VwGH 2009/21/0112

VwGH2009/21/011227.1.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des N, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 24. März 2009, Zl. BMI-1018194/0002-II/3/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid erließ die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen vom 3. März 2005 bis (zur Ehescheidung am) 30. Juli 2007 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateten Staatsangehörigen Indiens, gestützt auf § 60 Abs. 2 Z. 9 iVm § 63 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend verwies sie - auf das Wesentliche zusammengefasst -

zunächst auf den erstinstanzlichen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 10. September 2007 und einzeln angeführte Aussagen im Verwaltungsverfahren, woraus hervorgehe, dass der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben am 23. Oktober 2001 in das Bundesgebiet eingereist sei und erfolglos die Gewährung von Asyl beantragt habe. Am 3. März 2005 habe er die Österreicherin R. geheiratet, worauf ihm eine bis zum 10. November 2006 gültige Niederlassungsbewilligung erteilt worden sei. Bereits am 11. und 19. November 2005 habe er an der angegebenen "gemeinsamen Wohnung" seiner Gattin nicht angetroffen werden können. Der Nachbarin sei er gänzlich unbekannt gewesen. Diese Ermittlungsergebnisse hätten sich bei neuerlichen Erhebungen am 14. März 2007 bestätigt. Damals habe der Beschwerdeführer den einschreitenden Beamten gegenüber angegeben, seine Gattin hätte einen Termin beim Frauenarzt, was er später abgeleugnet habe. Dazu hätten sich Widersprüche in den Aussagen des Beschwerdeführers und der R., etwa betreffend die Wohnungseinrichtung, den Postkastenschlüssel und das gemeinsame Hochzeitsessen, ergeben. Weiters hätten sie unterschiedlich zum Zeitpunkt ihres letzten Treffens ausgesagt. Während der Beschwerdeführer geschildert habe, stets nur mit R. zusammen gewohnt zu haben, habe diese ausgeführt, auch dessen Freund S. sei bei ihnen in der Wohnung (als Mitbewohner) aufhältig gewesen. Dazu habe es weitere Widersprüche betreffend gemeinsame Feiern, etwa von Geburtstagen (im Jahr 2006, was nur R. bejahte), und zum Ablauf des ersten Kennenlernens zwischen dem Beschwerdeführer und R. (zur Frage, ob R. von ihrer Freundin begleitet worden war, zum Stattfinden eines gemeinsamen Essens und zum Zeitpunkt des Auseinandergehens an diesem Abend) gegeben. Insbesondere diese Divergenzen sowie die unterschiedlichen Aussagen zur Hochzeit (R. beschrieb ein Treffen erst am Standesamt, der Beschwerdeführer dagegen eine gemeinsame Anreise) seien nicht nachvollziehbar.

Letztmals sei dem Beschwerdeführer, so begründete die belangte Behörde weiter, am 7. Februar 2007 ein Aufenthaltstitel erteilt worden. Damals habe die Behörde vom Bestehen des Versagungsgrundes der Scheinehe jedoch noch keine Kenntnis gehabt. Ein entsprechender Verdacht habe erst im Zuge der erwähnten Hauserhebung vom 14. März 2007 erhärtet werden können.

Aus dem "festgestellten Sachverhalt" ergebe sich, dass der Beschwerdeführer ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK mit R. nie geführt, sondern die Ehe mit ihr offensichtlich zu dem Zweck geschlossen habe, um fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligungen zu erlangen.

Hinsichtlich des durch das Aufenthaltsverbot bedingten Eingriffs in das Privatleben des Beschwerdeführers sei im Hinblick auf Art. 8 EMRK zu bemerken, dass er neben seiner Berufstätigkeit keine besonderen Bindungen an Österreich behauptet habe. Die aus der Berufstätigkeit ableitbare Integration sei jedoch als erheblich geschmälert anzusehen, weil er nur auf Grund der genannten Scheinehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin keine Berechtigung nach dem AuslBG zur Ausübung seiner Beschäftigung benötigt habe. Im Übrigen habe der insgesamt rund siebenjährige Aufenthalt auf einem unbegründeten Asylantrag beruht.

Die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe zur Verschaffung fremdenrechtlicher Vorteile stelle eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Insgesamt sei somit vom Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Ausreise des Beschwerdeführers auszugehen. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger positiver Gesinnungswandel in Bezug auf seine Einstellung zu den österreichischen Rechtsvorschriften erwartet werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2). Als bestimmte - die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende - Tatsache hat u.a. zu gelten, wenn der Fremde im Sinn des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG eine so genannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat.

In der Beschwerde wird in Bezug auf die behördliche Annahme, die genannten Voraussetzungen seien erfüllt, die Unrichtigkeit der diesbezüglichen Sachverhaltsfeststellungen und insoweit eine unrichtige Beweiswürdigung geltend gemacht. Es hätte weder ausreichende polizeiliche Erhebungen noch entsprechend detaillierte Angaben der Ehegattin R. gegeben.

