VwGH 2010/21/0237

VwGH2010/21/023719.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 21. Mai 2010, Zl. BMI-1020882/0005-II/3/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FremdenG 1997;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §86;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FremdenG 1997;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §86;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid erließ die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateten serbischen Staatsangehörigen, inhaltlich gestützt auf die §§ 87 und 86 iVm § 60 Abs. 2 Z. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte sie - auf das im vorliegenden Zusammenhang Wesentliche zusammengefasst - aus, der seit März 2003 in Österreich aufhältige Beschwerdeführer habe am 21. April 2005 zum Schein, also ohne dass ein Familienleben beabsichtigt gewesen oder in der Folge tatsächlich geführt worden wäre, die österreichische Staatsbürgerin D. geheiratet. Darauf gestützt habe er am 9. Mai 2005 die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beantragt.

Näher dargestellte Erhebungen an der von ihm angegebenen Wohnadresse des Beschwerdeführers und der D. hätten jedoch das Fehlen eines Familienlebens ergeben. Dazu kämen zahlreiche Widersprüche in den Einvernahmen der Genannten sowie weiterer Zeugen: Schon das Kennenlernen betreffend habe D. ausgesagt, es sei im Jahr 2002 in einer näher bezeichneten Straße in Wien erfolgt. Der Beschwerdeführer habe hingegen ausgeführt, erst im Jahr 2003 nach Österreich eingereist zu sein, D. hätte er in einem Park kennen gelernt. Die Wohnung seiner Schwester, in der auch er gewohnt habe, hätte D. nie betreten. D. habe hingegen ausgeführt, dort zu Besuch gewesen zu sein. Zur Vorbereitung der Ehe habe der Beschwerdeführer behauptet, die Eheringe seien von den Trauzeugen besorgt und bezahlt worden, während D. ausgesagt habe, diese gemeinsam mit dem Beschwerdeführer bei einem näher bezeichneten Juwelier ausgesucht zu haben, sie wären auch vom Beschwerdeführer bezahlt worden. Dazu kämen unterschiedliche Angaben über die am Standesamt anwesenden Personen. Nach der Hochzeit sei, so habe der Beschwerdeführer ausgeführt, in seiner Wohnung mit Kaffee und Getränken rund zwei Stunden lang gefeiert worden, dann sei er gemeinsam mit D. und deren Kind spazieren gegangen. D. zufolge hätte es dagegen ein Essen (mit Suppe, Fleisch und Sarma) gegeben, danach sei der Beschwerdeführer allein mit seinen Freunden "feiern gegangen".

In der Folge, so habe der Beschwerdeführer ausgesagt, hätten sie gemeinsam mit seinem Onkel gewohnt. D. dagegen habe angegeben, der genannte Onkel hätte ihnen die Wohnung (zum alleinigen Gebrauch) überlassen. Der Versuch des Beschwerdeführers, diesen Widerspruch in seiner Berufung an die belangte Behörde als einen Irrtum (Verwechslung des Wohnens mit der polizeilichen Meldung des Onkels) abzutun, müsse als Schutzbehauptung gewertet werden. Auch im Rahmen der Einvernahme zum täglichen Leben, konkret zum Ablauf des letzten Wochenendes vor der Befragung, seien - näher dargestellte - gravierende Widersprüche (zu den konsumierten Speisen und der Gestaltung des Tagesablaufes) aufgetreten. Selbst was den Tag der konkreten Einvernahme anlange, hätten der Beschwerdeführer und D. zum Zeitpunkt des Aufstehens, des Frühstücks und der Anreise zur Fremdenpolizeibehörde unterschiedlich ausgesagt. Dazu kämen noch andere (inhaltlich näher dargestellte) Divergenzen zwischen den Aussagen weiterer Bekannter und Nachbarn des Beschwerdeführers und der D.

