VwGH 2009/17/0070

VwGH2009/17/00703.7.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des M D (geboren am ) in E, vertreten durch E D, dieser vertreten durch Dr. Thomas Brückl und Mag. Christian Breit, Rechtsanwälte in 4910 Ried/Innkreis, Parkgasse 11 - Dr. Th. Senn-Straße 18, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 7. April 2009, Zl. Sich01-73-2009, betreffend erkennungsdienstliche Behandlung, zu Recht erkannt:

Normen

Novellen BGBl2007/I/114 Art1;
SPG 1991 §65 Abs1 idF 2007/I/114;
Novellen BGBl2007/I/114 Art1;
SPG 1991 §65 Abs1 idF 2007/I/114;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding (der belangten Behörde) vom 7. April 2009 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, sich erkennungsdienstlich behandeln zu lassen und an den hiefür erforderlichen Handlungen mitzuwirken. Die belangte Behörde führte als Rechtsgrundlage unter anderem § 65 Abs. 1 iVm § 77 Abs. 2 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) an. Begründend führte die Behörde nach Wiedergabe der bezogenen Gesetzesstellen aus, der Beschwerdeführer sei von einer näher genannten Polizeiinspektion am 15. Jänner 2009 wegen Verdachtes auf Vergewaltigung und pornografischer Darstellung Minderjähriger bei der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis zur Anzeige gebracht worden. Laut dieser Anzeige habe er am 24. Juni 2008 in der Zeit zwischen 12:30 Uhr und 13:05 Uhr an einem näher genannten Ort eine 13- Jährige mit körperlicher Gewalt auf eine Bank gezerrt und ihr die Hose heruntergezogen. Er habe mit seinem Handy den Vorgang gefilmt, auch als ein Mittäter mit dem Zeigefinger in die Scheide der 13-jährigen eindrang. Weiters habe er dem Opfer den BH herunter gerissen und auf die Brust gegriffen. Er habe bei der Befragung auch zugegeben, den Film mindestens zwei Jugendlichen gezeigt zu haben. Wegen einer strafbaren Handlung nach § 201 StGB sei seitens der Staatsanwaltschaft Ried ein außergerichtlicher Tatausgleich durchgeführt worden.

Der Beschwerdeführer habe sich trotz Aufforderung durch die erhebenden Beamten geweigert, einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen; nach einer weiteren Aufforderung mit Schreiben der belangten Behörde vom 27. Jänner 2009, der der Beschwerdeführer auch nicht nachgekommen sei, sei die Verpflichtung mit Bescheid auszusprechen gewesen.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor dem Verwaltungsgerichtshof vor, die belangte Behörde gehe selbst offensichtlich davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht im Rahmen einer kriminellen Verbindung im Sinne des § 65 Abs. 1 SPG tätig geworden sei. Eine erkennungsdienstliche Behandlung wäre somit nur dann rechtlich zulässig, wenn dies zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe erforderlich erscheinen würde. Damit habe sich die belangte Behörde nicht weiter auseinander gesetzt. Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei für die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs. 1 SPG erforderlich, dass eine konkrete fallbezogene Prognose getroffen werde, wobei sich die Behörde mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs. 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit den darauf unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer Vorbeugung durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinanderzusetzen habe; die konkrete fallbezogene Prognose sei jedenfalls unterblieben.

Gründe, die darauf hindeuten würden, dass der Beschwerdeführer in Zukunft gefährliche Angriffe im Sinne des SPG begehen könnte, ließen sich dem Bescheid nicht entnehmen.

§ 65 des Bundesgesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausführung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz - SPG), BGBl. Nr. 566/1991 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung durch die Novelle BGBl. I Nr. 114/2007 regelt die erkennungsdienstliche Behandlung wie folgt (auszugsweise):

"(1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint.

...

(4) Wer erkennungsdienstlich zu behandeln ist, hat an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken.

..."

Nach § 77 Abs. 1 SPG (in der Stammfassung) hat die Behörde einen Menschen, den sie einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen hat, unter Bekanntgabe des maßgeblichen Grundes formlos hiezu aufzufordern. Kommt der Betroffene der Aufforderung gemäß Abs. 1 nicht nach, so ist ihm gemäß Abs. 2 leg. cit. die Verpflichtung gemäß § 65 Abs. 4 SPG bescheidmäßig aufzuerlegen; dagegen ist eine Berufung nicht zulässig.

Wurde wegen des für die erkennungsdienstliche Behandlung maßgeblichen Verdachtes eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft erstattet, so gelten die im Dienste der Strafjustiz geführten Erhebungen gemäß § 77 Abs. 3 SPG als Ermittlungsverfahren (§ 39 AVG) zur Erlassung des Bescheides. Dieser kann in solchen Fällen mit einer Ladung (§ 19 AVG) zur erkennungsdienstlichen Behandlung verbunden werden.

Nach der Definition des § 16 Abs. 2 Z. 1 SPG ist ein gefährlicher Angriff die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren des Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand nach dem Strafgesetzbuch, ausgenommenen die Tatbestände nach den §§ 278, 278a und 278b StGB handelt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. Mai 2009, Zl. 2009/17/0053, näher dargelegt hat, vermag er im Hinblick auf den geänderten Gesetzestext und die damit verfolgte Absicht des Gesetzgebers, seine bisherige, zur früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung nicht aufrecht zu erhalten; der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass im zweiten Fall des § 65 Abs. 1 SPG bereits eine abstrakte Form von Wahrscheinlichkeit, die an der verwirklichten Tat anknüpft, für die Annahme ausreicht, die erkennungsdienstliche Behandlung sei zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich. Eine derartige Annahme lässt sich im Beschwerdefall der Begründung des angefochtenen Bescheides (gerade noch) plausibel entnehmen.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht.

Wien, am 3. Juli 2009

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