Mit diesem - letztlich nur allgemein gehaltenen - Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer jedoch nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung darzulegen. So sprechen insbesondere die Widersprüche in den Aussagen des Beschwerdeführers und der R., vor allem zu den Umständen des ersten Kennenlernens sowie der Gestaltung verschiedener gemeinsamer Feiern und des angeblichen Zusammenwohnens (insbesondere betreffend die Frage der Aufnahme des S. als Mitbewohner) gegen die von der Beschwerde ins Treffen geführte Unschlüssigkeit der - damit argumentierenden - behördlichen Beweiswürdigung. Dazu kommt, dass nach den wiederholten polizeilichen Erhebungen bei (entgegen der Beschwerde individuell bezeichneten und mit Fotos des Beschwerdeführers konfrontierten) Nachbarn des Beschwerdeführers einerseits und bei der Hausbesorgerin an der Adresse der R. ein Zusammenleben der beiden Genannten, die an der Adresse der bzw. des Anderen jeweils unbekannt waren, praktisch auszuschließen ist. Diese Ermittlungen sind auch, anders als die Beschwerde meint, betreffend den maßgebenden Zeitpunkt des geltend gemachten Zusammenlebens (selbst der Beschwerdeführer behauptet eine Trennung von R. bereits im Dezember 2006, die Ehescheidung ist unstrittig am 30. Juli 2007 erfolgt) vorgenommen worden.

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang als Mangelhaftigkeit des Verfahrens das Unterbleiben neuerlicher Einvernahmen (insbesondere der R.) nach dem Jahr 2007 sowie einer mündlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde rügt, unterlässt sie es darzutun, zu welchen abweichenden Sachverhaltsfeststellungen derartige ergänzende Erhebungen konkret geführt hätten. Es wird somit keine Relevanz für den Ausgang des Verfahrens aufgezeigt.

Der damit verbundenen Rüge von Mängeln in der Einräumung des rechtlichen Gehörs ist weiter zu entgegnen, dass in fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion (oder der an ihre Stelle tretenden Bundesministerin für Inneres) weder ein Recht auf eine mündliche Berufungsverhandlung noch ein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden. Im Übrigen hatte der Beschwerdeführer ausreichend - etwa bei Erhebung seiner Berufung - Gelegenheit gehabt, sich Parteiengehör zu verschaffen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2009, Zl. 2008/21/0556 mwN).

Weiters macht die Beschwerde geltend, dass die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Ehe "bereits Jahre" zurückliege und daher in ihrer Bedeutung gemindert sei. Soweit dabei ausdrücklich auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum FrG Bezug genommen wird, wonach eine allein aus dem Rechtsmissbrauch des Eingehens einer Scheinehe resultierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung als weggefallen zu betrachten sei, wenn - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - die erstmalige Erfüllung des im § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG normierten Tatbestandes bereits mehr als fünf Jahre zurückgelegen war, ist dem zu entgegnen, dass diese Rechtsprechung im Anwendungsbereich des FPG nicht aufrecht erhalten wurde (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/18/0228, vom 19. März 2009, Zl. 2009/18/0046, und vom 8. September 2009, Zl. 2008/21/0661). Dazu kommt, dass die gegenständliche Ehe erst am 3. März 2005 geschlossen wurde, bei Erlassung des angefochtenen Bescheides im März 2009 also noch deutlich weniger als fünf Jahre zurücklag.

Bei der nach § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung hat die belangte Behörde ohnehin auf die langjährige Dauer des Aufenthalts und die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers ausreichend Bedacht genommen. Dabei hat sie aber auch zutreffend berücksichtigt, dass die vom Beschwerdeführer erlangte Integration dadurch relativiert ist, dass sie nur auf einem unberechtigten Asylantrag und auf einer Aufenthaltsehe beruht. Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich kein höheres Gewicht beimaß als dem von ihm erheblich beeinträchtigten öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Daran kann weder die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, noch der Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache sowie eines Freundes- und Bekanntenkreises etwas ändern (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. November 2009, Zl. 2009/21/0169). Von einem in der Beschwerde ins Treffen geführten fremdenrechtlichen Wohlverhalten des Beschwerdeführers kann im Übrigen im Hinblick auf seinen Verbleib im Bundesgebiet nach Abweisung seines Asylantrages und auf den Abschluss einer Scheinehe nicht die Rede sein.

Auch die Ermessensübung ist nicht gesetzwidrig erfolgt, zumal keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die unter diesem Gesichtspunkt eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verlangt hätten.

Ebenso entspricht die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes dem § 63 Abs. 1 FPG. Insoweit sind fallbezogen keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, welche eine Befristung auf kürzere Dauer als geboten erscheinen ließen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. September 2009, Zl. 2008/21/0662, mwN).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 27. Jänner 2010

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