VwGH 2009/22/0348

VwGH2009/22/034815.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde 1. der Z und 2. der N, beide vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 26. März 2007, 1.) Zl. 147.669/3-III/4/06 und

2.) Zl. 147.669/2-III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §42 Abs1 Z3;
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §42 Abs1 Z3;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde den jeweiligen Antrag der (volljährigen) Beschwerdeführerinnen, türkischer Staatsangehöriger, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 47 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen - in beiden Bescheiden gleichlautend - aus, die Beschwerdeführerinnen strebten die Familienzusammenführung mit ihrem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Vater an. Dieser sei sohin als Zusammenführender im Sinn des § 47 Abs. 3 NAG anzusehen. Es sei daher ein Einkommensnachweis des Vaters der Beschwerdeführerinnen vorzulegen. Sein monatliches Nettoeinkommen betrage ohne Sonderzahlungen EUR 1.153,78. Das pfändungsfreie Existenzminimum betrage für ihn unter Berücksichtigung der Unterhaltspflicht für die Mutter der Beschwerdeführerinnen, die selbst nicht erwerbstätig sei, EUR 1.051,20. Somit verblieben ihm lediglich EUR 102,58 im Monat, die er für Unterhaltsleistungen an die Beschwerdeführerinnen aufwenden könnte.

Für die Beschwerdeführerinnen seien Unterhaltsmittel von jeweils EUR 726,-- monatlich (§ 293 ASVG) erforderlich. Überdies seien noch Mietbelastungen von EUR 305,-- sowie der "Wert der freien Station" von EUR 235,15 zu berücksichtigen. Daraus ergebe sich, dass den erforderlichen Unterhaltsmitteln noch EUR 69,85 hinzugezählt werden müssten. Damit verringere sich das dem Vater der Beschwerdeführer verbleibende Einkommen, das für Unterhaltsleistungen aufgewendet werden könnte, auf etwa EUR 30,--.

Das im Verfahren geltend gemachte Sparguthaben des Vaters der Beschwerdeführer sei nicht heranzuziehen. Damit könne der Lebensunterhalt der Familie nicht auf längere Dauer gesichert werden. Es könne beim Sparguthaben nicht von festen oder regelmäßigen Einkünften gesprochen werden. Im Falle des gegenständlichen Sparbuches seien lediglich dreimalige Einzahlungen getätigt worden, die von Geldrückzahlungen von Verwandten sowie von einer Abfertigung stammten. Es sei nicht ersichtlich, dass weitere regelmäßige Einzahlungen auf das Sparbuch erfolgen würden.

Weiters legte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht nach auch die Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG nicht zur Erteilung der begehrten Aufenthaltstitel führe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Zunächst ist im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide festzuhalten, dass sich die Beurteilung der gegenständlichen Fälle nach der Rechtslage des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 99/2006 richtet.

Die Beschwerdeführerinnen bringen vor, die belangte Behörde habe das Sparguthaben ihres Vaters von EUR 29.500,-- zu Unrecht nicht berücksichtigt. Dies führt die Beschwerde zum Erfolg.

Vorweg ist für eine Konstellation, wie sie auch hier vorliegt, hinsichtlich der Grundsätze für die Höhe der aufzubringenden Unterhaltsmittel und der Art der Berechnung der zur Verfügung stehenden Mittel auf die hg. Erkenntnisse vom 18. März 2010, 2008/22/0632 und 2008/22/0637, hinzuweisen. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird diesbezüglich auf die Entscheidungsgründe dieser Erkenntnisse verwiesen.

