Normen
ASVG §113 Abs1;
ASVG §113 Abs2 idF 2007/I/031;
AVG §66 Abs4;
VStG §51 Abs4;
VwRallg;
ASVG §113 Abs1;
ASVG §113 Abs2 idF 2007/I/031;
AVG §66 Abs4;
VStG §51 Abs4;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Verhängung eines Beitragszuschlags von fünf Teilbeträgen für gesonderte Bearbeitung in Höhe von insgesamt EUR 2.500,-- wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen (sohin hinsichtlich des Beitragszuschlages von EUR 1.300,--) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 18. Februar 2010 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 113 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG ein Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 1.300,-- (Teilbetrag für den Prüfeinsatz EUR 800,-- und Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung EUR 500,--) vorgeschrieben, weil sie für den zumindest am 10. Dezember 2009 bei ihr beschäftigten ZG. nicht vor Arbeitsantritt die Anmeldung zur Sozialversicherung erstattet hat.
In ihrem Einspruch brachte die Beschwerdeführerin vor, ihr Ehemann HJ. habe dem ZG. die Möglichkeit geboten, "seine Tagesfreizeit im Haus ..." zu verbringen und dort zu wohnen. Sollte ZG. tatsächlich irgendwelche Tätigkeiten verrichtet haben, seien diese ausschließlich auf freiwilliger Basis, ohne Entgelt und somit "gewissermaßen auf ehrenamtlicher Basis" erfolgt.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge gegeben und "aus Anlass der Berufung den angefochtenen Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Beitragszuschlag auf EUR 3.800,-- hinaufgesetzt wird".
Das Finanzamt H/Team KIAB habe bei der am 10. Dezember 2009 im Bordell L. durchgeführten Kontrolle nicht bloß ZG., sondern auch fünf Dienstnehmerinnen vorgefunden, die der Prostitution nachgegangen seien. Die Beschwerdeführerin werde in dem Bericht der KIAB als "Betreiberin des o.a. Nachtklubs (Prostituierte)" bezeichnet.
Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Einspruch nicht ihre Dienstgeberstellung als solche, sondern lediglich die Dienstnehmereigenschaft des ZG. bestritten. ZG. sauge u.a. die Teppiche, tausche ausgebrannte Glühbirnen aus und übe sonst anfallende Tätigkeiten als Hausbetreuer aus. Er sei im Zuge der Kontrolle im gegenständlichen Bordell angetroffen worden und habe in einem von ihm ausgefüllten "Personalblatt" bekannt gegeben, dass er seit dem 13. November 2009 für die Beschwerdeführerin als Hausbetreuer arbeite. ZG. erhalte eine Entlohnung in Höhe von EUR 10,-- pro Stunde sowie eine kostenlose Unterkunft. Er sei fallweise sogar 20 Stunden am Tag tätig gewesen.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass die unmittelbar im Zuge der Betretung gemachten Angaben des ZG. glaubhaft, nachvollziehbar und lebensnah erschienen. Das Argument der Beschwerdeführerin, wonach ZG. lediglich die Möglichkeit bekommen habe, sich in seiner Tagesfreizeit im gegenständlichen Lokal aufhalten zu dürfen, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen bzw. dass dieser die Tätigkeiten lediglich unentgeltlich auf freiwilliger Basis erbracht habe, seien unglaubwürdig. Auf Grund der Tätigkeit des ZG. sei davon auszugehen, dass diesem auch sämtliche für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Betriebsmittel von der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellt worden seien. Arbeitsanweisungen seien denknotwendig von der Beschwerdeführerin, der "Chefin", bzw. deren Gatten, HJ., dem "Chef", erteilt worden, weil ZG. sonst nicht hätte wissen können, welche Tätigkeiten jeweils zu erbringen seien. Es sei von einer persönlichen Arbeitspflicht des G. auszugehen. Dieser sei in einem abhängigen Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin iSd § 4 Abs. 2 ASVG gestanden. Die Beschwerdeführerin habe es unterlassen, den von ihr beschäftigten, pflichtversicherten ZG. vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.
Des Weiteren setzte sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführlich mit den Tätigkeiten der fünf näher bezeichneten Dienstnehmerinnen als Prostituierte auseinander und führte aus, dass auch diese in einem die Pflichtversicherung nach dem ASVG begründenden abhängigen Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin gestanden seien. Auch deren Dienstverhältnisse hätte die Beschwerdeführerin vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anmelden müssen.
