VwGH 2008/22/0733

VwGH2008/22/073310.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 13. Juni 2008, Zl. Fr-130/08, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

32004L0038 Unionsbürger-RL Art3 Abs1;
62007CO0551 Sahin VORAB;
62008CJ0127 Metock VORAB;
EURallg;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z10;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z15;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art3 Abs1;
62007CO0551 Sahin VORAB;
62008CJ0127 Metock VORAB;
EURallg;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z10;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z15;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 86 Abs. 1 iVm § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Dabei bejahte sie ihre Zuständigkeit unter Hinweis auf § 9 Abs. 1 Z 2 FPG mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer auf Grund der aufrechten Ehe mit einer slowenischen Staatsbürgerin fremdenpolizeilich als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 12 FPG zu behandeln sei. Eine Einstufung als begünstigter Drittstaatsangehöriger könne jedoch nicht erfolgen, weil seine Ehefrau die ihr zustehenden Rechte auf Freizügigkeit innerhalb der EU nicht in Anspruch genommen habe und der Beschwerdeführer seine Ehefrau weder begleitet habe noch ihr nachgezogen sei. Der Beschwerdeführer habe während der Verbüßung seiner Strafhaft am 14. November 2007 seine Ehefrau geheiratet; diese lebe derzeit mit der 2007 geborenen Tochter in S.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 FPG entscheiden über Berufungen gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz, sofern nicht anderes bestimmt ist, im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern (Z 1) und in allen anderen Fällen die Sicherheitsdirektionen in letzter Instanz (Z 2).

Gemäß der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ist begünstigter Drittstaatsangehöriger u.a. der Ehegatte eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, insofern dieser Drittstaatsangehörige den freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine gemeinschaftsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

Für die Inanspruchnahme des "Rechts auf Freizügigkeit" genügt es, dass sich der Unionsbürger in Österreich aufhält. Selbst im Fall einer Niederlassung in Österreich von Geburt an (ohne jegliche Reisebewegung) wäre er als Unionsbürger zu bezeichnen, der sein "Recht auf Freizügigkeit" in Anspruch genommen hat (vgl. den hg. Beschluss vom 22. September 2009, 2009/22/0043).

Somit bleibt zu prüfen, ob die weitere Voraussetzung des "Begleitens" oder "Nachziehens" erfüllt ist, um den Beschwerdeführer als begünstigten Drittstaatsangehörigen werten zu können.

Diesbezüglich hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 25. Juli 2008, Rs. C-127/08 , "Metock u.a.", klargestellt und im Beschluss vom 19. Dezember 2008, Rs. C-551/07 , "Sahin", bekräftigt, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG dahingehend auszulegen ist, dass sich ein Drittstaatsangehöriger, der der Ehepartner eines Unionsbürgers - der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt - ist und diesen Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht, auf die Bestimmungen dieser Richtlinie unabhängig davon berufen kann, wann oder wo die Ehe geschlossen wurde oder wie der betreffende Drittstaatsangehörige in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt ist. Demzufolge haben Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, eine aus dem Gemeinschaftsrecht erfließende Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet auch dann, wenn sie sich schon vor Begründung der familiären Beziehung im Bundesgebiet aufgehalten haben (vgl. auch dazu den zitierten Beschluss 2009/22/0043).

Somit unterlag die belangte Behörde einem Rechtsirrtum, indem sie den Beschwerdeführer, der mit einer in Österreich niedergelassenen slowenischen Staatsangehörigen verheiratet ist, nicht als begünstigten Drittstaatsangehörigen im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG angesehen hat. Dadurch nahm sie zu Unrecht ihre Zuständigkeit gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 FPG in Anspruch. Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 FPG hätte jedoch über die Berufung des Beschwerdeführers der unabhängige Verwaltungssenat zu entscheiden gehabt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen der - amtswegig wahrzunehmenden (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 29. April 2008, 2006/21/0361, sowie Mayer, B-VG4, § 42 VwGG III.1.) - Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 10. November 2009

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