VwGH 2010/18/0309

VwGH2010/18/03093.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der S W in W, geboren am 27. Oktober 1985, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. März 2010, Zl. SD 1259/06, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. März 2010 wurde die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass die Beschwerdeführerin am 28. August 2003 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und am darauffolgenden Tag einen Asylantrag gestellt habe, welcher mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates gemäß § 7 AsylG - rechtskräftig am 31. Jänner 2005 - abgewiesen worden sei. Laut Mitteilung des Bundesasylsenates vom 22. August 2005 sei die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof abgelehnt worden. Seit diesem Zeitpunkt verfüge die Beschwerdeführerin über keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz mehr; ihr sei auch bislang kein Einreise- oder Aufenthaltstitel ausgestellt worden.

Laut einem am 26. Februar 2010 erstellten Versicherungsdatenauszug sei die Beschwerdeführerin vom 1. bis 30. Jänner 2005 als Asylwerberin gemeldet und vom 29. August bis 1. Oktober 2006 geringfügig beschäftigt gewesen.

Entgegen den Angaben der Beschwerdeführerin im Asylverfahren, sie habe noch nie einen Reisepass besessen, habe sich nach ihrer Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger am 10. März 2005 herausgestellt, dass sie sehr wohl über einen nigerianischen Reisepass - gültig vom 6. November 2002 bis 7. November 2007 - verfügt habe.

Aus den Verwaltungsakten sei zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin Anfang 2004 der Prostitution nachgegangen sei, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten; sie sei am 25. April 2005 wegen Anbahnung und versuchter Ausübung der Prostitution in der Verbotszone und Verbotszeit betreten worden.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der Behörde erster Instanz) vom 16. Juli 2005 sei gegen die Beschwerdeführerin wegen des Eingehens einer Scheinehe ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen worden. Da jedoch die Beschwerdeführerin bis zu diesem Zeitpunkt keinen von ihrem Ehemann abgeleiteten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft mit einem Österreicher" gestellt habe, seien der Berufung der Beschwerdeführerin mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. August 2005 Folge gegeben und das Aufenthaltsverbot aufgehoben worden.

Familiäre Bindungen in Österreich - außer zum "Scheinehemann" - seien nicht aktenkundig. Im Asylverfahren habe die Beschwerdeführerin angegeben, dass in ihrer Heimat ihr Vater, dessen Adresse sie nicht kenne, sowie ein Bruder und eine Schwester lebten.

In ihrer Berufung gegen die gegenständliche Ausweisung habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, dass die Behörde erster Instanz zu Unrecht vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe ausgehe. Zwar führe die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann derzeit kein gemeinsames Familienleben, es bestehe jedoch ihrerseits der Wille, ein solches zu führen. Da der Ehemann der Beschwerdeführerin weder ein Scheidungs- noch ein Ehenichtigkeitsverfahren angeregt habe, lasse sich daraus erkennen, dass er an dieser Ehe festhalte. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin grob missbräuchlich nur zu dem Zweck vorgegangen sei, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, zumal sie bis dato auch nicht um eine Niederlassungsbewilligung angesucht habe.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 53 Abs. 1 und 66 Abs. 1 und 2 FPG - aus, dass sich die Beschwerdeführerin seit dem rechtskräftigen negativen Abschluss ihres Asylverfahrens im August 2005 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, sodass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG vorlägen.

Wenn man aufgrund des seit August 2003 bestehenden Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich, der seit August 2005 unrechtmäßig sei, und ihrer privaten Bindungen von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin ausgehen wolle, so sei dieser jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Erreichung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse verstoße der unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet jedoch gravierend.

Zudem werde das Gewicht der aus ihrem Aufenthalt resultierenden persönlichen Interessen entscheidend dadurch relativiert, dass die Beschwerdeführerin zunächst ihren Aufenthalt in Österreich durch einen letztlich unbegründeten Asylantrag zu erwirken versucht habe. Abgesehen davon habe sie in diesem Verfahren angegeben, noch nie über einen Reisepass verfügt zu haben, obwohl sie anlässlich der Eheschließung einen in ihrer Heimat ausgestellten Reisepass vorgelegt habe. In weiterer Folge sei sie auch eine so genannte "Scheinehe" eingegangen.