Komme der Dienstgeber der Verpflichtung zur Erstattung der Anmeldung vor Arbeitsantritt nicht nach, könne ihm nach einer unmittelbaren Betretung iSd § 111a ASVG gemäß § 113 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG ein Beitragszuschlag vorgeschrieben werden. Dieser setze sich aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten würden. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe zwei Ermessensentscheidungen getroffen, einerseits, ob ein Beitragszuschlag zu verhängen, und andererseits, in welchem Ausmaß dieser anzulasten sei. Diese beiden Ermessensentscheidungen seien Gegenstand der Überprüfung durch die belangte Behörde. Was die Angemessenheit des verhängten Beitragszuschlages betreffe (es handle sich um keine Verwaltungsstrafe, weshalb auch kein Verschlechterungsverbot bestehe), so sei die Angemessenheit nicht gegeben, aber nicht in dem Sinn, dass er zu hoch wäre, sondern in dem Sinn, dass er zu niedrig ausgefallen sei. Obwohl die erstinstanzliche Vorschreibung eines Beitragszuschlages für die Beschwerdeführerin günstig gewesen sei (es sei nur einer statt, wie zutreffend, sechs Dienstnehmer berücksichtigt worden), habe sie Einspruch erhoben. Es liege kein in der Person der Beschwerdeführerin gelegener Grund vor, den verhängten Beitragszuschlag herabzusetzen, sondern, ganz im Gegenteil, es lägen Gründe vor, diesen hinaufzusetzen. Auch seien unbedeutende Folgen nicht gegeben, weil die Beschwerdeführerin trotz der Beanstandungen durch die KIAB - entgegen ihren Verpflichtungen - keine Anstalten unternommen habe, die Betreffenden zur Sozialversicherung anzumelden und die daraus resultierenden Beiträge zu bezahlen. Dies durch nunmehr bereits acht Monate.
Die Abgabenbehörde habe tatsächlich sechs Dienstnehmer betreten, die nicht vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung gemeldet gewesen seien. Dass die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse nur einen Dienstnehmer bei der Vorschreibung des Beitragszuschlages berücksichtigt habe, ändere daran nichts. Insgesamt sei daher der Beitragszuschlag um die Teilbeträge für die gesonderte Bearbeitung hinsichtlich der fünf von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nicht berücksichtigten Prostituierten, somit um EUR 2.500,-- zu erhöhen. Der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse könne nicht nur kein Ermessensmissbrauch vorgehalten werden, sondern sie habe den Beitragszuschlag auch zu Gunsten der Beschwerdeführerin zu niedrig festgesetzt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde bringt vor, die fünf weiteren Personen, die die belangte Behörde als weitere Dienstnehmer der Beschwerdeführerin behandelt habe, seien bisher nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Weder sei bisher der Vorwurf erhoben worden, dass diese Personen von der Beschwerdeführerin beschäftigt worden seien, noch sei der Beschwerdeführerin die Möglichkeit gegeben worden, zu einem derartigen Vorwurf Stellung zu nehmen und Beweismittel anzubieten.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde teilweise zum Erfolg:
1. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde handelt es sich bei der Vorschreibung eines Beitragszuschlags nicht mehr - wie nach § 113 Abs. 1 ASVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 31/2007 (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2005, Zl. 2004/08/0141) - um eine Ermessensentscheidung. Sowohl hinsichtlich des Entfalls des Teilbetrags für die gesonderte Bearbeitung als auch der Herabsetzung des Teilbetrags für den Prüfeinsatz "bis auf 400 EUR" gemäß § 113 Abs. 2 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 31/2007 verwendet der Gesetzgeber das Wort "kann". Dieses Wort ist im vorliegenden Zusammenhang nicht als Einräumung von freiem Ermessen, sondern als Ermächtigung zu einer gebundenen Entscheidung zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2011, Zl. 2008/08/0218, mwN).
