VwGH 2010/07/0094

VwGH2010/07/009426.7.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des RH in R, vertreten durch Dr. Manfred Rath, Mag. Farid Beglari, Dr. Gunther Ledolter und Mag. Martin Sudi, Rechtsanwälte in 8020 Graz, Friedhofgasse 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 28. April 2010, Zl. uvs-2010/16/0766-3, betreffend Übertretung des Immissionsschutzgesetzes-Luft (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

Sektorales Fahrverbot A12 2009 §3;
Sektorales Fahrverbot A12 2009 §4 Abs1 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Sektorales Fahrverbot A12 2009 §3;
Sektorales Fahrverbot A12 2009 §4 Abs1 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft K (BH) vom 10. Februar 2010 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 21 Abs. 1 VStG ermahnt. Ihm wurde vorgeworfen, als Lenker eines näher angeführten LKW samt Anhänger die Bestimmung des § 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 23. Juni 2009, mit der auf der A 12 Inntal Autobahn der Transport bestimmter Güter im Fernverkehr verboten wird (Sektorales Fahrverbot-Verordnung), LGBl. Nr. 49/2009, missachtet zu haben. Er habe bei dieser Fahrt Kraftfahrzeuge transportiert, obwohl auf der A 12 zwischen Straßenkilometer X im Gemeindegebiet von L und Straßenkilometer Y im Gemeindegebiet von A das Fahren von derart beladenen Lastkraftwagen, bei denen das höchstzulässige Gesamtgewicht von Zugfahrzeug und Anhänger mehr als 7,5 t betrage, verboten sei. Die Fahrt sei nicht unter die Ausnahmebestimmungen der Verordnung LGBl. Nr. 49/2009 gefallen. Auch wäre der Beschwerdeführer nicht im Besitz einer Ausnahmegenehmigung gewesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde. Darin behauptet er unter die Ausnahmebestimmungen der zitierten Verordnung gefallen zu sein. So begründe die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmungen der Umstand, dass er teilweise in der Kernzone Entladungen von PKWs durchgeführt habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als unbegründet ab.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt am 9. Oktober 2009 unbestritten einen Autotransport durchgeführt habe. Er habe zwölf PKW der Marke Smart in Frankreich geladen. Laut Auftrag sei er von Frankreich nach H gefahren und habe dort drei Fahrzeuge abgeladen. Weitere fünf Fahrzeuge habe er nach K verbracht und dort abgeladen. Die letzten vier Fahrzeuge habe er in G abgeladen.

In diesem Zusammenhang sei auf die Rechtsansicht der Tiroler Landesregierung in ihrem Erlass von 9. Jänner 2009 zu verweisen. Demzufolge könnten Fahrten mit Kraftfahrzeugen, die in der Kernzone be- oder entladen würden, nur dann vom Verbot ausgenommen werden, wenn der überwiegende Anteil der Ladung in der Kernzone aufgenommen oder abgegeben würde. In diesem Zusammenhang sei auch am konkreten Ziel des Transports anzuknüpfen. Ein Abladen von Fahrzeugen an einem bestimmten Ort im Kerngebiet, damit diese etwa am Folgetag von einem anderen Fahrzeug weitertransportiert würden, führe noch nicht zur Anwendung dieser Ausnahmeregelung. Das Vorliegen einer Be- oder Entladung sei nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu beurteilen. Entscheidend sei demzufolge, wo die tatsächliche Destination des Fahrzeuges liege. In diesem Sinne habe auch der Verwaltungsgerichtshof zur "Ökopunkteregelung" in seinem Erkenntnis vom 25. Oktober 2006, Zl. 2002/03/0023, eindeutig festgestellt, dass ein "Umbrücken des Transports" nicht zu einer Umgehung der Ökopunkteregelung führen könnte.

Sinn der Verordnung LGBl. Nr. 49/2009 sei die Reduzierung der Schadstoffe durch überflüssige Transporte. Bei einer teleologischen Auslegung könnten Autotransporte nur dann unter die Ausnahme des § 4 Abs. 1 lit. a der Verordnung LGBl. Nr. 49/2009 fallen, wenn wirklich der überwiegende Teil der Ladung in der Kernzone aufgenommen oder abgegeben werde. Nur solche Autotransporte hätten einen Anspruch auf eine bevorzugte Behandlung nach dieser Verordnung. Eine zu weite Auslegung dieser Bestimmung würde zu einer Aushöhlung des Schutzzweckes der Verordnung führen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Verordnung LGBl. Nr. 49/2009 lautet auszugsweise:

"Aufgrund der §§ 10 und 16 Abs. 1 Z. 4 des Immissionsschutzgesetzes-Luft (IG-L), BGBl. I Nr. 115/1997, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 70/2007, wird im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie verordnet:

§ 1

Zielbestimmung

Das Ziel dieser Verordnung ist, die durch den Menschen beeinflussten Emissionen, die zu einer Immissions-Grenzwertüberschreitung geführt haben, zu verringern und somit die Luftqualität zu verbessern. Diese Verbesserung dient dem dauerhaften Schutz der Gesundheit des Menschen, des Tier- und Pflanzenbestands, ihrer Lebensgemeinschaften, Lebensräume und deren Wechselbeziehungen sowie der Kultur- und Sachgüter vor schädlichen Luftschadstoffen sowie dem Schutz der Menschen vor unzumutbar belästigenden Luftschadstoffen.