Ungeachtet dessen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Berechnung nicht der Rechtslage entspricht (vgl. zum einen die bereits genannten Erkenntnisse 2008/22/0632 und 2008/22/0637 und zum anderen zur Nichtberücksichtigung von Mietbelastungen und eines "Wertes der freien Station" Pkt. 5.4. sowie zur Notwendigkeit der Berücksichtigung des 13. und 14. Gehalts Pkt. 5.5. des hg. Erkenntnisses vom 3. April 2009, 2008/22/0711), ist die Auffassung der belangten Behörde, der Vater der Beschwerdeführerinnen, der auch für seine Ehefrau unterhaltspflichtig ist, könne mit seinem monatlichen Nettoeinkommen, das in der Beschwerde mit "durchschnittlich" EUR 1.153,78 angegeben wird (und ausgehend von den Feststellungen der belangten Behörde unter Berücksichtigung des 13. und

14. Gehaltes EUR 1.346,08 betragen würde), für keine der Beschwerdeführerinnen die jeweils erforderlichen Unterhaltsmittel sicherstellen, im Ergebnis nicht als rechtswidrig anzusehen.

Ausgehend von den in den oben genannten Erkenntnissen ausgedrückten Grundsätzen lägen die Tragfähigkeit seiner (nach § 47 Abs. 3 NAG abzugebenden) Haftungserklärung und die Möglichkeit, für den Unterhalt der Beschwerdeführerinnen in gesetzmäßiger Weise Sorge tragen zu können, deswegen nicht vor, weil er dies - unter Berücksichtigung, dass er für seine nicht erwerbstätige Ehefrau unterhaltspflichtig ist - nur mit jenem Einkommensbestandteil bewerkstelligen könnte, der EUR 1.091,14 (§ 293 Abs. 1 lit. sublit. aa ASVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. II Nr. 532/2006; vgl. Pkt. 6.3. des hg. Erkenntnisses vom 18. März 2010, 2008/22/0637) übersteigt. Dass er mit dem so verbleibenden Einkommen für keine der Beschwerdeführerinnen die jeweils notwendigen Unterhaltsmittel von EUR 726,-- (§ 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG in der genannten Fassung; vgl. zum Ausmaß der zu verschaffenden Unterhaltsmittel für solche Konstellationen das hg. Erkenntnis vom 18. März 2010, 2008/22/0632) zu gewährleisten vermag, steht außer Zweifel und wird von den Beschwerdeführerinnen auch nicht bestritten.

Als entscheidend stellt sich in den vorliegenden Fällen sohin allein die Frage dar, ob das Sparguthaben des Vaters von EUR 29.500,-- bei der Eruierung der für die Unterhaltsleistung zur Verfügung stehenden Mittel zu berücksichtigen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat (unter Hinweis auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Fremdenrechtspaketes 2005) in den Erkenntnissen vom 6. August 2009, 2008/22/0391, und vom 22. September 2009, 2008/22/0659, ausgeführt, dass der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel (u.a.) auch durch Spareinlagen in Betracht kommt. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof - deren Höhe betreffend - darauf abgestellt, dass gemäß § 20 Abs. 1 NAG befristete Aufenthaltstitel, sofern nicht anderes bestimmt ist, für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen sind, es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.

Ausgehend davon, dass auch die hier begehrten Niederlassungsbewilligungen befristet für die Dauer von zwölf Monaten auszustellen wären, übersteigt das nachgewiesene Guthaben deutlich die für die notwendigen Unterhaltsmittel beizubringenden Beträge, sodass der Ansicht der belangten Behörde, die Unterhaltsmittel der Beschwerdeführerinnen seien nicht gesichert, nicht beigepflichtet werden kann.

Dass es sich beim gegenständlichen Kapital um ein solches handelt, das nicht den Beschwerdeführerinnen direkt, sondern über Unterhaltsleistungen ihres Vaters zur Verfügung steht, kann an dieser Beurteilung nichts ändern, zumal dies auch für ein (allenfalls schon für sich genommen ausreichendes) Erwerbseinkommen des Vaters zuträfe. Dass der Vater der Beschwerdeführerinnen aber tatsächlich gar nicht beabsichtigen würde, das aus dem Sparguthaben herrührende Geld für den Unterhalt der Beschwerdeführerinnen aufzuwenden, hat die belangte Behörde nicht festgestellt.

Da sohin die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die von den Beschwerdeführerinnen ins Treffen geführten Mittel ihres Vaters von EUR 29.500,-- unberücksichtigt ließ, belastete sie die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit ihres Inhalts, weshalb diese aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben waren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 15. April 2010

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