In Verfahren betreffend Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 ASVG ist die Einspruchsbehörde zwar im Rahmen der Sache nach § 66 Abs. 4 letzter Satz AVG berechtigt und verpflichtet, den bei ihr bekämpften Bescheid nach jeder Richtung und daher mangels einer dem § 51 Abs. 4 VStG analogen Bestimmung im Administrativverfahren auch zuungunsten des Berufungswerbers abzuändern (vgl. das zu §113 Abs. 1 ASVG idF BGBl. Nr. 111/1986 ergangene, auch für den hier zu beurteilenden §113 Abs. 1 ASVG idF BGBl. Nr. 111/1986 maßgebliche hg. Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 89/08/0172, mwN). Was aber Sache des Rechtsmittelverfahrens ist, wird in erster Linie vom Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides bestimmt, der durch das Rechtsmittel einer Partei zwar weiter eingeschränkt, nicht aber erweitert werden kann. Was Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides ist, ergibt sich aus dessen Spruch und Begründung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2004, Zl. 2001/08/0009).
Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides war die Vorschreibung eines Beitragszuschlages in Höhe von EUR 1.300,-- wegen Unterlassung der Anmeldung des ZG. zur Sozialversicherung. Dadurch, dass die belangte Behörde unter Zugrundelegung eines darüber hinausgehenden anderen Sachverhalts, nämlich fünf weiterer Dienstverhältnisse und diesbezüglicher Meldeverstöße, einen um EUR 2.500,-- höheren Beitragszuschlag als die Behörde erster Instanz vorgeschrieben hat, hat sie die Sache des Verfahrens überschritten und den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
2. Betreffend die unterlassene Anmeldung des ZG. zur Sozialversicherung bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde hätte nicht der Aussage des ZG., sondern jener des HJ. folgen müssen. Dieser habe angegeben, dass ZG. nicht für die Beschwerdeführerin tätig gewesen sei.
Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit des der Beweiswürdigung zu Grunde liegenden Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde ihre Erwägungen im Wesentlichen auf die als glaubwürdig erachteten Angaben des ZG. gestützt. Mit dem Vorbringen, die belangte Behörde hätte den (vermeintlich) anders lautenden Angaben des Zeugen HJ. (in seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die KIAB am 10. Dezember 2009) Glauben schenken sollen, vermag die Beschwerdeführerin keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde im dargelegten Sinn aufzuzeigen, zumal HJ. ebenfalls bestätigt hat, dass der gegenständliche Betrieb von seiner Frau, die Beschwerdeführerin, betrieben werde.
Nach den somit unbedenklichen Feststellungen hat ZG. für die von ihm erbrachten Dienstleistungen in der Art eines Hausbetreuers einen Stundenlohn von EUR 10,-- erhalten und fallweise bis zu 20 Stunden am Tag gearbeitet. Die Beschwerdeführerin hat keine Umstände aufgezeigt, wonach seine Tätigkeiten nicht als solche im Rahmen eines abhängigen Dienstverhältnisses iSd § 4 Abs. 2 ASVG erbrachte anzusehen wären. ZG. wäre daher (im Übrigen unabhängig davon, ob es sich um ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis oder um eine geringfügige Beschäftigung gehandelt hat) gemäß § 33 Abs. 1 bzw. Abs. 2 ASVG von der Beschwerdeführerin vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden gewesen.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie diese Meldung auch bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides durch die belangte Behörde noch nicht vorgenommen hat. Sie bringt indes vor, der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung hätte in Anbetracht der erstmaligen verspäteten Anmeldung mit unbedeutenden Folgen zu entfallen gehabt.
Dem ist entgegenzuhalten, dass es sich im vorliegenden Fall um eine von der Beschwerdeführerin dauerhaft unterlassene Anmeldung zur Pflichtversicherung handelt. Die Voraussetzung einer "verspäteten Anmeldung" iSd § 113 Abs. 2 dritter Satz ASVG liegt nicht vor. Daher kam für die Beschwerdeführerin ein Entfall des Teilbetrages für die gesonderte Bearbeitung bzw. eine Herabsetzung des Teilbetrages für den Prüfeinsatz bis auf EUR 400,-- von vornherein nicht in Betracht.
3. Der angefochtene Bescheid war daher, soweit ein den erstinstanzlich verhängten Beitragszuschlag um EUR 2.500,-- übersteigender Beitragszuschlag vorgeschrieben wird, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 2. Mai 2012
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