VwGH 2009/18/0420

VwGH2009/18/042025.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des K in Wien, geboren am 11. März 1979, vertreten durch Mag. Mischa Blasoni, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. Juni 2009, Zl. E1/237.513/2009, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. Juni 2009 wurde der Beschwerdeführer, ein vietnamesischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 22. Mai 2003 illegal ohne Reisedokument in das Bundesgebiet eingereist sei und noch am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe. Mittlerweile sei das Asylverfahren in zweiter Instanz seit 30. Oktober 2008 durch Entscheidung des Asylgerichtshofes, indem dieser gleichzeitig festgestellt habe, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Vietnam zulässig sei, rechtskräftig negativ beendet worden. Die Behandlung einer gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde habe der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. Jänner 2009 abgelehnt.

Der Beschwerdeführer sei bis zum rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens im Bundesgebiet vorläufig aufenthaltsberechtigt gewesen und halte sich seitdem - somit seit 31. Oktober 2008 - unrechtmäßig in Österreich auf.

Er habe keine Sorgepflichten in Österreich behauptet; in Vietnam lebten der Vater und zwei Geschwister des Beschwerdeführers. Laut einer Anfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger scheine kein sozialversicherungsrechtlich relevantes Arbeitsverhältnis des Beschwerdeführers auf.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich gemäß § 53 Abs. 1 FPG die Ausweisung veranlasst werden könne, wenn dieser nicht die Bestimmung des § 66 FPG entgegenstehe.

Nach Wiedergabe der Bestimmung des § 66 Abs. 1 und 2 FPG legte die belangte Behörde dar, dass im vorliegenden Fall von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen sei. Dieser sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse verstoße der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 31. Oktober 2008 jedoch gravierend. Ebenso werde das Gewicht der aus seinem Aufenthalt resultierenden persönlichen Interessen dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer "ohne jegliche Nahebeziehungen" nach Österreich gekommen und während des Asylverfahrens nur zum vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen sei.

Es könne auch von keiner Integration des Beschwerdeführers im heimischen Arbeitsmarkt ausgegangen werden. Den Großteil seines 30- jährigen Lebens habe sich der Beschwerdeführer in Vietnam aufgehalten. Nach nur sechsjähriger Abwesenheit vom Heimatland und im Hinblick auf den Umstand, dass dort sein Vater und beide Geschwister lebten, müsse zumindest von einer losen Bindung an den Heimatstaat Vietnam ausgegangen werden.

Der Beschwerdeführer führe in seinem Rechtsmittel völlig unsubstantiiert und daher für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar aus, dass er sozial integriert sei. Insgesamt könne das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers daher nur als relativ gering erachtet werden. Die (durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet) bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten Interessen nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Es könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass sich die Erlassung der Ausweisung als dringend geboten und somit zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 und 2 FPG erweise.

Außer der strafgerichtlichen Unbescholtenheit sprächen zu Gunsten des Beschwerdeführers keine sonstigen besonderen Umstände, welche die belangte Behörde veranlassen hätten können, von der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, diesen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass das Verfahren über den vom Beschwerdeführer gestellten Asylantrag am 30. Oktober 2008 rechtskräftig negativ beendet wurde, die Behandlung einer gegen den Berufungsbescheid im Asylverfahren an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde durch diesen abgelehnt wurde und sich der Beschwerdeführer seit der rechtskräftigen Beendigung seines Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass die Tatbestandsvoraussetzung gemäß § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 FPG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) den sechsjährigen - überwiegend aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz rechtmäßigen - Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers angenommen. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt nur aufgrund eines Asylantrages, der sich in der Folge als unrechtmäßig herausgestellt hat, erlaubt war und seit der rechtskräftigen Abweisung des Asylantrages unrechtmäßig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. September 2009, Zl. 2009/18/0135, mwN).

Seine sozialen Kontakte - und damit sein Privatleben - im Bundesgebiet sind jedenfalls zu einem Zeitpunkt entstanden, zu dem er sich im Hinblick auf das offene Asylverfahren seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 8 FPG). Familiäre Bindungen im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer - was in der Beschwerde unbestritten bleibt - nicht (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 2 FPG).

Die in der Beschwerde enthaltene Behauptung, dass der Beschwerdeführer entgegen der im angefochtenen Bescheid angeführten Auskunft des Verbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger "auf dem heimischen Arbeitsmarkt integriert" sei, kommt keine wesentliche Bedeutung zu, weil der Beschwerdeführer niemals über einen Aufenthaltstitel verfügt hat, der ihn zur Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung berechtigt hätte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 2009, Zl. 2008/18/0651, mwN).

Den dennoch verbleibenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich (spätestens) seit der Ablehnung seiner das Asylverfahren betreffenden Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof im Jänner 2009 unrechtmäßig in Österreich aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, darstellt.

Angesichts dieser Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und somit unter dem Gesichtspunkt des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, auch dann keinem Einwand, wenn man berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer erfolgreich Deutschkurse absolviert hat und keinen sozialen Kontakt in Vietnam mehr unterhält.

2.2. Schon aus diesem Grund kommt der Verfahrensrüge der Beschwerde keine Berechtigung zu.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung war die belangte Behörde durch die nicht konkretisierte Behauptung der "sozialen Integration" des Beschwerdeführers in Österreich in der Berufung auch nicht gemäß § 37 AVG dazu verhalten, weitere Ermittlungen durchzuführen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. März 2009, Zl. 2008/18/0488, mwN).

3. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. Februar 2010

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte