VwGH 2010/04/0056

VwGH2010/04/00565.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4600 Wels, Edisonstraße 1, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wels vom 8. April 2010, Zl. DI-Ge-7526- 2008, betreffend Vorverlegung der Sperrstunde, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
GewO 1973 §198 Abs5;
GewO 1994 §113 Abs5;
AVG §37;
GewO 1973 §198 Abs5;
GewO 1994 §113 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. April 2010 hat der Stadtsenat der Stadt W (als letztinstanzliche Behörde nach § 7 Abs. 6 Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz) die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt W vom 26. November 2009, mit dem gemäß § 113 Abs. 5 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) die Vorverlegung der Sperrstunde für das Gastlokal J des Beschwerdeführers in W von 4:00 Uhr auf 24:00 Uhr verfügt wurde, als unbegründet abgewiesen und den Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es liege ein Bericht des Stadtpolizeikommandos W vom 8. Oktober 2009 vor, in dem schwere sicherheitspolizeiliche Bedenken hinsichtlich des Gastgewerbebetriebes des Beschwerdeführers bekannt gegeben und eine Vorverlegung der Sperrstunde angeregt worden sei. Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides sei es im Jahr 2008 zu 33 Vorfällen (Körperverletzungen im und vor dem Lokal, Diebstähle, Sachbeschädigungen im Lokal, sexuelle Belästigung im Lokal, gefährliche Drohung im Lokal, Suchtgiftbesitz, lauter Musiklärm aus dem Lokal, Übertretungen des Oö Jugendschutzgesetzes im Lokal) und im Jahr 2009 bis September zu 16 Vorfällen (Körperverletzungen im und vor dem Lokal, darunter Raufereien und eine Massenschlägerei vor dem Lokal, Diebstähle und Sachbeschädigungen im Lokal) gekommen. Diese Vorfälle hätten sich zum Großteil (bis auf 8 Vorfälle) nach 24.00 Uhr ereignet.

Die Gewerbebehörde könne sich daher auf konkrete Sachverhaltsdarstellungen, sowohl hinsichtlich der Zahl als auch der Art der angezeigten Vorfälle stützen. Da es sich bei den insgesamt 57 Vorfällen um Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Diebstähle, Lärmerregungen und andere strafbare Handlungen handle und eine massive Häufung innerhalb von nicht einmal 21 Monaten gegeben sei, seien sicherheitspolizeiliche Bedenken im Sinn des § 113 Abs. 5 GewO 1994 jedenfalls gerechtfertigt.

30 der 57 gemeldeten Vorfälle hätten im Lokal selbst stattgefunden, sodass jedenfalls eine eindeutige Zurechnung gegeben sei. Die übrigen Vorfälle hätten sich vor dem Lokal ereignet, es erscheine nicht nachvollziehbar, wieso diese nicht ebenfalls dem Lokal zuzurechnen sein sollten, da keine vergleichbaren Lokale in unmittelbarer Nähe (derselben Straßenseite) vorzufinden seien.

Bei den vom Stadtpolizeikommando W vorgelegten Vorfällen sei von öffentlichen Urkunden auszugehen, welche die Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit beinhalteten. Diese sei zwar widerlegbar, der Beschwerdeführer habe die Zurechenbarkeit jedoch nur dem Grunde nach bestritten, ohne Näheres auszuführen, weshalb die Einwendung der mangelnden Zurechenbarkeit ins Leere gehe.

Betreffend der (in seiner Berufung) gerügten fehlenden eigenen Ermittlungen der Gewerbebehörde sei anzumerken, dass die Sachverhaltsdarstellungen des Stadtpolizeikommandos W für die Behörde als ausreichend für die Beurteilung des zu erfüllenden Tatbestandes zu bezeichnen seien.

Soweit der Beschwerdeführer einwende, er habe sich mangels Akteneinsicht in die Polizeiprotokolle zu den Vorfällen nicht äußern können, werde festgehalten, dass im Verfahren durch die Mitteilung und Bezeichnung der Vorfälle bereits die Möglichkeit für eine Gegenäußerung vorgelegen sei und daher - trotz fehlender Akteneinsicht in die Polizeiprotokolle - kein unfaires Verfahren vorliege.

Es sei - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - nicht wesentlich, inwiefern durch die erforderliche Maßnahme eine wirtschaftliche Beeinträchtigung des Gewerbetreibenden eintrete. Da sich von 57 Vorfällen 49 zwischen 24:00 und 4:00 Uhr ereignet hätten, sei die Vorverlegung der Sperrstunde jedenfalls eine taugliche Maßnahme, um den festgestellten sicherheitspolitischen Mängeln wirksam zu begegnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994 hat die Gemeinde eine frühere Sperrstunde vorzuschreiben, wenn die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen vor der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes unzumutbar belästigt wurde oder wenn sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Erfüllung des Tatbestandsmerkmales "sicherheitspolizeiliche Bedenken" das Bestehen von durch entsprechende Sachverhaltsfeststellungen gedeckten konkreten Bedenken, aus deren Art sich schlüssig erkennen lässt, dass ihnen durch die Vorschreibung einer früheren Sperrstunde wirksam begegnet werden kann, wobei sowohl die Anzahl als auch die Beschaffenheit von angezeigten Vorfällen sicherheitspolizeiliche Missstände zum Ausdruck bringen können, die der Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken eine ausreichende Grundlage geben (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 2010, Zl. 2009/04/0300, mwN).

