VwGH 2010/22/0199

VwGH2010/22/019919.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Christa Scheimpflug, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Erdberger Lände 6/27, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 28. Juli 2010, Zl. 147.350/15-III/4/10, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2012:2010220199.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zum bisherigen Verfahrensgang wird auf das hg. Erkenntnis vom 18. März 2010, 2008/22/0168, verwiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" zu wertenden Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, vom 27. Oktober 2005 neuerlich gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 und § 30 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung verwies die belangte Behörde im Wesentlichen auf die Selbstanzeige der Ehefrau des Beschwerdeführers, der gemäß es sich bei der Ehe mit dem Beschwerdeführer um eine Aufenthaltsehe handle, die von einem Staatsangehörigen von Bangladesch vermittelt worden wäre, für die Eheschließung ein Vermögensvorteil von EUR 6.000,-- versprochen worden wäre, ein gemeinsamer Wohnsitz nicht bestanden hätte und die Ehe nicht vollzogen worden wäre. Ein diesbezüglicher Aufenthaltsverbotsbescheid sei noch nicht rechtskräftig geworden.

Nach Aufhebung des im ersten Rechtsgang erlassenen Bescheides der belangten Behörde sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, zu den bisherigen Beweisergebnissen Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer habe lediglich bekannt gegeben, dass diese Selbstanzeige nur erfolgt wäre, um die Ehe aufzulösen bzw. einen Vorteil in einem allfälligen Scheidungsverfahren zu haben, zumal sich erst nach der Eheschließung herausgestellt hätte, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers Drogen nehme und sie aus diesem Grund getrennt lebten.

Diese Angaben - so die belangte Behörde weiter - seien nicht geeignet, die gegenständliche Ehe anders als eine Aufenthaltsehe zu beurteilen. Dem Beschwerdeführer sei der Inhalt der Niederschrift mit seiner Ehefrau mehrfach zur Kenntnis gebracht worden. Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt mit seiner Ehefrau an einem gemeinsamen Wohnsitz gelebt habe und es bestünden an der Glaubwürdigkeit der Angaben der Ehefrau keine Zweifel. Für die erkennende Behörde gelte damit eine Aufenthaltsehe als erwiesen und es liege somit ein zwingender Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG vor. Die Erteilung des Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" sei damit ausgeschlossen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

In der Beschwerde wird - wie bereits im ersten Verfahrensgang - geltend gemacht, die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer die Niederschrift seiner Ehefrau vom 23. März 2005 nicht zur Kenntnis gebracht und es sei dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen, eine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme abzugeben.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine dem angefochtenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit auf. Der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Vorerkenntnis ausgeführt, dass den Parteien gemäß § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben ist, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Dem Bescheid dürfen keine der Partei unbekannten Tatsachen und Beweismittel zu Grunde gelegt werden. Diese Verpflichtung bestehe auch für die Berufungsbehörde, wenn sie ihrer Entscheidung in einem wesentlichen Punkt einen anderen Sachverhalt unterstellen will als die Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Nun hat die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 6. Juli 2010 aufgefordert, zu einem bestimmten Vorhalt Stellung zu nehmen. Dabei verwies die belangte Behörde auf die Selbstanzeige der Ehefrau des Beschwerdeführers und auf den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid vom 7. Juni 2006, in dem der Inhalt dieser Selbstanzeige konkret wiedergegeben worden sei.

Ihrer Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs entspricht die Behörde dadurch, dass sie der Partei das schriftlich festgehaltene Ergebnis der Beweisaufnahme zur mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme binnen einer bestimmten Frist vorhält oder sie zur Akteneinsicht auffordert (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 35). Diesem Erfordernis ist die belangte Behörde nachgekommen. Sie ist nicht verpflichtet, der Partei eine einen Bestandteil des Verwaltungsaktes bildende Niederschrift in Fotokopie zu übersenden, sondern darf - wie erwähnt - das Ergebnis der Beweisaufnahme zusammenfassend darstellen.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die belangte Behörde hätte ihn zum Thema Aufenthaltsehe vernehmen müssen, ist ihm zu entgegnen, dass die Partei aus § 45 Abs. 3 AVG keinen Anspruch ableiten kann, außerhalb einer Verhandlung mündlich gehört zu werden (vgl. auch dazu Hengstschläger/Leeb, AVG aaO). Dem Beschwerdeführer war es unbenommen, zum vorgehaltenen Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen und er hat diese Möglichkeit auch ergriffen. Mit dem bloßen Hinweis, die Selbstanzeige sei nur deshalb getätigt worden, "um die Ehe aufzulösen bzw. einen Vorteil in einem allfälligen Scheidungsverfahren zu haben", vermag der Beschwerdeführer das Ergebnis der behördlichen Beweiswürdigung nicht als unschlüssig darzustellen. Im Rahmen der ihm zukommenden Befugnis, die behördliche Beweiswürdigung auf ihre Schlüssigkeit zu überprüfen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärken Senates vom 3. Oktober 1985, 85/02/0053), sieht der Verwaltungsgerichtshof keine Rechtswidrigkeit darin, wenn die belangte Behörde der eindeutigen Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers Glauben schenkt. Es ist nämlich nicht zu erkennen, warum eine solche Selbstanzeige erforderlich gewesen wäre, um die Ehe aufzulösen, bzw. welchen konkreten Vorteil dies im Scheidungsverfahren hätte bieten können.

Soweit die Beschwerde eine Gefährlichkeitsprognose vermisst, verkennt der Beschwerdeführer den Inhalt des gegenständlichen Bescheides. Unabhängig von einer bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist nämlich der Antrag auf Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels abzuweisen, wenn die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Dabei kommt es nicht auf die Beurteilung einer Gefährlichkeit und auch nicht auf den Zeitraum seit dem Schließen der Aufenthaltsehe an. Letztlich hängt die Beurteilung einer Ehe als Aufenthaltsehe auch nicht vom Ausspruch der Nichtigkeit dieser Ehe ab (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 2012, 2008/21/0202).

Der Beschwerdehinweis auf eine Interessenabwägung geht ins Leere, weil eine solche nach § 11 Abs. 3 NAG bei Vorliegen des Versagungsgrundes des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG nicht vorzunehmen ist (vgl. auch dazu das zit. Erkenntnis 2008/21/0202).

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 19. September 2012

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