VwGH 2009/22/0163

VwGH2009/22/016318.6.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde 1. des Ö, 2. der A, 3. des F, und 4. des M, alle vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 16. April 2009, Zl. E1/7899/09, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art3;
MRK Art8;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art3;
MRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet. Beim Dritt- und Viertbeschwerdeführer handelt es sich um deren gemeinsame Kinder. Alle sind türkische Staatsangehörige.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurden die Beschwerdeführer nach den §§ 53 Abs. 1, 66 Abs. 1 und Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Erstbeschwerdeführer halte sich seit sieben Jahren, die Zweitbeschwerdeführerin und der im Jahr 2001 geborene Drittbeschwerdeführer hielten sich seit etwas mehr als fünf Jahren im Bundesgebiet auf. Der Viertbeschwerdeführer sei im Oktober 2007 im Bundesgebiet geboren worden. Die Einreise des Erstbeschwerdeführers sei am 2. April 2002 mit Hilfe eines Schleppers erfolgt. Am 8. April 2002 habe er einen Asylantrag gestellt. Im Dezember 2003 sei die Zweitbeschwerdeführerin mit dem Drittbeschwerdeführer "in das Bundesgebiet gekommen". Diese hätten am 10. Dezember 2003 Asylanträge gestellt. Für den im Bundesgebiet geborenen Viertbeschwerdeführer sei am 5. November 2007 ein Asylantrag gestellt worden. Auch der Vater und ein Bruder des Erstbeschwerdeführers hielten sich in Innsbruck auf. Die Mutter des Erstbeschwerdeführers sowie die Eltern der Zweitbeschwerdeführerin lebten in der Türkei. Die Asylverfahren der Beschwerdeführer seien seit 23. Dezember 2008 "negativ" abgeschlossen. Seit dieser Zeit erfolge deren Aufenthalt entgegen § 31 Abs. 1 FPG; ihr Aufenthalt sei daher rechtswidrig.

Es liege durch die Ausweisungen zwar ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer vor. Jedoch mache dies die Ausweisung im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG nicht unzulässig. Es bestehe ein großes öffentliches Interesse daran, dass sich Fremde nur rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Erlassung der Ausweisungen sei zum Schutz der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Einwanderungsrechts und zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen dringend geboten, zumal der rechtswidrige Aufenthalt auch eine Verwaltungsübertretung nach § 120 Abs. 1 FPG darstelle.

Auch nach § 66 Abs. 2 FPG seien die Ausweisungen zulässig. Der Aufenthalt der Beschwerdeführer sei zwar während ihrer Asylverfahren rechtmäßig gewesen, jedoch sei dieser Aufenthalt von vornherein vorübergehend, und zwar nur für die Dauer der Asylverfahren, "angelegt" gewesen. Es bestehe zwischen den Beschwerdeführern ein Familienleben. Da aber alle Beschwerdeführer gleichzeitig ausgewiesen würden, werde in dieses durch die Ausweisungen nicht eingegriffen. Die Beschwerdeführer seien der "Dauer und Art des Aufenthalts entsprechend im Bundesgebiet integriert". Sie sprächen gut Deutsch. Eine Integration am Arbeitsmarkt bestehe aber nicht. Der Erstbeschwerdeführer habe lediglich acht Monate (von 27. September 2007 bis 27. Mai 2008) im Baugewerbe gearbeitet. Der Drittbeschwerdeführer gehe seit zwei Jahren zur Schule. Der Viertbeschwerdeführer sei erst eineinhalb Jahre alt und daher außerhalb seiner Familie "noch nicht integriert/sozialisiert". Es seien zwar die Bindungen zum Heimatland der Beschwerdeführer nicht mehr intensiv; jedoch liege das Verlassen der Türkei noch nicht so lange zurück, dass sich die Beschwerdeführer dort nicht mehr zurechtfänden. Das Privatleben der Beschwerdeführer sei in einem Zeitraum entstanden, in dem sie sich des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen seien oder jedenfalls hätten bewusst sein müssen. Dass der Drittbeschwerdeführer die in Österreich begonnene "Pflichtschulzeit" hier nicht fortsetzen könne, sei im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In der Beschwerde wird zugestanden, dass die Asylverfahren der Beschwerdeführer rechtskräftig beendet sind. Der Beschwerde ist auch keine Behauptung zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - bei den Beschwerdeführern vorläge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Wenn die Beschwerdeführer vorbringen, es habe sich in ihren Fällen um "alte Asylverfahren" gehandelt, die nicht zwingend mit Ausweisungen zu verbinden gewesen wären, und die nunmehrige Erlassung der Ausweisungen stelle eine unzulässige Strafe für die zu einer Zeit erfolgten Antragstellungen dar, als die Rechtslage für Asylwerber günstiger gewesen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich bei einer Ausweisung um eine administrativrechtliche Maßnahme handelt und eine solche keine Bestrafung darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2009, 2008/21/0654, mwN). Im Übrigen sah auch das Fremdengesetz 1997 die Ausweisung Fremder vor, die sich nach rechtskräftiger Abweisung ihrer Asylanträge unrechtmäßig im Inland aufhalten.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

Die Beschwerdeführer verweisen in diesem Zusammenhang auf die Dauer ihres Aufenthalts, ihre ausgezeichneten Deutschkenntnisse, den Schulbesuch des Drittbeschwerdeführers, in Österreich lebende Verwandte und Bekannte sowie darauf, dass sie "in der Nachbarschaft integriert und beliebt" seien. Weiters würde der Erstbeschwerdeführer über eine "Einstellungszusage" verfügen.

In Bezug auf das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung ging die belangte Behörde aber zu Recht davon aus, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich durch eine illegale Einreise begonnen wurde bzw. auch hinsichtlich des Viertbeschwerdeführers letztlich auf einer solchen gründete und in der Folge nur so lange rechtmäßig war, als er auf Asylanträgen beruhte, die sich als von Beginn an unbegründet erwiesen haben. Die belangte Behörde ist daher insoweit im Recht, als sie im unrechtmäßigen Verbleib der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nach Abschluss der Asylverfahren eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zu. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisungen iSd § 66 Abs. 1 FPG für dringend geboten erachtete (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 2009, 2008/21/0285, mwN).

Davon ausgehend reichen die geltend gemachten Umstände auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Aufenthaltsdauer von sieben (Erstbeschwerdeführer), etwas mehr als fünf (Zweitbeschwerdeführerin und Drittbeschwerdeführer) sowie zweieinhalb (Viertbeschwerdeführer) Jahren nicht aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK oder des Ermessens von der Erlassung der Ausweisungen hätte Abstand genommen werden und akzeptiert werden müssen, dass die Beschwerdeführer mit ihrem Verhalten (illegale Einreise und unrechtmäßiger Verbleib nach negativer Beendigung ihrer Asylverfahren) versuchen, vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 2009, Zl. 2008/21/0374). Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung hat die belangte Behörde die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Umstände in ihre Interessenabwägung und die Ermessensbeurteilung in ausreichendem Ausmaß einbezogen.

Wenn die Beschwerdeführer noch geltend machen, es hätte ihnen die Gelegenheit eingeräumt werden müssen, sich darauf zu berufen, dass ihnen in ihrer Heimat eine - allerdings ohne nähere Konkretisierung und bloß pauschal behauptete - dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohe, so sind sie darauf hinzuweisen, dass eine solche Bedrohungssituation nicht im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung zu prüfen ist (§ 51 FPG, § 8 AsylG 2005; vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2007, 2007/21/0163).

Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über die Anträge der Beschwerdeführer, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. Juni 2009

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