahren nur mehr zu überprüfen ist, ob die von der Antragstellerin beanspruchten Enteignungsmaßnahmen zur Durchführung des Baues und des Betriebes der Leitungsanlage erforderlich sind (vgl. oben, Punkt 3.1.). Im Übrigen sei angemerkt, dass sowohl im elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsbescheid als auch in den nunmehr angefochtenen Bescheiden die mitbeteiligte Partei wörtlich ident als Bescheidadressatin genannt ist. Warum aber dann die mitbeteiligte Partei, an welche sich schon der elektrizitätsrechtliche Bewilligungsbescheid richtet, nunmehr nicht legitimiert sein sollte, zur Absicherung der Umsetzung desselben die Einräumung von Zwangsrechten zu beantragen, erläutern die Beschwerden nicht.

3.7. Welche konkrete Relevanz der behaupteten "Nichternstlichkeit" der privatrechtlichen Anbote der mitbeteiligten Partei im Enteignungsverfahren im Hinblick auf die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte der Beschwerdeführer durch die angefochtenen Bescheide zukommen soll, wird von den Beschwerdeführern nicht ausgeführt.

3.8. Das Vorbringen, der in den Servitutsplänen aufscheinende Schutz- bzw. Arbeitsstreifen sei von der mitbeteiligten Partei überhaupt nicht beantragt worden, widerspricht dem Akteninhalt; in den Anträgen auf Enteignung hat die mitbeteiligte Partei jeweils auch ausgeführt, es sei für die Verlegung der Kabeltrasse ein Arbeitsstreifen von 12 m inklusive dem 2 m breiten Dienstbarkeitsstreifen notwendig, und beantragt, es müsse "für die Dauer der Bauarbeiten ein Arbeitsstreifen wie oben angeführt zur Verfügung gestellt werden, der nach Abschluss der Arbeiten (…) entschädigt wird".

3.9. Da, wie oben ausgeführt, die Zurückweisung durch Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides zu Recht erfolgte, bedarf es keines Eingehens auf das Vorbringen, es liege kein Sachverständigengutachten zur Bemessung der vorläufigen Sicherheitsleistung vor.

3.10. Ebenso unbeachtlich bleibt das Beschwerdevorbringen, wonach es die belangte Behörde verabsäumt habe, die "konkreten Kosten des Projekts" festzustellen, schon deshalb, weil die belangte Behörde ihre Entscheidung auf die alternative Tatbestandsvoraussetzung "aus zwingenden technischen Gründen" des § 18 Abs. 1 NÖ StWG gestützt hat.

3.11. Nach Ansicht der Beschwerdeführer habe die belangte Behörde im Hinblick auf die Anwendung des NÖ StWG nicht dargelegt, ob sich die gesamte Leitungsanlage "nur auf Niederösterreich oder auch auf andere Bundesländer erstreckt". Dem ist zu entgegnen, dass sich bereits aus den dem elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsbescheid zu Grunde liegenden Plänen und den Servitutsplänen - wie auch im eingangs zitierten Vorerkenntnis 2010/05/0171 ausgesprochen - ergibt, dass sich die dem Enteignungsverfahren zu Grunde liegende Leitung zur Gänze auf niederösterreichischem Landesgebiet befindet. Im Übrigen wird Gegenteiliges in den Beschwerden auch nicht behauptet. Die Anwendung des NÖ StWG durch die belangte Behörde ist im Hinblick auf den in § 1 Abs. 1 NÖ StWG festgelegten örtlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes somit unbedenklich.

3.12. Unter Zugrundelegung der Servitutspläne sowie des Gutachtens des Amtssachverständigen für Elektrotechnik und Elektrizitätswirtschaft erscheint der von der belangten Behörde ermittelte Sachverhalt jedenfalls ausreichend, um die angefochtenen Bescheide zu tragen. Welche konkrete Relevanz den von den Beschwerdeführern verlangten weiteren Ermittlungen hätte zukommen sollen, wird in den Beschwerden nicht ausgeführt.

4. Aus diesen Gründen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Da sowohl die belangte Behörde als auch die Mitbeteiligte zu allen Beschwerden jeweils gleichlautende Gegenschriften erstattet hat, waren die Kosten für Schriftsatzaufwand nur je einmal zuzusprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2012, Zlen. 2009/05/0025, 0026).

Wien, am 29. Jänner 2013

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