VwGH 2010/01/0049

VwGH2010/01/004926.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des N B in W, vertreten durch Dr. Stefan Joachimsthaler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Kandlgasse 32/10, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 9. Juni 2010, Zl. MA 35/IV - B 616/2007, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992;
FremdenG 1997;
NAG 2005;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
AufG 1992;
FremdenG 1997;
NAG 2005;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Juni 2010 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen des Sudan, vom 18. November 2003 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß §§ 10 Abs. 1 Z 1 und 11a Abs. 4 Z 1 - 4" des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 (in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009; im Folgenden:

StbG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei sudanesischer Staatsangehöriger und im Sudan geboren, er sei ledig und halte sich seit November 1997 im Bundesgebiet auf. Er habe sich vom 1. Jänner 1998 bis 11. April 2005 als Asylwerber rechtmäßig in Österreich aufgehalten. Dem Beschwerdeführer seien Niederlassungsbewilligungen gültig vom 20. Juni 2003 bis 20. Juni 2004 sowie vom 13. August 2004 bis 13. August 2005 erteilt worden. Weiters sei dem Beschwerdeführer ein Niederlassungsnachweis gültig vom 7. Dezember 2005 bis 6. Dezember 2015 erteilt worden. Der dem zuletzt genannten Aufenthaltstitel zugrundeliegende Antrag auf Verlängerung sei am 6. September 2005, somit nicht vor Ablauf des bis 13. August 2005 gültigen Aufenthaltstitels und daher verspätet im Sinne des § 31 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997, gestellt worden. Es ergebe sich daher eine "Lücke des rechtmäßigen Aufenthaltes in der Zeit von 14. August bis 7. Dezember 2005", der neuerliche rechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers beginne erst wieder mit dem zuletzt genannten Datum. Der Beschwerdeführer erfülle demnach weder das Erfordernis eines rechtmäßigen und ununterbrochenen zehnjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG noch jenes eines rechtmäßigen und ununterbrochenen sechsjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet gemäß § 11a Abs. 4 StbG.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war.

Gemäß § 11a Abs. 4 StbG ist einem Fremden nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet und unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn weitere nachfolgend in den Ziffern 1 bis 4 genannte Voraussetzungen erfüllt sind.

Die belangte Behörde verneinte die Erfüllung sowohl der Frist gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG (rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt im Bundesgebiet seit zehn Jahren) als auch jener gemäß § 11a Abs. 4 StbG (rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt im Bundesgebiet seit sechs Jahren), weil sich der Beschwerdeführer im Zeitraum von 14. August 2005 bis (gemeint:) 6. Dezember 2005 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe.

2. Dagegen bringt die Beschwerde (nur) vor, die Bundespolizeidirektion Wien, der "offenbar die gefestigte höchstgerichtliche Rechtsprechung zu relativ geringfügigen Fristversäumnissen bei der Stellung von Anträgen auf Verlängerung von Aufenthaltsberechtigungen" (zitiert werden dazu die hg. Erkenntnisse vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/0759, und vom 24. September 1999, Zlen. 99/19/0116 bis 118, sowie die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995,

B 1611 bis 1614/94, vom 29. Juni 1995, B 2688/94 und vom 11. Oktober 1995, B 2619/94) bekannt gewesen sei, habe den Antrag des Beschwerdeführers vom 6. September 2005 als Verlängerungsantrag gewertet. Nach der genannten Rechtsprechung sei im Fall geringfügiger Versäumung der Frist für die Antragstellung der an sich verspätete Verlängerungsantrag wie ein rechtzeitig eingebrachter Antrag zu behandeln. In diesem Fall sei aber auch § 31 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 analog mit der Wirkung anzuwenden, dass der Beschwerdeführer sich bis zur Entscheidung über den Verlängerungsantrag rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe.

3. Zum Erfordernis des rechtmäßigen (und ununterbrochenen) zehnjährigen Aufenthaltes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 2008, Zl. 2008/01/0316, bereits ausgesprochen, dass für Zeiten vor dem Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (am 1. Jänner 2006) die Rechtmäßigkeit auch mit Aufenthaltstiteln nach den Vorschriften des Fremdengesetzes 1997 und des Aufenthaltsgesetzes nachgewiesen werden kann. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Zeitraum von 14. August 2005 bis 6. Dezember 2005 ist daher nach dem Fremdengesetz 1997 zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2010, Zl. 2008/01/0285).

