VwGH 2009/21/0379

VwGH2009/21/037927.1.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des O, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 29. Dezember 2006, Zl. BMI-1003006/0001-II/3/2006, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

32004L0038 Unionsbürger-RL Art3 Abs1;
62007CO0551 Sahin VORAB;
62008CJ0127 Metock VORAB;
EURallg;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z10;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z15;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art3 Abs1;
62007CO0551 Sahin VORAB;
62008CJ0127 Metock VORAB;
EURallg;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z10;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z15;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, über Devolutionsantrag vom 14. Oktober 2005 ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen seit 11. Februar 2005 mit einer deutschen Staatsbürgerin verheirateten und mit ihr in Wien lebenden nigerianischen Staatsangehörigen, "gemäß §§ 62 Abs. 1 und 2 iVm 60 Abs. 2 Z. 1 und 63 Abs. 1" des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Rückkehrverbot.

Begründend führte die belangte Behörde - soweit hier wesentlich ihre Zuständigkeit betreffend - aus, der beschwerdeführende Asylwerber habe zwar am 11. Februar 2005 vor dem Standesamt Wien-Hietzing eine deutsche Staatsbürgerin geheiratet. Aus dem Akteninhalt ergebe sich jedoch kein Hinweis darauf, dass er seine Ehegattin nach Österreich begleitet hätte bzw. ihr nachgezogen wäre. Er sei daher nicht als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 9 Abs. 1 FPG anzusehen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 1. Dezember 2007, B 205/07-8, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Über die im vorliegenden Verfahren ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 FPG entscheiden über Berufungen gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz, sofern nicht anderes bestimmt ist, im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenat in den Ländern (Z. 1) und in allen anderen Fällen die Sicherheitsdirektionen in letzter Instanz (Z. 2).

Gemäß der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG ist begünstigter Drittstaatsangehöriger u.a. der Ehegatte eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, sofern dieser Drittstaatsangehörige dem freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine gemeinschaftsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

Für die Inanspruchnahme des "Rechts auf Freizügigkeit" genügt es, dass sich der Unionsbürger in Österreich aufhält. Selbst im Fall einer Niederlassung in Österreich von Geburt an (ohne jede Reisebewegung) wäre er als Unionsbürger zu bezeichnen, der sein "Recht auf Freizügigkeit" in Anspruch genommen hat (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 10. November 2009, Zl. 2008/22/0733, mwN).

Somit bleibt zu prüfen, ob die weitere Voraussetzung des "Begleitens" oder "Nachziehens" erfüllt ist, um den Beschwerdeführer als begünstigten Drittstaatsangehörigen werten zu können.

Diesbezüglich hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 25. Juli 2008, Rs C-127/08 , "Metock u.a.", klargestellt und im Beschluss vom 19. Dezember 2008, Rs C-5512/07, "Sahin", bekräftigt, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG dahingehend auszulegen ist, dass sich ein Drittstaatsangehöriger, der Ehepartner eines Unionsbürgers, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, ist und diesen Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht, auf die Bestimmungen dieser Richtlinie unabhängig davon berufen kann, wann und wo die Ehe geschlossen wurde oder wie der betreffende Drittstaatsangehörige in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt ist. Demzufolge haben Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, eine aus dem Gemeinschaftsrecht erfließende Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet auch dann, wenn sie sich schon vor Begründung der familiären Beziehung im Bundesgebiet aufgehalten haben (vgl. dazu weiters etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. März 2009, Zl. 2009/21/0030, und vom 8. Juli 2009, Zl. 2007/21/0031, jeweils mwN).

Somit unterlag die belangte Behörde einem Rechtsirrtum, indem sie den Beschwerdeführer, der mit einer in Österreich niedergelassenen deutschen Staatsangehörigen verheiratet war, nicht als begünstigten Drittstaatsangehörigen im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG angesehen hat. Dadurch nahm sie (im Devolutionsweg an Stelle der untätig gebliebenen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien) zu Unrecht ihre Zuständigkeit gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 FPG in Anspruch. Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG hätte jedoch über die Berufung des Beschwerdeführers der unabhängige Verwaltungssenat Wien zu entscheiden gehabt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 27. Jänner 2010

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