Angesichts des vorliegenden Sachverhaltes sei die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten Interessen der Beschwerdeführerin nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an ihrer Ausreise aus dem Bundesgebiet. Die angeführten persönlichen Bindungen der Beschwerdeführerin stellten auch unter Berücksichtigung der in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) aufgestellten Kriterien keine besonderen Umstände im Sinne des Art. 8 EMRK dar, die es ihr unzumutbar machen würden, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens in ihr Heimatland zurückzukehren. Im vorliegenden Fall erweise sich die Erlassung der Ausweisung als dringend geboten und zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 und 2 FPG.

Im Hinblick auf das Fehlen besonderer, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände könne ein weiterer Aufenthalt ihrer Person auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass sich die Beschwerdeführerin jedenfalls seit August 2005 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass insbesondere aufgrund der schon siebenjährigen Aufenthaltsdauer und der Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger auf Art. 8 EMRK Rücksicht zu nehmen sei. Art. 8 EMRK solle das Familienleben mit dem Ehemann fördern. Es sei daher notwendig, dass die Beschwerdeführerin in der Nähe des Ehemannes wohne, um für ihn da zu sein, wenn er sie brauche. Auch könne von einem "Dringend-Geboten-Sein" der Ausweisung nicht gesprochen werden, wenn die belangte Behörde die im August 2006 erhobene Berufung erst im März 2010 - und damit erst nach dreieinhalb Jahren - behandelt habe.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 66 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin seit August 2003 berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin angenommen. Die aus der Dauer deren inländischen Aufenthaltes resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt nur aufgrund eines Asylantrages, der sich in der Folge als unrechtmäßig herausgestellt hat, vorläufig erlaubt war und seit der rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens unrechtmäßig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2010, Zl. 2010/18/0209, mwN).

Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet ist, wird in seinem Gewicht dadurch gemindert, dass sie sich zum Zeitpunkt der Eheschließung ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2010, Zl. 2008/18/0411, sowie § 66 Abs. 2 Z. 8 FPG) und sie nach ihrem eigenen Vorbringen mit ihrem Ehemann kein gemeinsames Familienleben mehr führt. Überdies stellt die Beschwerde nicht in Abrede, dass in Nigeria enge Angehörige - nämlich der Vater, der Bruder und die Schwester der Beschwerdeführerin - leben, sodass - auch wenn der Beschwerdeführerin deren Aufenthalt, wie die Beschwerde behauptet, unbekannt sein sollte - von gewissen Bindungen an ihren Heimatstaat auszugehen ist (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 5 FPG).

Überdies ist in die Interessenabwägung der belangten Behörde auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin am 25. April 2005 wegen Anbahnung und versuchter Ausübung der Prostitution in der Verbotszone und Verbotszeit betreten worden ist, eingeflossen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2010, Zl. 2009/18/0391).

Den - somit relativierten - persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass sie sich trotz rechtskräftiger Beendigung ihres Asylverfahrens spätestens im August 2005 - unrechtmäßig - weiterhin im Bundesgebiet aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2010, Zl. 2010/18/0195, mwN).

Soweit die Beschwerde weiters vorbringt, die Beschwerdeführerin sei der Republik Österreich bisher nicht zur Last gefallen, sondern habe Sozialversicherungsbeiträge und Steuern bezahlt, ist dem zu entgegnen, dass bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG zugunsten des Fremden nur die den privaten und familiären Bereich betreffenden Umstände, nicht jedoch öffentliche Interessen zu berücksichtigen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. März 2010, Zl. 2008/18/0305, mwN).

Bei Abwägung des angeführten großen öffentlichen Interesses und der gegenläufigen - wie oben dargestellt - relativierten Interessen der Beschwerdeführerin begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 FPG zulässig sei, auch dann keinem Einwand, wenn man - mit dem Beschwerdevorbringen - berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin gute Deutschkenntnisse besitze.

3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 3. November 2010

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