2. Die Beschwerde bringt zunächst vor, nur 28 Vorfälle hätten sich im Lokal des Beschwerdeführers ereignet. Die Vorfälle im Lokal des Beschwerdeführers seien - gemessen am Beobachtungszeitraum von 618 Tagen (4. Jänner 2008 bis 13. September 2009) - nicht geeignet, sicherheitspolizeiliche Bedenken zu rechtfertigen, da im Schnitt auf alle 26 Tage ein Vorfall käme, was im Hinblick darauf, dass es sich beim Lokal des Beschwerdeführers um eine Bar handle, als unterdurchschnittlich zu bewerten sei.

Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, dass § 113 Abs. 5 GewO 1994 ein derartiges Durchschnittskalkül gemessen an der jeweiligen Betriebsart des Gastgewerbes nicht kennt. Vielmehr ist alleine entscheidend, ob die angezeigten Vorfälle eine ausreichende Grundlage für sicherheitspolizeiliche Bedenken bilden können, wobei die Bedenken nicht jedenfalls auf Vorkommnisse in der Betriebsanlage selbst zurückzuführen sein müssen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. April 2010, Zl. 2009/04/0050, mwN).

Im Beschwerdefall konnte sich die belangte Behörde auf konkrete Sachverhaltsfeststellungen sowohl über die Zahl als auch über die Art der angezeigten Vorfälle stützen. Die Art der genannten Vorfälle (darunter Körperverletzungen, Sachbeschädigungen aller Art, Anstandsverletzungen, Ordnungsstörungen und Lärmerregungen) und die Anzahl dieser Vorfälle in den Jahren 2008 und 2009 rechtfertigen an sich sicherheitspolizeiliche Bedenken im Sinne des § 113 Abs. 5 GewO 1994.

3. Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die Zurechnung der Vorfälle außerhalb des Lokals zum Lokal sei zweifelhaft, da sich sowohl auf derselben Straßenseite als auch in unmittelbarer Nähe zahlreiche weitere Lokale befänden (v.a. in der nur 200m entfernten H-Gasse), die teilweise bis 6:00 Uhr früh geöffnet hätten. Die belangte Behörde habe die Zurechenbarkeit der Vorfälle zum Lokal des Beschwerdeführers nicht konkret festgestellt, sondern spreche lediglich davon, es "erscheine" nicht nachvollziehbar, dass die Vorfälle nicht dem Lokal des Beschwerdeführers zuzurechnen seien. Die belangte Behörde hätte jeden einzelnen Fall hinsichtlich seiner Zurechenbarkeit überprüfen müssen. Der Hinweis, dass sich die Vorkommnisse teilweise "vor dem Lokal" ereignet hätten, sei wegen der gegebenen Örtlichkeiten (hochfrequentierter Teil der Innenstadt, zahlreiche weitere Gastgewerbebetriebe in unmittelbarer Nähe) nicht ausreichend konkret.

Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten, dass nach dem angefochtenen Bescheid im genannten Polizeibericht ausdrücklich festgehalten wird, dass sich die Vorfälle im Bereich des Lokals des Beschwerdeführers ereignet haben. Wenn der Beschwerdeführer diese Feststellungen nunmehr als nicht ausreichend konkret ansieht, so ist darauf hinzuweisen, dass es nach dem in den vorgelegten Verwaltungsakten aufliegenden Bericht des Stadtpolizeikommandos W vom 8. Oktober 2009 speziell an Wochenenden und nach Mitternacht zu einem "Zusammenrotten" von Lokalgästen vor der Eingangstüre des vorliegenden Lokals gekommen sei, wodurch es oftmals nicht möglich gewesen sei, sicherheitspolizeilich einzuschreiten. Den Türstehern des Lokals sei es - diesem Bericht zufolge - offenbar nicht möglich, vor dem Lokal für Ruhe zu sorgen.

Der Beschwerdefall ist daher mit jenem, welcher dem hg. Erkenntnis vom 20. Mai 2010, Zl. 2009/04/0300, zugrundelag, nicht zu vergleichen. Vielmehr ist vorliegend davon auszugehen, dass die belangte Behörde zu Recht von einer ausreichenden Zurechenbarkeit der Vorfälle zum Lokal des Beschwerdeführers ausgehen durfte und in diesem Sinne auch zu Recht annehmen durfte, dass - im Sinne der hg. Rechtsprechung - auf Grund der Vorverlegung der Sperrstunde eine relevante Verringerung der sicherheitspolizeilich relevanten Vorfälle zu erwarten sei (vgl. auch hiezu das zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Mai 2010).

4. Insoweit der Beschwerdeführer mangelnde Akteneinsicht in die den angezeigten Vorfällen zugrunde liegenden Polizeiprotokolle rügt, kann er schon im Hinblick auf die ausreichend konkreten Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid zu diesen Vorfällen eine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufzeigen.

5. Zum Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe eine angeblich problematische Alkoholisierung der Gäste aktenwidrig zur Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogen, ist auszuführen, dass es sich dabei - schon im Hinblick auf die festgestellten Vorfälle - nicht um ein tragendes Argument handelt und schon von daher kein entscheidungswesentlicher Verfahrensfehler der belangten Behörde aufgezeigt wird.

6. Was schließlich das Vorbringen des Beschwerdeführers anlangt, die angeordnete Vorverlegung der Sperrstunde würde einem Betriebsverbot und damit dem Entzug seiner Einkommensquelle gleichkommen, ist darauf hinzuweisen, dass es nach § 113 Abs. 5 GewO 1994 nicht wesentlich ist, inwiefern der Beschwerdeführer durch diese erforderliche Maßnahme wirtschaftlich beeinträchtigt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1992, Zl. 92/04/0036, zur vergleichbaren Rechtslage nach § 198 Abs. 5 GewO 1973). Die getroffene Maßnahme kann auch angesichts der festgestellten Vorfälle nicht als unverhältnismäßig angesehen werden.

7. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am 5. November 2010

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