Im Rahmen ihrer Abwägung nach § 66 FPG berücksichtigte die belangte Behörde, dass sich der Beschwerdeführer seit rund sieben Jahren in Österreich aufhalte, wo auch sein Onkel lebe. Überdies sei er vorübergehend - wenn auch illegal - berufstätig gewesen. Es sei daher von einem Eingriff in sein Recht auf Privatleben auszugehen. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe zur Verschaffung fremdenrechtlicher Vorteile eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich "das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens". Da im Übrigen "besondere Bindungen an Österreich" nicht einmal behauptet worden seien, sei insgesamt vom Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Ausreise des Beschwerdeführers auszugehen. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger positiver Gesinnungswandel in Bezug auf die Einstellung zu den österreichischen Rechtsvorschriften erwartet werden könne.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer ist als Ehemann Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige - wie hier - sein gemeinschaftsrechtlich begründetes Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde im Sinn des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG eine so genannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem, etwa zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen, auf diese Ehe berufen hat. Dann ist - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - auch eine Prognose iSd § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. April 2010, Zl. 2009/21/0406, mwN).

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs vor. Er sei von der Beweisaufnahme nicht verständigt worden; auch habe er keine Gelegenheit gehabt, sich zu den einzelnen Beweisergebnissen zu äußern.

Dies trifft nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten jedoch nicht zu: Nach entsprechender Einräumung einer Gelegenheit ist eine derartige Stellungnahme durch den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer am 15. Oktober 2009 vielmehr tatsächlich erfolgt. Soweit darin einzelne zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechende Aussagen (etwa des Zeugen M.: Die Ehe des Beschwerdeführers mit D. sei gut gewesen, zumal diese nie gestritten, sich immer gut vertragen und gegenseitig respektiert hätten) hervorgehoben werden, ist daraus keine Unschlüssigkeit der unter abwägender Gesamtbetrachtung der auszugsweise dargestellten Ergebnisse des Beweisverfahrens vorgenommenen Beweiswürdigung der belangten Behörde ableitbar. Gerade die weiteren Ausführungen des Zeugen M. (der Beschwerdeführer und D. hätten sich getrennt, D. sei zu ihren Eltern gezogen, der Beschwerdeführer habe zunächst keine richtige Unterkunft gehabt, sondern hätte bei Freunden und Verwandten gewohnt; später hätte er eine eigene Wohnung genommen) widersprechen im Übrigen den Ausführungen der Zeugin N. (beide ursprünglich Nachbarn des Beschwerdeführers), die aussagte, der Beschwerdeführer sei gemeinsam mit D. zu deren Mutter gezogen.

Weiters macht die Beschwerde geltend, dass die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Ehe am 21. April 2005 geschlossen worden sei, sodass sie bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits mehr als fünf Jahre zurückgelegen sei. Soweit damit auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Fremdengesetz 1997 (FrG) angespielt wird, wonach eine allein aus dem Rechtsmissbrauch des Eingehens einer Scheinehe resultierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung als weggefallen zu betrachten sei, wenn - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - die erstmalige Erfüllung des im § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG normierten Tatbestandes bereits mehr als fünf Jahre zurückgelegen war, ist dem zu entgegnen, dass diese Rechtsprechung im Anwendungsbereich des FPG nicht aufrechterhalten wurde (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 2010, Zl. 2009/21/0112, und vom 29. April 2010, Zl. 2009/21/0406).

Ebenso ist für den Beschwerdeführer mangels gesetzlicher Grundlage auch aus dem Umstand nichts zu gewinnen, dass das ihm vorgeworfene Eingehen einer Scheinehe nicht zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt hat.

Bei der nach § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung hat die belangte Behörde ohnedies auf die langjährige Dauer des Aufenthalts, die Beziehung zu einem in Österreich wohnenden Angehörigen, die Berufstätigkeit und erkennbar auch auf den Erwerb sonstiger sozialer Kontakte des Beschwerdeführers Bedacht genommen. Dabei hat sie aber auch zutreffend berücksichtigt, dass die vom Beschwerdeführer erlangte Integration dadurch relativiert ist, dass sie auf einer Aufenthaltsehe beruhte. Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich kein höheres Gewicht beimaß als dem von ihm erheblich beeinträchtigten öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen.

Schließlich werden in der Beschwerde auch keine besonderen Umstände aufgezeigt, die aus Gesichtspunkten der der Behörde eingeräumten Ermessensübung eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verlangt hätten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 19. Mai 2011

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