VwGH 2009/10/0230

VwGH2009/10/023026.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der E GesmbH in Wien, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. September 2009, Zl. M58/00277/2007/20, betreffend forstbehördlicher Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §59;
ForstG 1975 §16 Abs1;
ForstG 1975 §16 Abs2;
ForstG 1975 §16 Abs3;
ForstG 1975 §172 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §59 Abs1;
AVG §59;
ForstG 1975 §16 Abs1;
ForstG 1975 §16 Abs2;
ForstG 1975 §16 Abs3;
ForstG 1975 §172 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 19. Bezirk, vom 20. Dezember 2006 wurde gemäß § 61 Abs. 3 ForstG 1975 festgestellt, dass auf Teilflächen der Grundstücke Nr. 39, 40/1, 40/6, 44/1+3, 74/3, 4+5, alle KG. J, eine Waldverwüstung im Zusammenhang mit der Errichtung eines Appartementhotels durch die beschwerdeführende Partei vorgenommen worden sei. Zur Beseitigung der Folgen dieser Waldverwüstung werde die Entfernung der noch vorhandenen, den forstlichen Bewuchs beeinträchtigenden Anschüttungen und die Humusierung der betroffenen Fläche, die bestandschonende Entfernung des abrollenden Materials sowie die Zerkleinerung des auf Grund seiner Größe weder händisch noch mit einfachen mechanischen Hilfsmitteln abtransportierbaren Materials an Ort und Stelle binnen festgesetzter Frist aufgetragen. Überdies wurde die Durchführung einer Wiederbewaldung in bestimmter Art und Weise vorgeschrieben.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei bei einem Ortsaugenschein am 1. und 2. Juni 2006 festgestellt worden, dass auf Teilflächen der genannten Grundstücke durch flächige Anschüttungen (Steine, Aushubmaterial, Ziegel, Metallreste, Kunststoff etc.) im Zuge der Bauarbeiten zur Errichtung des Hotels, die in großem Ausmaß Waldboden betroffen hätten, die Produktionskraft des ursprünglichen Waldbodens in einem Gesamtausmaß von 1.800 m2 wesentlich geschwächt, in einigen Bereichen gänzlich vernichtet und in Teilbereichen eine rechtzeitige Wiederbewaldung unmöglich gemacht worden sei. Die betroffenen Flächen seien durch im Akt erliegende Fotos ausreichend dokumentiert. Die beschwerdeführende Partei als die Verursacherin der Waldverwüstung habe diese in der Natur abzustellen und zu beseitigen und eine Wiederbewaldung vorzunehmen.

Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung, in der sie u. a. das Vorliegen einer Waldverwüstung in Zweifel zog. Die Anschüttungen seien Teil des genehmigten Projekts gewesen und damit unabdingbar. Überdies stehe weder der Verursacher der Waldverwüstung fest, noch sei diese örtlich eindeutig umschrieben worden. Es sei nicht klar, ob von der "Waldverwüstung" überhaupt Waldboden betroffen sei, bzw. ob sie sich auf der genehmigten Rodefläche befände; bekanntlich sei der beschwerdeführenden Partei eine Rodungsgenehmigung erteilt worden. Der Wiederbewaldungsauftrag entspreche auch nicht dem seinerzeitigen Zustand, sondern gehe weit darüber hinaus.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. September 2009 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch wie folgt zu lauten habe:

"Gemäß § 16 Abs. 3 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440, in der geltenden Fassung, werden zur Beseitigung der - im Zusammenhang mit der Errichtung eines Appartementhotels durch die

E Gesellschaft m.b.H. auf Teilflächen des Grundstückes Nr. 74/5, EZ 2, der Grundstücke Nr. 40/1 und 74/4, beide EZ 62, des Grundstückes Nr. 39, EZ 63, und der Grundstücke Nr. 40/6 und 74,73, beide EZ 99, alle KG J, - stattgefundenen Waldverwüstung folgende Maßnahmen vorgeschrieben:

1. Die noch vorhandenen den forstlichen Bewuchs beeinträchtigenden Anschüttungen sind zu entfernen und die betroffene Fläche ist zu humusieren.

2. Das abrollende Material ist möglichst bestandsschonend bis zum gewachsenen Waldboden entweder händisch oder mit mechanischen Hilfsmitteln (z.B. Winden o.a.) zu entfernen.

3. Kann das Material auf Grund der Größe weder händisch noch mit einfachen mechanischen Hilfsmitteln abtransportiert werden, ist es vor Ort zu zerkleinern.

Diese Maßnahmen sind bis 31. Dezember 2009 vorzunehmen.

Auf den oben genannten Teilflächen sowie auf den durch die widerrechtliche Rodung gemäß § 17 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440, in der geltenden Fassung, betroffenen Teilflächen der Grundstücke Nr. 44/3 und 74/5, beide EZ 2, des Grundstückes Nr. 44/1, EZ 98, und der Grundstücke Nr. 40/6 und74/3, beide EZ 99, alle KG J, wird gemäß § 172 Abs. 6 leg. cit folgende Maßnahme vorgeschrieben:

Es ist eine rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung auf allen betroffenen oben genannten Teilflächen wie folgt durchzuführen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975 idF BGBl. I Nr. 55/2007, (ForstG 1975) lauten auszugsweise wie folgt:

"Waldverwüstung

§ 16. (1) Jede Waldverwüstung ist verboten. Dieses Verbot richtet sich gegen jedermann.

(2) Eine Waldverwüstung liegt vor, wenn durch Handlungen oder Unterlassungen

a) die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet,

b) der Waldboden einer offenbaren Rutsch- oder Abtragungsgefahr ausgesetzt,

  1. c) die rechtzeitige Wiederbewaldung unmöglich gemacht oder
  2. d) der Bewuchs offenbar einer flächenhaften Gefährdung, insbesondere durch Wind, Schnee, wildlebende Tiere mit Ausnahme der jagdbaren, unsachgemäße Düngung, Immissionen aller Art, ausgenommen solche gemäß § 47, ausgesetzt wird oder Abfall (wie Müll, Gerümpel, Klärschlamm) abgelagert wird.

(3) Wurde eine Waldverwüstung festgestellt, so hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung der Waldverwüstung und zur Beseitigung der Folgen derselben vorzukehren. Insbesondere kann sie hiebei in den Fällen des Abs. 2 eine bestimmte Nutzungsart vorschreiben, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist jede Fällung an eine behördliche Bewilligung binden oder anordnen, dass der Verursacher die Gefährdung und deren Folgewirkungen in der Natur abzustellen oder zu beseitigen hat. Privatrechtliche Ansprüche des Waldeigentümers bleiben unberührt.

...

Forstaufsicht

§ 172. ...

(6) Wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer Acht lassen, hat die Behörde, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere

  1. a) die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung,
  2. b) die Verhinderung und die Abstandnahme von Waldverwüstungen,
  3. c) die Räumung des Waldes von Schadhölzern und sonstigen die Walderhaltung gefährdenden Bestandsresten, sowie die Wildbachräumung,

    d) die Verhinderung und tunlichste Beseitigung der durch die Fällung oder Bringung verursachten Schäden an Waldboden oder Bewuchs oder

    e) die Einstellung gesetzwidriger Fällungen oder Nebennutzungen, dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen.

    ..."

    Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die beschwerdeführende Partei habe im Zuge von Bauarbeiten flächige Anschüttungen (Steine, Aushubmaterial, Ziegel, Metallreste, Kunststoff etc.) auf Teilflächen von im Einzelnen genannten Waldgrundstücken vorgenommen, durch die in einem Gesamtausmaß von ca. 1.800 m2 die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt bzw. gänzlich vernichtet worden sei. Zur Abstellung dieser Waldverwüstung seien der beschwerdeführenden Partei spruchgemäß Maßnahmen vorzuschreiben und überdies die Wiederbewaldung der von der Waldverwüstung betroffenen, aber auch jener Flächen anzuordnen gewesen, auf denen widerrechtliche Rodungen erfolgt seien.

    Die beschwerdeführende Partei wendet ein, es sei der Umfang des Entfernungs- und Wiederbewaldungsauftrages nicht nachvollziehbar. Die Teilflächen der im Einzelnen genannten Grundstücke, von denen die Anschüttungen zu entfernen und auf denen eine Wiederbewaldung vorzunehmen sei, seien weder näher bezeichnet, noch planlich dargestellt worden.

    Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

    Gemäß § 59 AVG hat der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze zu erledigen.

    Mit der Frage, ob ein forstpolizeilicher Auftrag den Bestimmtheitsanforderungen des § 59 Abs. 1 AVG entspricht, hatte sich der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrmals zu beschäftigen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. April 2001, VwSlg. 15.599 A, und die dort zitierte Vorjudikatur): Demnach ist entscheidend, ob nach dem Inhalt des Spruches, zu dessen Auslegung im Zweifelsfall die Begründung des Bescheides heranzuziehen ist, einerseits dem Bescheidadressaten die überprüfbare Möglichkeit gegeben wird, dem Leistungsauftrag zu entsprechen und andererseits, ob ohne weiteres Ermittlungsverfahren und neuerliche Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung im Rahmen einer allfälligen - ihrem Umfang nach deutlich abgegrenzten - Ersatzvornahme ergehen kann. Ein Auftrag, Maßnahmen zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes zu setzen, entspricht den Bestimmtheitsanforderungen des § 59 Abs. 1 AVG, wenn weder beim Bescheidadressaten, noch bei der Vollstreckungsbehörde Zweifel über Art und Umfang der vorgeschriebenen Maßnahmen auftreten können.

    Freilich dürfen, wie der Verwaltungsgerichtshof in vergleichbaren Regelungszusammenhängen bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2009, Zl. 2007/10/0301, und die dort zitierte Vorjudikatur), die Bestimmtheitsanforderungen nicht überspannt werden: Auf kleinste Entfernungseinheiten bezogene örtliche oder vermessungstechnische Angaben über die Position von Anschüttungen innerhalb einer hinreichend bestimmt umschriebenen Fläche sind insbesondere dann entbehrlich, wenn auf Grund der Verhältnisse in der Natur, vor allem auf Grund einer deutlichen Unterscheidbarkeit der zu entfernenden Anschüttungen von den von diesen nicht betroffenen Flächen beim Verpflichteten und bei der Vollstreckungsbehörde kein Zweifel über den räumlichen Umfang des Entfernungsauftrages bestehen kann.

    Den dargelegten Bestimmtheitsanforderungen entspricht der angefochtene Bescheid nicht:

    Soweit der beschwerdeführenden Partei spruchgemäß die Entfernung der den forstlichen Bewuchs beeinträchtigenden Anschüttungen und des abrollenden Materials aufgetragen wird, bezieht sich dieser Auftrag auf Teilflächen bestimmter Grundstücke, ohne diese Teilflächen näher zu umschreiben. Dennoch wäre der Auftrag ausreichend bestimmt, könnte gesagt werden, dass sich auf Grund der Verhältnisse in der Natur die zu entfernenden Anschüttungen von den nicht betroffenen Flächen deutlich unterscheiden.

    Dies ist bereits nach den Begründungsdarlegungen des angefochtenen Bescheides nicht der Fall; wird hier doch ausdrücklich festgehalten, "dass die vorgeschriebenen Maßnahmen natürlich nur auf jenen Teilflächen der betroffenen Grundstücke zu erfolgen haben, die von keinen anderen, diesen Aufträgen entgegenstehenden Bewilligungen (z.B. Rodungsbewilligung) erfasst sind". Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid also selbst davon aus, dass auf Teilflächen der genannten Grundstücke rechtmäßig vorgenommene Anschüttungen vorhanden sind, deren Erfassung durch die verfahrensgegenständlichen Aufträge nicht intendiert ist, ohne jedoch klarzulegen, um welche Anschüttungen es sich jeweils handelt. Der Umfang der der beschwerdeführenden Partei spruchgemäß erteilten Aufträge ist dem angefochtenen Bescheid daher nicht zweifelsfrei zu entnehmen. Dem angefochtenen Bescheid fehlt somit die erforderliche Bestimmtheit.

    Gleiches gilt für den Wiederbewaldungsauftrag, der ebenfalls unter dem erwähnten Vorbehalt steht.

    Mangels eines eindeutigen normativen Abspruches ist der angefochtene Bescheid inhaltlich rechtswidrig. Er war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.

    Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

    Wien, am 26. September 2011

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