VwGH 2006/21/0361

VwGH2006/21/036129.4.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 18. Oktober 2006, Zl. Fr 952/10-1996, betreffend amtswegige Feststellung nach § 51 Abs. 5 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §54;
FrG 1997 §75 Abs5;
FrG 1997 §75;
FrPolG 2005 §51 Abs5;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
AVG §1;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §54;
FrG 1997 §75 Abs5;
FrG 1997 §75;
FrPolG 2005 §51 Abs5;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 26. August 1996 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 10. Oktober 1996 die Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. September 1999 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit hg. Beschluss vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0514, abgelehnt.

Mit im Instanzenzug ergangenem (abändernden) Bescheid vom 24. September 1996 hatte die belangte Behörde (Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark) gemäß § 54 Abs. 1 des (soweit hier von Bedeutung bis zum 31. Dezember 1997 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1992, BGBl. Nr. 838, festgestellt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer sei in der Bundesrepublik Nigeria gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 leg. cit. bedroht.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. Oktober 2006 stellte die belangte Behörde nunmehr gemäß § 51 Abs. 5 des (am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen) Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG amtswegig fest, dass im Fall des Beschwerdeführers derzeit keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, er sei in der Bundesrepublik Nigeria gemäß § 50 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FPG bedroht, "zumal sich der maßgebliche Sachverhalt im Hinblick auf die bereits vorliegende rechtskräftige Entscheidung vom 24.9.1996 wesentlich geändert" habe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

§ 54 Fremdengesetz 1992 lautete:

"Feststellung der Unzulässigkeit

der Abschiebung in einen bestimmten Staat

§ 54. (1) Auf Antrag eines Fremden hat die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 bedroht ist.

(2) Der Antrag kann nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden; hierüber ist der Fremde rechtzeitig in Kenntnis zu setzen.

(3) Über Berufungen gegen Bescheide, mit denen die Zulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat festgestellt wurde, ist binnen Wochenfrist zu entscheiden, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.

(4) Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag darf der Fremde in diesen Staat nicht abgeschoben werden. Nach Abschiebung des Fremden in einen anderen Staat ist das Feststellungsverfahren als gegenstandslos einzustellen."

Seine Nachfolgebestimmung, der vom 1. Jänner 1998 bis zum 31. Dezember 2005 in Geltung gestandene § 75 des Fremdengesetzes 1997- FrG, BGBl. I Nr. 75, lautete:

Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat

§ 75. (1) Auf Antrag eines Fremden hat die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 bedroht ist. Dies gilt nicht, insoweit über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat die Entscheidung einer Asylbehörde vorliegt oder diese festgestellt hat, daß für den Fremden in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung besteht.

(2) Der Antrag kann nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden; hierüber ist der Fremde rechtzeitig in Kenntnis zu setzen.

(3) Die Behörde kann in Fällen, in denen die Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes auf besondere Schwierigkeiten stößt, eine Äußerung des Bundesasylamtes zum Vorliegen einer Bedrohung einholen. Über Berufungen gegen Bescheide, mit denen die Zulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat festgestellt wurde, ist binnen Wochenfrist zu entscheiden, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.

(4) Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag darf der Fremde in diesen Staat nicht abgeschoben werden. Nach Abschiebung des Fremden in einen anderen Staat ist das Feststellungsverfahren als gegenstandslos einzustellen.

(5) Der Bescheid, mit dem über einen Antrag gemäß Abs. 1 rechtskräftig entschieden wurde, ist auf Antrag oder von Amts wegen abzuändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert hat, sodaß die Entscheidung hinsichtlich dieses Landes anders zu lauten hat. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über einen von dem Fremden eingebrachten Antrag darf dieser in den betroffenen Staat nur abgeschoben werden, wenn der Antrag offensichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist."

Der am 1. Jänner 2006 in Kraft getretene § 51 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG lautet:

Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat

§ 51. (1) Auf Antrag eines Fremden hat die Fremdenpolizeibehörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 50 Abs. 1 oder 2 bedroht ist. Dies gilt nicht, insoweit über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat die Entscheidung einer Asylbehörde vorliegt oder diese festgestellt hat, dass für den Fremden in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung besteht.

(2) Der Antrag kann nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden; hierüber ist der Fremde rechtzeitig in Kenntnis zu setzen.

(3) Die Fremdenpolizeibehörde kann in Fällen, in denen die Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes auf besondere Schwierigkeiten stößt, eine Äußerung des Bundesasylamtes zum Vorliegen einer Bedrohung einholen. Über Berufungen gegen Bescheide, mit denen die Zulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat festgestellt wurde, ist binnen Wochenfrist zu entscheiden, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.

(4) Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag darf der Fremde in diesen Staat nicht abgeschoben werden, es sei denn, der Antrag wäre nach Abs. 1 oder 2 zurückzuweisen. Nach Abschiebung des Fremden in einen anderen Staat ist das Feststellungsverfahren als gegenstandslos einzustellen.

(5) Der Bescheid, mit dem über einen Antrag gemäß Abs. 1 rechtskräftig entschieden wurde, ist auf Antrag oder von Amts wegen abzuändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert hat, so dass die Entscheidung hinsichtlich dieses Landes anders zu lauten hätte. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über einen derartigen Antrag darf der Fremde in den betroffenen Staat nur abgeschoben werden, wenn der Antrag offensichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist."

Zu dieser Bestimmung führt die Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (952 BlgNR 22. GP 96) auszugsweise Folgendes aus:

"Zu § 51:

Wie bisher soll mit dieser Bestimmung einem von der Abschiebung bedrohten Fremden eine 'wirksame Beschwerde' im Sinne des Art. 13 EMRK eingeräumt werden, sich gegen eine vermeintliche unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK zur Wehr zu setzen. Ein Fremder, gegen den (in Schubhaft) ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung läuft, hat damit nach wie vor die Möglichkeit, bereits frühzeitig ein Verfahren in Gang zu setzen, in dem über die Zulässigkeit einer Abschiebung in einen von ihm selbst bezeichneten Staat unter dem Blickwinkel de(s) Refoulementverbots entschieden wird. Nach wie vor besteht bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Verfahrens ein Abschiebungshindernis in den Staat - und nur in diesen - auf den sich das Verfahren betreffend die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung bezieht. ...

Die zeitliche Einschränkung der Antragslegitimation nach Abs. 2 macht es erforderlich, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass in jenen Fällen in denen sich der der Entscheidung zugrunde liegende maßgebende Sachverhalt wesentlich ändert, eine neue Sachentscheidung über die Zulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat möglich wird. Nach Abs. 5 ist der Bescheid, mit dem über einen Antrag nach Abs. 1 rechtskräftig entschieden wurde, abzuändern, wenn eine Prognose ergibt, dass auf Grund des nunmehr vorliegenden Sachverhalts eine andere Entscheidung zu treffen ist, mit anderen Worten, der nach Abs. 1 rechtskräftig erlassene Bescheid auf Grund des geänderten Sachverhalts inhaltlich unrichtig geworden ist. Ausschließlich in jenen Fällen, in denen sich der maßgebende Sachverhalt wesentlich geändert hat, soll ein Abschiebungsschutz jenen Staat betreffend, auf den sich das Feststellungsverfahren bezieht, gegeben sein."

Die Regierungsvorlage zu § 75 FrG entsprach den eben wiedergegebenen Ausführungen zu § 51 FPG.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2001, Zl. 99/21/0159, zum Ausdruck gebracht, dass auch ein nach § 54 des Fremdengesetzes 1992 erlassener Feststellungsbescheid als Grundlage einer Abänderung gemäß § 75 Abs. 5 FrG, der in der eben zitierten Vorgängerbestimmung keine Entsprechung hatte, in Betracht kommt. Dies muss, wenn auch ausdrückliches Übergangsrecht fehlt, auf Grund der identen Zielsetzungen der zitierten Normen ebenso für das Verhältnis sowohl des § 54 Fremdengesetz 1992 als auch des § 75 FrG zum - nunmehr in Kraft stehenden - § 51 FPG gelten. Auch ein feststellender Bescheid nach § 54 Abs. 1 Fremdengesetz 1992 (oder nach § 75 FrG) ist daher einer (amtswegigen) Abänderung nach § 51 Abs. 5 FPG zugänglich.

Allerdings war die belangte Behörde zur Erlassung des

angefochtenen Bescheides nicht zuständig:

§ 5 Abs. 1 Z. 1 FPG lautet:

"Sachliche Zuständigkeit im Inland

§ 5. (1) Den Fremdenpolizeibehörden erster Instanz obliegt

1. die Besorgung der Fremdenpolizei (§ 2 Abs. 2);

..."

Die Zuständigkeit der Sicherheitsdirektionen ist dagegen lediglich gemäß der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG zur Entscheidung über Berufungen in letzter Instanz, nicht aber zur Erlassung erstinstanzlicher Bescheide in Angelegenheiten der Fremdenpolizei vorgesehen. Eine besondere Zuständigkeitsregelung für Fälle wie den vorliegenden wurde nicht getroffen, wäre - zur Begründung einer abweichenden Rechtsfolge - aber schon deshalb notwendig, weil es dadurch zu einer Verkürzung des Instanzenzuges käme.

Hieraus folgt, dass auch zur (amtswegigen) Erlassung eines auf § 51 Abs. 1 und Abs. 5 FPG gestützten Bescheides die Bundespolizeidirektion (konkret: Graz) in erster und die belangte Behörde - für den Fall der Erhebung einer Berufung durch den Beschwerdeführer - in zweiter Instanz zur Entscheidung zuständig gewesen wäre (vgl. in diesem Zusammenhang auch die zu entsprechenden Feststellungsbescheiden im Anschluss an Aussprüche nach § 8 Asylgesetz 1997 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 8. September 2005, Zl. 2005/21/0308, und vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0175). Die belangte Behörde hat dagegen als erste Instanz - also ohne Vorschaltung der Bundespolizeidirektion (Graz) und damit funktionell unzuständig - einen auf § 51 Abs. 5 FPG gestützten Feststellungsbescheid erlassen.

Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG auf Grund der amtswegig wahrzunehmenden (§ 41 Abs. 1 VwGG) Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 29. April 2008

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