§ 2

Sanierungsgebiet

Als Sanierungsgebiet im Sinn des § 2 Abs. 8 IG-L wird ein Gebietsstreifen von 100 m beiderseits der Straßenachse der A 12 Inntal Autobahn zwischen Straßenkilometer 0,00 an der österreichischen Staatsgrenze zu Deutschland und der westlichen Grenze des Gemeindegebietes von Zirl festgelegt.

§ 3

Verbot

(1) Das Befahren der A 12 Inntal Autobahn in beiden Fahrtrichtungen von Straßenkilometer 6,35 im Gemeindegebiet von Langkampfen bis Straßenkilometer 72,00 im Gemeindegebiet von Ampass ist mit folgenden Fahrzeugen verboten:

Lastkraftwagen oder Sattelkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t und Lastkraftwagen mit Anhängern, bei denen die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte beider Fahrzeuge mehr als 7,5 t beträgt, zum Transport folgender Güter:

a)…

4. Kraftfahrzeuge der Ober- und Untergruppen L1e, L2e, L3e, L4e, L5e, L6e, L7e, M1, M2 und N1 im Sinn des § 3 Abs. 1 des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 16/2009,

§ 4

Ausnahmen

(1) Vom Verbot des § 3 sind unbeschadet der Ausnahmen gemäß § 16 Abs. 2 IG-L ausgenommen:

a) Fahrten mit Kraftfahrzeugen, die in der Kernzone be- oder entladen werden (Quelle oder Ziel in der Kernzone),

…"

Aus den in den vorgelegten Verwaltungsakten einliegenden Frachtpapieren ergibt sich, dass von den zwölf durch den Beschwerdeführer transportierten Kraftfahrzeugen drei ihren Zielort in H, vier in G und fünf in K hatten.

§ 4 Abs. 1 lit. a der Verordnung, LGBl. Nr. 49/2009, kann nun nicht im Sinne der belangten Behörde ausgelegt werden. Aus dem Wortlaut der Bestimmung lässt sich nicht ableiten, dass der überwiegende Anteil der Ladung in der Kernzone aufgenommen oder abgeladen werden müsste. Die belangte Behörde gewinnt diese Rechtsansicht aus dem zitierten Erlass der Tiroler Landesregierung.

Dieser Erlass ist für den Verwaltungsgerichtshof jedoch keine verbindliche Rechtsquelle (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2006, Zl. 2005/12/0027, mwN). Eine "überwiegende" Bebzw. Entladung hätte vielmehr ausdrücklich in § 4 Abs. 1 lit. a der Verordnung LGBl. Nr. 49/2009 normiert werden müssen. In diesem Zusammenhang ist auf die Verordnung der Landesregierung vom 28. September 1993, mit der die Verordnung über ein sektorales Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge auf der B 312 Loferer Straße geändert wird (LGBl. Nr. 96/1993), zu verweisen. Gemäß § 2 dieser Verordnung sind vom Verbot nach § 1 Fahrten mit Lastkraftfahrzeugen ausgenommen, die in näher angeführten Bezirken und Gemeinden "zumindest überwiegend be- oder entladen werden (Ziel- oder Quellverkehr)".

Auch Art. 14 der Ökopunkteverordnung - auf diese "Ökopunkteregelung" beruft sich die belangte Behörde unter Zitierung des hg. Erkenntnisses vom 25. Oktober 2006, Zl. 2002/03/0023 - bestimmt nach ihrem Wortlaut, dass Fahrten durch Österreich immer dann von der Verpflichtung zur Entrichtung von Ökopunkten befreit sind, wenn das Fahrzeug eine vollständige Ladung in Österreich absetzt oder aufnimmt und wenn darüber hinaus im Fahrzeug auch geeignete Nachweisunterlagen mitgeführt werden. In dieser Vorschrift ist somit als eine Voraussetzung der Befreiung das vollständige Be- und Entladen ausdrücklich normiert.

Entscheidend ist nach § 4 Abs. 1 lit. a der Verordnung LGBl. Nr. 49/2009 lediglich, dass Güter transportiert werden, deren Ursprungs- oder endgültiger Bestimmungsort in der Kernzone (Quelle oder Ziel) liegt. Gerade diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall bei den drei in H entladenen Fahrzeugen gegeben.

Ein Abladen zum Zwecke des Weitertransportes liegt somit nicht vor. Damit geht auch der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vorgenommene Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 31. März 2006, Zl. 2006/02/0017, am Gegenstand des vorliegenden Verfahrens vorbei. Dieses Erkenntnis betrifft gerade solche Umladevorgänge (bestehend aus Entladung, allfälliger "Zwischenlagerung" und Beladung).

Aber auch eine Orientierung am Schutzzweck der Verordnung LGBl. Nr. 49/2009 führt - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - nicht zu dem in ihrem Bescheid eingenommenen Rechtsstandpunkt.

Die Ansicht der belangten Behörde würde dazu führen, dass - wie die Beschwerde zutreffend ausführt - ein LKW in der Konstellation des Beschwerdefalls nur teilweise beladen werden könnte, um einen überwiegenden Entladungsanteil sicherzustellen. Damit könnte nicht die volle Ladekapazität dieser Fahrzeuge genutzt werden. Ein Transport wie im Beschwerdefall müsste somit von zwei LKW getrennt durchgeführt werden.

Eine solche Vorgangsweise würde dem Ziel einer Verringerung der Emissionen von Luftschadstoffen - wie es auch in § 1 der Verordnung LGBl. Nr. 49/2009 normiert ist - völlig widersprechen.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 26. Juli 2012

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