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 (in der Fassung BGBl. I Nr. 151/2004; im Folgenden: FrG) lauten (samt Überschriften) auszugsweise:

"Erteilung weiterer Niederlassungsbewilligungen

§ 23. (1) Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, ist - sofern die Voraussetzungen des 2. Abschnittes weiterhin gesichert scheinen - auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweckumfang zu erteilen. Waren die Fremden bisher im Besitz einer Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck und erklären sie nunmehr der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung zu stehen (§ 7 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 - AlVG, BGBl. Nr. 609), so ist ihnen auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck, ausgenommen unselbständige Erwerbstätigkeit, zu erteilen. Die Gültigkeitsdauer der weiteren Niederlassungsbewilligung beginnt mit dem Tag der Erteilung.

Rechtmäßiger Aufenthalt

§ 31. (1) …

(4) Fremde, die einen Antrag auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihnen zuletzt erteilten Aufenthaltstitels oder vor Entstehen der Sichtvermerkspflicht eingebracht haben, halten sich bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Als Entscheidung in diesem Sinne gilt auch eine von der Behörde veranlaßte Aufenthaltsbeendigung (§ 15)."

3.2. Davon ausgehend ist der Beschwerde der Erfolg zu versagen:

Gemäß § 31 Abs. 4 FrG halten sich Fremde nur dann bis zum Zeitpunkt der rechtmäßigen Entscheidung über den Antrag auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie den Antrag vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihnen zuletzt erteilten Aufenthaltstitels oder vor Entstehen der Sichtvermerkspflicht eingebracht haben. Gemäß § 23 Abs. 1 letzter Satz FrG beginnt die Gültigkeitsdauer der weiteren Niederlassungsbewilligung mit dem Tag ihrer Erteilung.

Nach dem FrG verfügen somit Fremde im Fall der verspäteten Einbringung eines Antrages auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels - auch wenn sie zur Stellung eines Verlängerungsantrages im Inland berechtigt sind - während des Verlängerungsverfahrens über keinen rechtmäßigen Aufenthalt. Aufgrund der Bestimmung des § 23 Abs. 1 FrG entstehende Lücken werden, je nachdem, ob die Antragstellung rechtzeitig erfolgte, durch § 31 Abs. 4 FrG zu Zeiten rechtmäßigen Aufenthaltes oder haben, wenn dies nicht der Fall ist, als Zeiten nicht rechtmäßigen Aufenthaltes zu gelten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2000, Zl. 99/18/0436, sowie die dort auszugsweise zitierten Erläuterungen zu § 23 FrG; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2011, Zl. 2009/01/0063).

3.3. Soweit der Beschwerdeführer für seinen Standpunkt die oben genannten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes ins Treffen zu führen sucht, ist darauf hinzuweisen, dass diese zum Aufenthaltsgesetz ergangen sind und die Frage der Zulässigkeit der Inlandsantragstellung von seit langer Zeit in Österreich aufhältigen Fremden bei relativ geringfügiger Fristversäumnis betroffen haben. Das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/0759, das auf diese Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Bezug nimmt, ist zu § 17 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1992 ergangen. Allein das hg. Erkenntnis vom 24. September 1999, Zlen. 99/19/0116 bis 118, bezieht sich insoweit auf das Fremdengesetz 1997, beschäftigt sich aber in der Sache mit der Frage des Vorliegens von Erst- oder Verlängerungsanträgen. Die genannten Erkenntnisse bieten keine Anhaltspunkte für die vom Beschwerdeführer angestrebte "analoge Anwendung" von § 31 Abs. 4 FrG auch auf Fälle, in denen - entgegen dem insofern klaren Wortlaut dieser Bestimmung - der Antrag auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels nicht vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels eingebracht wurde. Dass bei - wenn auch nur geringfügig - verspäteter Antragstellung im Sinne des § 31 Abs. 4 FrG ein rechtmäßiger Aufenthalt nicht vorliegt, wurde in der hg. Rechtsprechung bereits klargestellt (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom 28. Juni 2000, Zl. 99/18/0436, betreffend einen Fall, in dem der Verlängerungsantrag zwei Tage nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gestellt wurde).

3.4. Der Beschwerdeführer hielt sich somit vom Ende der Gültigkeitsdauer des ihm bis zum 13. August 2005 erteilten Aufenthaltstitels bis zur Erteilung des weiteren Aufenthaltstitels am 7. Dezember 2005 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Damit erfüllte er nach dem Gesagten im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides weder die Aufenthaltsfrist gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG noch jene nach § 11a Abs. 4 StbG.

4. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. Jänner 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte