VwGH 2007/10/0301

VwGH2007/10/030131.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des C K in K, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Elisabethstraße 22, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 15. Oktober 2007, Zl. RU5-BE-428/001-2006, betreffend naturschutzbehördlicher Entfernungsauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
NatSchG NÖ 2000 §35;
NatSchG NÖ 2000 §6;
VVG §4 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §58 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
NatSchG NÖ 2000 §35;
NatSchG NÖ 2000 §6;
VVG §4 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt (BH) vom 26. September 2006 wurde die beschwerdeführende Partei gemäß den §§ 6 und 35 NÖ Naturschutzgesetz 2000 (NÖ NatSchG) verpflichtet, binnen festgesetzter Frist und nach Maßgabe der Skizze auf dem Orthofoto, das dem Bescheid beigelegt und zum wesentlichen Bescheidbestandteil erklärt wurde,

1. den auf dem Grundstück Nr. 1101, KG R, errichteten Holzlagerplatz im Ausmaß von ca. 80 x 15 m und einer Höhe bis zu 1 m zu entfernen und den vor der Errichtung des Holzlagerplatzes abgetragenen Humus auf die ganze abgeschobene Fläche auszubreiten, sowie

2. den Bauschutt, bestehend aus Ziegel, Mörtel und Betonteilen, im Ausmaß von ca. 50 m3, welcher sich auf den Grundstücken Nr. 1101 und 1103/2, KG R, befindet, zu entfernen und ordnungsgemäß zu entsorgen. Über die ordnungsgemäße Entsorgung seien der BH Nachweise vorzulegen.

Auf Grund der von der beschwerdeführenden Partei gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung erging der Bescheid der NÖ Landesregierung vom 15. Oktober 2007, mit dem der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt wurde, dass "folgendes zu erfüllen ist:

a.) Entfernung der mit Bauschutt kontaminierten Anschüttung im Ausmaß von ca. 400 m3 und Wiederherstellung des früheren Zustandes eines den Interessen des Naturschutzes bestentsprechenden Zustandes im Sinn des erstinstanzlichen Bescheides.

b.) Abtransport des Schüttmaterials in eine zertifizierte Deponie samt Übernahmebestätigung durch den Deponiebetreiber.

c.) Rekultivierung des vom Schüttmaterial bis zum ursprünglichen Niveau ausgekofferten Geländes durch mit Humus durchsetzten autochthonen Pflanzenmaterials.

d.) Durchführung der Arbeiten bis spätestens 31.12.2007.

e.) Meldung des Endes der Arbeiten und die Vorlage der Übernahmebestätigung des Deponiebetreibers an die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt zur Zahl BW2-NA-0531/001 bis spätestens 31.12.2007."

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften auf ein von der beschwerdeführenden Partei im Verfahren vorgelegtes Luftbild hingewiesen. Dieses Lichtbild sei essenziell, weil daraus die Unterschiede zwischen der Schotterfläche eines "alten" Holzlagerplatzes und der "neu geschütteten Fläche" gut und eindeutig zu erkennen seien. Dieser Unterschied sei in der Natur nicht (mehr) zu erkennen, weil die gesamte Schüttung an ihrer Oberfläche ein einheitliches Aussehen aufweise. Der auf einer niedermoorartigen Feuchtwiese errichtete Holzlagerplatz umfasse insgesamt eine Fläche von 1.200 m2, die neu geschüttete Fläche weise ein Ausmaß von 800 m2 auf, der "alte" Holzlagerplatz ein Ausmaß von 400 m2. Die Tiefe des geschütteten Materials, das Anteile von Bauschutt (Ziegel, Mörtel und Betonteile) aufweise, objektiv nicht mehr brauchbar sei und ausschließlich auf entsprechende Deponien verbracht werden dürfe, lasse sich zwar nicht exakt ermitteln. Ausgehend von näher dargestellten Annahmen ergebe sich jedoch für die Anschüttung (zur Errichtung des "neuen Holzlagerplatzes") eine Kubatur von mindestens "400 m3 (800 m2 x 0,5 m)". Um die Interessen der beschwerdeführenden Partei zu berücksichtigen, sei der Auftrag zur Entfernung auf die mit Bauschutt kontaminierte Anschüttung zur Errichtung des "neuen Holzlagerplatzes" (ca. 400 m3) zu beschränken. Der alte, laut Lichtbild nachweislich bereits vorhandene Holzlagerplatz könne jedoch im ursprünglichen Zustand belassen werden. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 NÖ Naturschutzgesetz 2000 (NÖ NatSchG) ist außerhalb vom Ortsbereich, das ist ein baulich oder funktional zusammenhängender Teil eines Siedlungsgebietes (z.B. Wohnsiedlungen, Industrie- oder Gewerbeparks), verboten:

1. die Lagerung und Ablagerung von Abfällen außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen (§ 7 Abs. 1 Z. 6), ausgenommen die in der ordnungsgemäßen Land- und Forstwirtschaft üblichen Lagerungen sowie kurzfristige, die Dauer einer Woche nicht überschreitenden Lagerungen;

2. die Vornahme von Entwässerungen, Grabungen, Anschüttungen und sonstigen Maßnahmen, die geeignet sind, einen Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu gefährden, im Bereich von Moor- und Sumpfflächen, Auwäldern sowie Schilf- oder Röhrichtbeständen, ausgenommen unbedingt notwendige Maßnahmen bei der Durchführung eines gemäß § 7 bewilligten Vorhabens.

Gemäß § 35 Abs. 2 NÖ NatSchG sind Personen, die den Bestimmungen dieses Gesetzes zuwidergehandelt haben, unabhängig von einer Bestrafung von der Behörde zu verpflichten, den früheren Zustand wieder herzustellen oder, wenn dies nicht möglich ist, den geschaffenen Zustand den Interessen des Naturschutzes bestentsprechend abzuändern. Zu diesem Zweck kann die Behörde auch die Verpflichtung zur Erstellung eines Sanierungsplanes vorschreiben.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die beschwerdeführende Partei habe außerhalb vom Ortsbereich zur Herstellung bzw. Erweiterung eines Holzlagerplatzes eine mit Bauschutt kontaminierte Anschüttung im Ausmaß von 400 m3 auf einer niedermoorartigen Feuchtwiese vorgenommen und solcherart gegen das Verbot des § 6 Z. 1 als auch des Z. 2 NÖ NatSchG verstoßen. Es sei ihr daher spruchgemäß die Entfernung der Anschüttung aufzutragen gewesen.

Die beschwerdeführende Partei wendet ein, der angefochtene Bescheid umschreibe die ihr auferlegte Entfernungsverpflichtung nicht so bestimmt, dass sie erkennen könne, wozu sie nun verpflichtet sei. Bereits mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht:

Gemäß § 59 Abs. 1 AVG hat der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmung, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen.

Mit der Frage, ob ein naturschutzrechtlicher Wiederherstellungsauftrag den Bestimmtheitsanforderungen des § 59 Abs. 1 AVG entspricht, hatte sich der Verwaltungsgerichtshof bereits zu wiederholten Malen zu beschäftigen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2003, Zl. 2002/10/0189, und die dort zitierte Vorjudikatur). Er hat in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass diese Frage an Hand des Inhaltes des Spruches, gegebenenfalls unter Einbeziehung weiterer, einen Bestandteil des Bescheides bildender Unterlagen, wie z.B. von Plänen zu lösen ist, wobei zur Auslegung des Spruches im Zweifelsfall die Begründung des Bescheides heranzuziehen ist. Der Spruch muss so bestimmt gefasst sein, dass einerseits dem Bescheidadressaten die überprüfbare Möglichkeit gegeben wird, dem Leistungsauftrag zu entsprechen, und andererseits ohne weiteres Ermittlungsverfahren und neuerliche Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung im Rahmen einer allfälligen - ihrem Umfang nach deutlich abgegrenzten - Ersatzvornahme ergehen kann. Ein naturschutzbehördlicher Entfernungsauftrag, der die Lage von Anschüttungen, deren Entfernung aufgetragen wird, durch Bezeichnung des Grundstückes, auf dem sich die Anschüttungen befinden, die Angabe des Materials, aus dem diese bestehen und die Bezeichnung des Ausmaßes der Flächen, die von den Anschüttungen bedeckt werden, beschreibt, entspricht den dargelegten Bestimmtheitsanforderungen dann, wenn im konkreten Fall weder beim Bescheidadressaten noch bei der Vollstreckungsbehörde Zweifel darüber entstehen können, welche Anschüttungen zu entfernen sind, damit dem erteilten Auftrag entsprochen werde. Dabei dürfen die Bestimmtheitsanforderungen nicht überspannt werden; auf kleinste Entfernungseinheiten bezogene wörtliche oder vermessungstechnische Angaben über die Position von Anschüttungen innerhalb einer hinreichend bestimmt umschriebenen Fläche sind insbesondere dann entbehrlich, wenn auf Grund der Verhältnisse in der Natur, vor allem auf Grund einer deutlichen Unterscheidbarkeit der zu entfernenden Anschüttungen von den von diesen nicht betroffenen Flächen, beim Verpflichteten und bei der Vollstreckungsbehörde kein Zweifel über den räumlichen Umfang des Entfernungsauftrages bestehen kann (vgl. nochmals das Erkenntnis vom 11. Juni 2003 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid nicht:

Zunächst ist festzuhalten, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides - ungeachtet der Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides - eine umfängliche Einschränkung des erstinstanzlichen Entfernungsauftrages vornimmt; trägt er der beschwerdeführenden Partei doch nur mehr die "Entfernung der mit Bauschutt kontaminierten Anschüttung im Ausmaß von ca. 400 m3" auf, bezieht sich also, wie aus der Begründung deutlich wird, nur mehr auf jene Anschüttung, die auf der "neu geschütteten Fläche" vorgenommen wurde ("400 m3 Schüttungsmaterial (800 m2 x 0,5 m)").

Trotz des Vorliegens einer solcherart vom Entfernungsauftrag nicht erfassten Anschüttung auf den in Rede stehenden Grundstücken ("alter Holzlagerplatz"), die - so die Begründung des angefochtenen Bescheides - von der vom Entfernungsauftrag erfassten Anschüttung auf der "neu geschütteten" Fläche in der Natur auch nicht unterschieden werden kann, fehlt es an Angaben, durch die die räumliche Ausdehnung der zu entfernenden Anschüttung zweifelsfrei umschrieben wird. Diese Angaben lassen sich vor allem auch der im erstinstanzlichen Bescheid vorgenommenen - und vom angefochtenen Bescheid durch Bestätigung übernommenen - Lagebeschreibung nicht entnehmen. In der Skizze (Orthofoto) ist zwar die Lage des "bestehenden Holzlagerplatzes" und einer "Schüttung mit Bauschutt" eingezeichnet, auf die erst im angefochtenen Bescheid getroffene Unterscheidung in eine Anschüttung auf der "neu geschütteten Fläche" (die zu entfernen ist) und eine Anschüttung auf dem "alten Holzlagerplatz" (die belassen werden kann), wird freilich keine Rücksicht genommen.

Nun ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides zwar von einem Luftbild die Rede, "aus dem die Unterschiede zwischen der Schotterfläche des 'alten' Holzlagerplatzes und der 'neu' geschütteten Fläche gut und eindeutig erkennbar" seien. Ob dieses Luftbild aber geeignet wäre, die vom Entfernungsauftrag erfassten Flächen von den vom Entfernungsauftrag nicht erfassten Flächen deutlich abzugrenzen, muss schon deshalb dahingestellt bleiben, weil im Spruch des angefochtenen Bescheides auf dieses Luftbild weder verwiesen noch dieses zum Bescheidbestandteil erklärt wurde. Es vermag daher zur erforderlichen spruchgemäßen Umschreibung des Gegenstandes des Entfernungsauftrages nicht beizutragen.

Mangels eines eindeutigen normativen Abspruches erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 31. März 2009

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